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       # taz.de -- Referendum in den Niederlanden: „Nee“ zu Brüssel
       
       > Die Niederländer sagten zwar nein zur Ukraine. Die Ablehnung wird aber
       > als Misstrauensvotum gegen die EU-Politik betrachtet.
       
   IMG Bild: Nach der Stimmabgabe war Premier Rutte noch ganz zuversichtlich
       
       Amsterdam taz | Thierry Baudet war in Festlaune. „Dies war der Anfang. Es
       werden noch viele Referenden folgen“, rief der Vorsitzende des Forum voor
       Democratie, eines konservativen Thinktanks, und einer der Initiatoren der
       niederländischen Ukraineabstimmung. Der Abend war fortgeschritten, das
       Ergebnis, die klare Ablehnung des EU-Assoziierungsvertrags mit der Ukraine,
       definitiv, und die Stimmung auf der Wahlparty am Amsterdamer Museumplein
       ging folglich Richtung Siegestaumel.
       
       64 Prozent der Teilnehmer hatten mit „nein“ gestimmt. Die Wahlbeteiligung
       von 32 Prozent überstieg das notwendige Quorum von 30 Prozent nur knapp.
       Doch damit ist das Referendum gültig.
       
       Dass Mark Rutte, der niederländische Premier, etwa zur selben Zeit
       reagierte, zeigt an: Die niederländische Regierung nimmt den Ausgang des
       einst belächelten Referendums inzwischen sehr ernst. Ruttes Worte
       unterstrichen das: Angesichts der „überzeugenden“ Mehrheitsverhältnisse
       werde man den Vertrag nun „nicht einfach so ratifizieren“. Rutte kündigte
       an, für die nun fälligen Nachverhandlungen mit den europäischen Partnern
       wie auch innerhalb der niederländischen Regierung eine gewisse Zeit zu
       benötigen. Dieser Prozess könnte mehrere Wochen dauern.
       
       So klar die Teilnehmer des Referendums das Abkommen mit der Ukraine
       verwarfen, so deutlich ist zugleich, dass die nicht-bindende Abstimmung die
       Annäherung zwischen Kiew und Brüssel nicht aufhalten wird. Wahrscheinlich
       ist, dass als Ergebnis der Nachverhandlungen einer Sonderklausel dem
       niederländischen Dissens Rechnung tragen wird. Die Frage ist, inwieweit
       dies die Forderungen der Vertragsgegner zufriedenstellen kann. Bart Nijman
       von der Website geenstijl.nl, einer der Initiatoren des Referendums, sagte,
       der Vertrag müsse nun gründlich unter die Lupe genommen werden.
       
       ## Regierung unter Druck
       
       Wie brisant das Ergebnis vom Mittwoch dennoch ist, sah man am Tag danach
       vor dem Parlament in Den Haag. Ausgerechnet hier fand ein
       EU-Ministertreffen zur Terrorbekämpfung statt, anlässlich dessen die
       Flaggen mit dem Logo des niederländischen EU-Vorsitzes über dem Gebäude
       wehten. Viel war vor dem Referendum über die Symbolik eines Szenarios
       spekuliert worden, in dem die Bevölkerung des vorsitzenden Landes sich
       deutlich gegen Europa ausspricht. In der allgemeinen Wahrnehmung war das
       Referendum vielfach als Kommentar zur Politik und demokratischen
       Verfasstheit der EU aufgefasst worden.
       
       „Ein Rezept für mehr Unfrieden“, titelte die Tageszeitung Volkskrant
       entsprechend am Tag danach, wissend, dass gerade die wahrscheinlich
       geringfügige Modifizierung des Abkommens dessen Gegnern neue Argumente
       liefern dürfte. „Die Politik muss nun wirklich zeigen, dass sie die
       EU-Kritik eines Großteils der Niederländer ernst nimmt, hieß es in einem
       Kommentar.
       
       Intern nimmt damit elf Monate vor den Parlamentswahlen der Druck auf die
       Regierung zu. Das Motiv einer politischen Klasse, die sich vermeintlich von
       der Bevölkerung entfremdet hat, prägt seit Jahren den politischen Diskurs
       eines Lands, in dem „Den Haag“ bisweilen als Schimpfwort verwendet und so
       als verlängerter Arm von „Brüssel“ gesehen wird. Die Ablehnung des
       EU-Grundvertrags durch die Niederländer 2005 war eine der Initialzündungen
       dieses Konflikts. Mit dem Referendum geht dieser Impuls nun zum zweiten
       Mal, nur in ungleich instabileren Zeiten, aus den Niederlanden nach Europa.
       
       7 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Müller
       
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