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       # taz.de -- 49 tote Frauen und keine Statistik
       
       > Die Grünen wollen Gewalt gegen Frauen systematisch erfassen – das
       > Justizministerium will nicht
       
       Von Nadine Conti
       
       49 Frauen sind im vergangenen Jahr in Niedersachsen von ihren Partnern
       getötet worden. Zumindest sind das die Fälle, die in der polizeilichen
       Kriminalstatistik als Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen oder
       fahrlässige Tötung Eingang gefunden haben und bei denen das Opfer eine Frau
       und der Täter Freund, Lebensgefährte oder Ehemann war.
       
       Man muss diese Zahl vielleicht einfach erst einmal wirklich aufnehmen: 49
       tote Frauen. Vier im Monat. Fast jede Woche eine, allein in Niedersachsen.
       52 waren es im Jahr 2019, 37 im Jahr davor. „Das zeigt doch, dass es
       wirksamere Schutzmechanismen braucht“, sagt die frauenpolitische Sprecherin
       der Grünen, Imke Byl.
       
       Die Grünen hatten diese gesonderte Auswertung des niedersächsischen
       Justizministeriums mit einer kleinen Anfrage angefordert. Sie wollten vor
       allem wissen, wie sich das niedersächsische Justizministerium in der Frage
       der statistischen Erfassung solcher Taten positioniert. Auf der
       Herbstkonferenz der Justizminister*innen im vergangenen Jahr ist dazu
       eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegründet worden.
       
       „Frauenfeindliche Straftaten müssen gesondert erfasst werden. Es ist
       absolut enttäuschend, dass sich die niedersächsische Justizministerin
       kategorisch dieser Initiative Grüner Justizminister*innen
       verweigert“, sagt Helge Limburg (Grüne). Wer eine gründliche Analyse und
       wirksame Gegenmaßnahmen entwickeln will, braucht erst einmal verlässliche
       Zahlen, glaubt er.
       
       Das niedersächsische Justizministerium findet hingegen, dass die
       bestehenden Statistiken im Wesentlichen ausreichen. Viel wichtiger sei für
       die Justizministerin Barbara Havliza (CDU), dass mit den jüngsten Reformen
       im Strafrecht (zu „Nein heißt Nein“, sexueller Gewalt gegen Kinder,
       Stalking) der rechtliche Schutz von Frauen und Mädchen noch einmal gestärkt
       wurde.
       
       Vor allem den Bereich Hatespeech und den sich radikalisierenden Frauenhass
       im Internet hält das Ministerium für eine zu vernachlässigende Größe:
       Ausführlich wird in der Antwort auf die Grünen-Anfrage referiert, wie
       gering die Fallzahlen und Betroffenheit sind, die man aus einer
       Dunkelfeld-Befragung 2017 und der bundeseinheitlichen Statistik zu
       politisch motivierter Kriminalität abliest. Imke Byl (Grüne) glaubt, dass
       es hier einen blinden Fleck gibt: „Diese Ergebnisse widersprechen allem,
       was man aus anderen Studien weiß.“
       
       Auch die Finanzierung von Beratung und Prävention bleibe ein Dauerproblem,
       weil die Frauenhäuser und Beratungsstellen im Gerangel zwischen Bund,
       Ländern und Kommunen aufgerieben werden, sagt Byl.
       
       Dabei haben diese Anlaufstellen noch weit mehr zu bewältigen, als die
       Zahlen zu den Todesfällen vermuten lassen: 21.509 Fälle von häuslicher
       Gewalt verzeichnet die niedersächsische Polizei in ihrer letzten
       Jahresstatistik. Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat weitere
       Untersuchungen zum Thema angekündigt.
       
       6 May 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
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