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       # taz.de -- Fußball WM 2030 und 2034: Der Profit bleibt am Ball
       
       > Saudi-Arabien wird Gastgeberland der Fußball-WM 2034. Fifa-Präsident
       > Infantino spricht von einem „historischen Kompromiss“. Die
       > Fußballverbände geben klein bei.
       
   IMG Bild: Die nächste Arbeitsausbeutung? Ein Modell für das Roshn  Stadium, das für die WM 2034 in Saudi-Arabien gebaut werden soll
       
       Berlin taz | Das Schöne am Fußballspiel, heißt es, sei die Ungewissheit,
       wie es ausgeht. Das Unschöne an der Fifa ist wiederum diese Gewissheit, wie
       sich am Mittwoch aufs Neue zeigte. Saudi-Arabien wird Gastgeber der
       Fußball-Weltmeisterschaft 2034. Das wurde auf einer Videokonferenz von den
       211 Verbandsvertretern des Weltverbands beschlossen. Es gab keine geheime
       Wahl. Es wurde nur um Beifall an den Bildschirmen gebeten, der dann auch
       prompt folgte. Das Ergebnis steht schon seit langer Zeit fest. Der
       Weltfußballverband hatte unter Führung ihres Präsidenten Gianni
       [1][Infantino über Jahre eine Wahl vorbereitet,] bei der letztlich niemand
       wirklich eine Wahl hatte.
       
       Um den von Menschenrechtsaktivisten bis zuletzt stark kritisierten Bewerber
       Saudi-Arabien auf die Überholspur zu setzen, wurde das Rotationsprinzip,
       das den Kontinenten im Wechsel eine Fußball-WM beschert, wundersam
       beschleunigt. Drei Kontinente und sechs Länder (Spanien, Portugal, Marokko,
       Uruguay, Paraguay und Argentinien) [2][wurden mit der WM 2030 beglückt.]
       Das hundertjährige Jubiläum von Fußball-Weltmeisterschaften, das war der
       Kunstgriff der Fifa, muss doch gebührend und partizipativ gefeiert werden.
       In Asien war nur Saudi-Arabien auf diesen Coup vorbereitet und konnte als
       einziges Land des Kontinents die vierwöchige Bewerbungsfrist für die WM
       2034 einhalten.
       
       Statutenveränderungen der Fifa im Oktober 2023, denen auch der Deutsche
       Fußball-Bund (DFB) zustimmte, ermöglichten zudem erstmals wieder eine
       WM-Doppelvergabe. Ein Verfahren, das Kungeleien begünstigt und nach der
       desaströsen Vergabe an Russland (2018) [3][und Katar] (2022) im Rahmen der
       Fifa-Reformen eigentlich für sittenwidrig befunden wurde.
       
       So hatte am Mittwoch jeder Verband der Fifa nur eine Stimme für oder gegen
       die Paketlösung. Wer die sechs Gastgeber für die WM 2030 unterstützen
       wollte, musste auch für Saudi-Arabien stimmen. DFB-Chef Bernd Neuendorf,
       der lange Zeit vorgab, der Verband wäge noch ab, wie er abstimmen werde,
       bekannte sich vergangenen Freitag klipp und klar zu seinem Votum auch für
       Saudi-Arabien. Alles andere, erklärte er, wäre nur Symbolpolitik, die in
       die Isolation führen würde. Hätte sich der DFB gegen diese Entwicklung
       gestimmt, lautete sein Argument, hätte das keinen Einfluss auf das Ergebnis
       gehabt.
       
       Salbungsvolle Worte von Infantino 
       
       Das Setting der Kür der WM-Gastgeber von 2030 und 2034 am Mittwoch
       verströmte allerdings auch den Eindruck von freiwilliger Isolation. Wie zu
       Pandemiezeiten üblich, wurde die Wahl per Videokonferenz durchgeführt. Auf
       die ansonsten übliche physische Anwesenheit ihres Stimmvolks und des
       wissbegierigen Medientrosses verzichtete die Fifa-Führung. Immerhin bot
       der Weltverband auf seiner Website die Möglichkeit an, per Livestream „die
       Bestimmung der ausrichtenden Verbände“ zu verfolgen.
       
       Übersetzt wurden allerdings die nicht auf Englisch gehaltenen Reden nur
       teilweise. Und Hinweise auf den Livestream gab es im Vorfeld auch für
       Medienvertreter nicht. Eine entsprechende Anfrage der taz ließ die
       Medienabteilung unbeantwortet. Die für 15 Uhr anberaumte Videokonferenz
       startete dann auch mit zwanzigminütiger Verspätung, ehe Gianni Infantino
       auf dem Bildschirm mit den üblichen salbungsvollen Worten auftauchte.
       
       „Fußball verbindet die Welt mehr als alles andere“, sagte er eingangs und
       bezeichnete die anstehende WM-Vergabe als einen „historischen Kompromiss“.
       Er bedankte sich schon vor der Abstimmung bei allen Verbänden für das
       gegenseitige Verständnis. In einer geteilten Welt, erklärte er, sei die
       Fähigkeit, sich zu einigen, eine „unglaubliche Botschaft“. Infantinos
       Botschaft war auch klar: unterschiedliche Standpunkte im Weltverband gilt
       es zu vermeiden. Vor der Abstimmung forderte er das digital versammelte
       Wahlvolk auf: „Let’s make history.“
       
       Ein [4][Evaluationsbericht der Fifa], der den abstimmenden
       Verbandsvertretern im Vorfeld Orientierung geben sollte, hatte die
       Bewerbung Saudi-Arabiens mit Bestnoten (4,2 von 5 möglichen Punkten)
       prämiert. Die Ausrichter der WM 2030 lagen im Schnitt darunter. Die
       Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien wurde als „mittleres Risiko“
       eingestuft. Was das genau heißen soll, ob derlei Prognosen etwa wie
       Regenwahrscheinlichkeitsvorhersagen verstanden werden müssen, lässt der
       Bericht offen. Erstellt wurde er im Übrigen von S&H Clifford Chance, einem
       Joint Venture zweier saudi-arabischer Anwaltskanzleien.
       
       Die 211 Fußballverbände haben sich am Mittwoch dafür entschieden, sich auf
       dieses „mittlere Risiko“ einzulassen. Zu verlockend ist das Geld, das aus
       Saudi-Arabien in den Weltfußball fließt. Es ist abzusehen, dass diese WM
       2034 ebenso wie zuletzt die WM in Katar als das beste Turnier abgefeiert
       wird, das es jemals in der Geschichte der Fifa gegeben hat. Der
       Weltverband hat einmal mehr unter Beweis gestellt, dass alles möglich ist,
       was Profit verspricht.
       
       11 Dec 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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