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       # taz.de -- Reichsbürger-Verein: Dobrindt lässt „Königreich Deutschland“ untergehen
       
       > Führende Köpfe sind festgenommen; es gibt Razzien in 7 Bundesländern.
       > Bundesinnenminister Dobrindt hat das „Königreich Deutschland“ verbieten
       > lassen.
       
   IMG Bild: Sein Königreich dürfte demnächst eher eine Zelle in Untersuchungshaft sein: Der „Oberste Souverän“ Peter Fitzek wurde verhaftet
       
       Berlin taz | Am frühen Dienstagmorgen klingelte schließlich die gute, alte
       Bundesrepublik: Hunderte Einsatzkräfte in sieben Bundesländern durchsuchten
       seit den Morgenstunden Liegenschaften des Reichsbürger-Vereins „Königreich
       Deutschland“ sowie die Wohnungen führender Mitglieder der
       verschwörungsideologischen Gruppierung – und setzten ein Verbot des
       Bundesinnenministeriums um.
       
       Razzien und weitere Maßnahmen fanden in den Bundesländern
       Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz,
       Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen statt. Die Bundesanwaltschaft
       veranlasste parallel die Festnahme von vier Rädelsführern des
       „Königreichs“, die Gruppe bewertet sie als kriminelle Vereinigung.
       
       Festgenommen wurde der Kopf der Gruppe, Peter Fitzek, der selbsternannte
       König, der auch schon mal im Hermelinmantel auftritt. Den 59-Jährigen traf
       die Polizei auf seinem Gutshof im sächsischen Halsbrücke an, 35 Kilometer
       von Dresden entfernt. Fitzek soll keinen Widerstand geleistet haben.
       Bereits zuletzt gab es einen offenen Haftbefehl gegen ihn: Er war im
       September 2024 zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden,
       weil er zwei Jahre zuvor im Wittenberger Landratsamt zwei
       Bundeswehrsoldaten beleidigt und eine Sicherheitsbedienstete an eine Wand
       gedrückt hatte.
       
       ## Verbot noch unter Faeser vorbereitet
       
       Das Verbot des „Königreichs“ war noch unter der jüngsten
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorbereitet worden. Da mehrere
       Bundesländer und Behörden involviert waren, aber zog sich das Verfahren.
       Nun folgte die Umsetzung unter dem neuen Bundesinnenminister Alexander
       Dobrindt. Der CSU-Mann sprach von einem „bedeutenden Schlag gegen die
       sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter.“ Damit sei die größte
       Vereinigung „dieser seit Jahren wachsenden Szene verboten“. Ihr Zweck und
       ihre Tätigkeit liefen den Strafgesetzen zuwider und richteten sich gegen
       die verfassungsgemäße Ordnung und verletzten zudem das Völkerrecht.
       
       Die Mitglieder hätten einen „Gegenstaat“ geschaffen und
       wirtschaftskriminelle Strukturen aufgebaut, erklärte Dobrindt. „So
       untergraben sie beharrlich die Rechtsordnung und das Gewaltmonopol der
       Bundesrepublik. Dabei untermauern sie ihren vermeintlichen
       Herrschaftsanspruch durch antisemitische Verschwörungserzählungen.“ Das
       könne in einem Rechtsstaat nicht geduldet werden, sagte Dobrindt. Das
       Verbot ist laut Bundesinnenministerium in enger Kooperation mit
       Verfassungsschutzämtern und weiteren Bundesbehörden nach umfangreichen
       Ermittlungen ergangen und betrifft auch zahlreiche Teilorganisationen des
       Vereins.
       
       ## Fünf Rädelsführer im Visier der Bundesanwaltschaft
       
       Festgenommen wurden auch Fitzeks Stellvertreter, Benjamin M. im
       Brandenburger Landkreis Oder-Spree und Martin S. im sächsischen Döbeln,
       sowie Mathias B. in Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz), der für die Finanzen
       der Gruppe zuständig gewesen sein soll. Ein weiterer Beschuldigter, nach
       taz-Informationen Marco G., wurde im Schweizer Solothurn durchsucht, aber
       nicht festgenommen. Auch die vier Männer gelten der Bundesanwaltschaft als
       Rädelsführer der kriminellen Vereinigung. Ihnen werden „unerlaubte
       Einlagen- und Versicherungsgeschäfte“ zur Last gelegt. Die Festgenommenen
       sollten am Dienstag und Mittwoch dem Ermittlungsrichter des
       Bundesgerichtshofes vorgeführt werden.
       
       Anführer Peter Fitzek beschäftigt die Gericht schon seit Jahren. Gegen ihn
       wurden Prozesse wegen Untreue, unerlaubter Bankgeschäfte oder Verstößen
       gegen das Versicherungsaufsichtsgesetz geführt, auch wegen Fahrens ohne
       Führerschein. Der Führerschein wurde ihm bereits 2015 amtlich entzogen,
       Fitzek selbst soll ihn bereits 2012 im Landratsamt abgegeben haben – und
       danach weitergefahren sein. Bereits im November 2018 musste Fitzek wegen
       diverser Verurteilungen eine Haftstrafe in der JVA Halle antreten.
       Freiwillig erschien er nicht, sondern wurde in einer Gaststätte
       festgenommen. Nach dreieinhalb Monaten kam Fitzek wieder frei. Nun sitzt er
       wieder in Haft.
       
       Laut Bundesinnenministerium ist sein nun verbotenes „Königreich
       Deutschland“ mit nach Eigenangaben rund 6.000 Anhänger*innen die
       mitgliederstärkste Vereinigung aus dem Spektrum der sogenannten
       Reichsbürger, die immer wieder die Souveränität Deutschlands bestreiten und
       Fantasiestaaten gründen und sich häufig auf das Kaiserreich von 1871 bis
       1918 beziehen. Die Zahl der festen Mitglieder des „Königreichs“ war aber
       wohl weit kleiner: Laut Verfassungsschutz zählte die Gruppe intern zuletzt
       919 Mitglieder.
       
       Peter Fitzek hatte sein „Königreich“ im September 2012 in Wittenberg in
       Sachsen-Anhalt „ausgerufen“, mit ihm als obersten Souverän, ernannt auf
       Lebenszeit. Ziel war eine „konstitutionelle Wahlmonarchie“. Mitglieder
       wurde versprochen, von der bundesdeutschen Steuer- und Sozialabgabenpflicht
       befreit zu sein. Dafür wurden fiktive Ausweise verteilt, eine eigene
       Währung geschaffen, die „Neue Deutsche Mark“, sowie ein Pseudo-Bank- und
       Versicherungssystem aufgebaut. Online wurde ein eigener Marktplatz
       betrieben, „Kauf das Richtige“, auf dem mit einer „E-Mark“ bezahlt wurde.
       Dazu schuf sich das Königreich eigene Organisationen wie die „Deutsche
       Heilfürsorge“, eine Art Krankenkasse, eine „Rentenkasse“ oder eine
       „Königliche Reichsbank“.
       
       Immer wieder erwarb die Gruppe auch Immobilien, und das bundesweit, die
       fortan als „Staatsgebiet“ angesehen wurden: etwa in Bad Lauterberg in
       Niedersachsen, in Gera in Thüringen oder in Wolfsgrün und Eibenstock in
       Sachsen. Fitzek erwarb seinen Hof in Halsbrücke im Mai 2023.
       
       Das Bundesinnenministerium wirft Fitzeks Truppe vor, damit eine „aggressiv
       eigene Staatlichkeit“ geschaffen und das Gewaltmonopol und den Rechtsstaat
       infrage gestellt zu haben. So habe Fitzek selbst Recht gesprochen und
       unterhalte eine eigene „Garde“ mit Exekutivbefugnissen. Durch den Erwerb
       der Liegenschaften sollte „das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland
       kontinuierlich geschmälert werden.“
       
       Zudem habe das „Königreich“ eine „dezidiert profitorientierte Ausrichtung“
       gehabt, so das Innenministerium. Seine Anhängerschaft habe erheblichen
       Summen für den Ankauf von Grundstücken und Gebäuden zugewendet. Ebenso
       seien Einnahmen über Reichsbürgerschulungen zum „Systemausstieg“ und
       „unerlaubte Bank- und Versicherungsgeschäfte“ über Teilorganisationen wie
       die „Königliche Reichsbank“ und die „Deutsche Heilsfürsorge“ durchgeführt
       worden. „Dies stellt einen Verstoß gegen einschlägige strafbewehrte
       Bestimmungen des Kreditwirtschafts- wie auch des
       Versicherungsaufsichtsgesetzes dar“.
       
       Ideologisch gebe es in der Vereinigung „eine antisemitisch konnotierte
       verschwörungstheoretische Verächtlichmachung von staatlichen Institutionen
       Deutschlands und anderer Länder“, so das Innenministerium. Diese würden als
       „satanisch unterwandert“ oder „von jüdischen Clans“ gelenkt dargestellt,
       was die Menschenwürde von Jüdinnen und Juden verletze und staatliche
       Institutionen delegitimiere. Auch in der eigenen Verfassung des
       „Königreichs“, 70 Seiten stark, finden sich antisemitische Anklänge. Die
       Gruppe kritisierte etwa eine Umverteilung „von den fleißigen Menschen hin
       zum Bankenkartell“. Das Zinssystem sei die Säule eines „destruktiven
       Systems“.
       
       Die Verbotsverfügung wirft der Gruppe auch vor, mit Grenzrevisionen und
       vermeintliche Sezessionsrechte zulasten der Nachbarländer das Völkerrecht
       zu verletzen. Hinzu kämen Volksverhetzungen, Verunglimpfungen des Staates,
       Urkundenfälschungen durch Ausgabe eigener Legitimationsdokumente und
       „szenespezifische Ungehorsamsdelikte“. Mit dem Verbot werde auch die
       Website gesperrt, das Vermögen der Organisation beschlagnahmt. Eine
       Fortführung unter anderem Namen ist ebenfalls verboten.
       
       Bei den Immobilien des „Königreichs“ hatte sich zuletzt schon die
       Bundesanstalt für Finanzaufsicht eingeschaltet: Sie versiegelte 2023 in
       Wittenberg das „Wolfsgrüner Schlösschen“ und den „Sächsischen Hof“ in
       Eibenstock. Ein Jahr später folgte das „Schloss Bärwalde“ in Boxberg in der
       Oberlausitz.
       
       In der Reichsbürger-Szene sind die Grenzen zum Rechtsextremismus teilweise
       fließend. In einigen Gruppen auch die zum Rechtsterrorismus: So plante eine
       Gruppe Reichsbürger während der Pandemie [1][die Entführung des ehemaligen
       Gesundheitsministers Karl Lauterbach] (SPD). Eine derzeit unter anderem in
       Frankfurt am Main angeklagte [2][Gruppe um „Prinz Reuß“] plante etwa einen
       Staatsstreich mit Waffengewalt und die Ermordung zahlreicher Menschen. Auch
       eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete war Teil dieser Gruppe. Politiker
       [3][der extrem rechten Partei treiben sich auch immer wieder mal auf
       Reichsbürger-Demos herum], nicht zuletzt Björn Höcke besticht durch die
       Nähe zu Thüringer Reichsbürger*innen.
       
       Und auch AfD-Parteichef Tino Chrupalla, der in Reden selbst gerne raunt,
       dass „Deutschland kein souveränes Land“ sei, wollte im sächsischen
       Weißwasser David Kreiselmeier als AfD-Kandidat zum Oberbürgermeister
       machen. Der ist [4][Mitglied des „Königreichs Deutschland“] und [5][war
       unter anderem in deren sächsischen Telegram-Chatgruppe aktiv]. Dort schrieb
       Kreiselmeier unter anderem, „dass dieses System nicht mehr gerettet werden
       sollte; zuschauen und genießen, wie es sich selber zerstört, scheint mir
       auch die sinnvollste Strategie.“ Nun kann er erstmal dabei zusehen, wie
       sein „Königreich“ samt „König Peter I.“ untergeht.
       
       13 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Urteil-gegen-Reichsbuerger-in-Koblenz/!6074014
   DIR [2] /Reichsbuerger-Prozess-in-Frankfurt/!6070325
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   DIR [4] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/bautzen/goerlitz-weisswasser-zittau/afd-kandidat-reichsbuerger-wahl-buergermeister-100.html
   DIR [5] https://threadreaderapp.com/thread/1824041852686729671.html
       
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