URI: 
       # taz.de -- Album „Monophonie“ von Phillip Sollmann: Nach Zeichnungen des Meisters
       
       > Klangexperimente beginnen beim Instrument. Für sein Album „Monophonie“
       > ließ sich der Komponist Phillip Sollmann von Klangforschern anregen.
       
   IMG Bild: Seltsame Instrumente im Einsatz: Aufführung von „Monophonie“ auf der Ruhrtriennale 2017
       
       Es klackert, raschelt, klirrt und gongt auf „Monophonie“, dem neuen Werk
       des [1][Berliner Produzenten und Komponisten Phillip Sollmann]. Ganz
       langsam entwickeln sich in den Stücken perkussive Muster, Drones schwellen
       an und verschwinden wieder, ständig passiert etwas, und dennoch verbreitet
       sich eine ruhige, trancehafte Stimmung. Wenn man bedenkt, was für einen
       gewaltigen Aufwand Sollmann für diese Produktion betrieben hat, wie viel
       Tüftelei in dieser steckt, ist es wirklich erstaunlich, wie tiefenentspannt
       das Ergebnis klingt.
       
       Seit 15 Jahren produziert Sollman inzwischen Techno, meist unter seinem
       Pseudonym Efdemin. Er ist Resident DJ im Berghain. Seine Sets und seine
       Tracks wurden bereits in der ganzen Welt gefeiert. Mehr geht kaum in der
       Branche. Doch in den letzten Jahren, das sagt er selbst, kommt ihm das
       Techno- und DJ-Business immer öder vor. Er, der elektroakustische Musik in
       Wien studiert hat, fühle sich demnach zunehmend als Außenseiter in einer
       ihm immer konformer anmutenden Szene.
       
       Die künstlerische Konsequenz aus dieser inneren Distanz ist nun
       „Monophonie“, ein Album, bei dem nur noch sehr unterschwellig herüberkommt,
       dass hier jemand dahintersteckt, der sich mit Techno auskennt.
       
       Es gibt ja Verbindungslinien zwischen der US-amerikanischen Minimal Music
       von Komponisten wie Terry Riley oder Steve Reich und dem
       Klickerklacker-Minimaltechno, der dann in den Nullerjahren auf den
       Dancefloors populär wurde. Sollmann hat sich diese neu angeschaut, nähert
       sich den Pionieren der durchaus meditativen Klangforschung aber über eher
       ungewöhnliche Referenzen.
       
       Diese heißen vor allem Harry Partch und Harry Bertoia, zwei sehr
       ungewöhnliche und enigmatische Soundkünstler des 20. Jahrhunderts. Beiden
       reichte die Verwendung herkömmlicher Instrumente für ihre Musik nicht aus,
       deswegen besannen sie sich auf das Erfinden eigener, selbst gebastelter
       Klangerzeuger.
       
       ## Die Instrumente erkennt man nur mit einiger Fantasie
       
       Seltsam anzusehende Perkussionsinstrumente sind das etwa bei Partch oder
       eine Orgel mit vielen bunten Tasten, modifizierte Gitarren und Ungetüme,
       für die man einige Fantasie braucht, um in ihnen überhaupt noch ein
       Musikinstrument erkennen zu können. Die Namen, die Partch seinen
       Erfindungen gegeben hat, sind kaum ungewöhnlicher als diese selbst:
       Chromelodeon heißt eines, ein anderes Quadrangularis Reversum. Harry
       Bertoias Spezialität sind dagegen Soundskulpturen und Klangstäbe.
       
       Wer nun selbst mit diesen kuriosen Gerätschaften arbeiten möchte, hat es
       nicht ganz leicht. Es existieren nur ganz wenige von ihnen weltweit, und
       wie man vor allem Harry Partchs eigenwillige Kreationen bedient, weiß auch
       kaum jemand.
       
       Doch davon hat Sollmann sich nicht abschrecken lassen. Mit Nachfahren
       Bertoias hat er sich persönlich getroffen, um sich besser vertraut zu
       machen mit dessen Metallskulpturen. Und mit dem Ensemble Musikfabrik aus
       Köln hat er einen Klangkörper für seine musikalische Vision anheuern
       können, der sich auf Partch spezialisiert hat. In aufwendiger Arbeit hat
       das Ensemble mithilfe von Zeichnungen und Instruktionen des Meisters die
       meisten seiner Instrumente nachbauen lassen und zu spielen gelernt.
       
       ## Sollmann an der Doppel-Sirene von Hermann von Helmholtz
       
       Für das Ensemble hat Sollmann dann die Komposition „Monophonie“
       angefertigt, die 2017 in der Berliner Volksbühne uraufgeführt wurde. Der
       Komponist selbst ist auf dieser dann auch zu hören. Er spielt die
       sogenannte Doppel-Sirene, eine Erfindung des deutschen Universalgelehrten
       Hermann von Helmholtz, dessen Arbeit auch großen Einfluss auf Harry Partch
       hatte. Auch die Doppelsirene sieht weniger wie ein Instrument aus, sondern
       eher wie eine Kaffeemaschine von Daniel Düsentrieb.
       
       Partch, Bertoia, von Helmholtz, da kommt viel zusammen bei „Monophonie“.
       Dass das Ganze nun auch noch als Platte beim vornehmlich für
       experimentellen Techno zuständigen Hauslabel des Berghain erscheint, ist
       eine zusätzliche Pointe obendrauf.
       
       Doch, wie bereits angedeutet: Sollmann bekommt seine ganzen Bezüge locker
       auf einen Nenner. Er versucht sich kein Stück an einer Leistungsschau
       seiner Wundermaschinen, sondern lässt den einzelnen Instrumenten immer
       subtil und uneitel Raum genug, sich langsam zu entfalten. Bis die Klänge
       einen Schwebezustand erreichen, zu driften beginnen. Und am Ende dann doch
       ein wenig an Clubmusik erinnern.
       
       9 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Elektronik-Produzent-Efdemin/!5573150
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Klang
   DIR Experimentelle Musik
   DIR Techno
   DIR Neues Album
   DIR Album
   DIR Efdemin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Elektronik-Produzent Efdemin: „Ich empfinde eine Befreiung“
       
       Der Klangkünstler Phillip Sollmann macht unter dem Namen Efdemin auch Musik
       für den Dancefloor. Auf dem neuen Album „New Atlantis“ findet beides
       zusammen.
       
   DIR Festival Worldtronics: Die Elektroniker der Volksrepublik
       
       Im Haus der Kulturen der Welt kann man wieder elektronische Musik aus wenig
       bekannten Klangregionen kennen lernen. Zum Beispiel aus China.
       
   DIR Efdemin-Album Chicago: Thesen zum Abfahren
       
       Niemand haut zu Techno mehr große Thesen raus - oder? Der Produzent Phillip
       Sollmann (Efdemin) verfolgt mit seinem Album "Chicago" Spuren einer
       transatlantischen Vergangenheit.