# taz.de -- Provokationen für die Nato-Staaten: From Russia with Fear
> Angst ist Putins stärkste Waffe und die größte Schwäche des Westens. Doch
> obwohl die russischen Provokationen zunehmen, darf uns die Angst nicht
> weiter lähmen.
IMG Bild: Übt nicht erst seit gestern: Parade der russischen Luftwaffe am 9. Mai 2008
Angst verkauft Bücher, Angst sitzt bei Markus Lanz. Angst lähmt, lässt das
Herz schneller schlagen, kriecht ins Unterbewusstsein. Lässt einen träumen
von Sirenen, Feuer und Raketen. Aber wer schweißgebadet aufwacht, kann
nicht handeln, will sich verkriechen. Angst zu haben, ist menschlich. Und
trotzdem ist es an der Zeit, sie zu überwinden.
Seit Beginn des Monats testet der Kreml die Luftabwehr der Nato.
[1][Russische Drohnen verletzen den polnischen Luftraum massiv], rumänische
Behörden waren von Drohnensichtungen auf ihrer Seite der
rumänisch-ukrainischen Grenze alarmiert, und [2][am Wochenende drangen drei
russische Jets in den estnischen Luftraum ein]. Estland beantragt nach
dieser russischen Provokation Beratungen nach Artikel 4 des Nato-Vertrags.
Laut der Vereinbarung müssen sich alle Mitglieder nun zusammenfinden, um
über weitere Schritte zu sprechen.
Das sollte uns sorgen und, ja, auch Angst machen: Acht Mal kam es zu
solchen Beratungen seit der Gründung 1949, letztmals Mitte September nach
den Drohnen in Polen. Zuvor hatte die Nato vor mehr als dreieinhalb Jahren
beraten, am 24. Februar 2022.
Zwei Treffen in einem Monat zeigen: Russland übt massiven Druck aus. Und
die Strategie der Nato geht nicht auf. Denn um Eskalation zu verhindern,
spielen die Mitglieder die Angriffe herunter. Nato-Generalsekretär Mark
Rutte vermied es, von einem gezielten russischen Angriff in Polen zu
sprechen. Die Sorge vor dem sogenannten Bündnisfall des Nato-Vertrags ist
groß. Nach dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ verteidigen laut
Artikel 5 dann alle Mitglieder ein einzelnes Land; wenn es sein muss, auch
militärisch.
## Zeichen der Schwäche
Doch die Angst vor genau diesem Szenario lähmt die Bündnispartner und führt
ironischerweise zu weiteren Eskalationen. Denn für Wladimir Putin ist Angst
ein Zeichen der Schwäche. Er testet munter, wie weit er gehen kann.
[3][Und Europa? Ist ein ratloses Opfer. Gewöhnt sich zu schnell an die
neuen Eskalationsstufen] und bleibt hängen in der Kriegsangst. Dabei muss
das nicht die zwingende Folge sein. Nicht jede Form der Angst lähmt, aus
ihr kann man auch Mut schöpfen. Greta Thunbergs „I want you to panic“ und
die Fridays-for-Future-Bewegung versammelte 2019 mehrere Millionen Menschen
weltweit auf der Straße. Die Klimaangst als Motor. Statt zu erstarren vor
der Kriegsangst, sollte man besonnen handeln und zuhören.
Denn die baltischen Länder warnen nicht umsonst seit Jahren vor der
steigenden Gefahr, die von Russland ausgeht. 42-mal sei Estland in den
letzten tausend Jahren von seinem russischen Nachbarn angegriffen worden,
erinnert der Ex-General und Europaabgeordnete Riho Terras. Auch er hat
nicht erst seit dem 24. Februar 2022 vor einem russischen Angriff auf
Europa gewarnt. Doch die Angst lässt den Europäer stur und egoistisch
werden.
Sichten Rumänen Drohnen über ihren Dörfern, ist das Grund zur Sorge; sind
sie Teil eines massiven Angriffs auf kritische Infrastruktur in der
Ukraine, sind sie schnell wieder vergessen. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Mit Angst lässt sich Profit machen. Und Politik: Rechtspopulistische und
rechtsextreme Kräfte in Europa besinnen sich auf nationale Interessen und
stellen finanzielle Hilfen an die Ukraine infrage. Sie bedienen die Ängste
und Unsicherheiten der Bevölkerung, die seit Jahren leidet unter steigenden
Energie- und Lebensmittelpreisen und den Preis zahlt für die zunehmenden
Militärausgaben.
Die deutsche Angst vor Veränderung, vor fehlender Sicherheit ist so
berühmt, sie hat einen eigenen Namen. „German Angst“ ist Teil von uns und
auch Teil von Europa. Wir müssen uns entscheiden, ob sie uns lähmt oder ob
wir endlich ins Handeln kommen können.
22 Sep 2025
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## AUTOREN
DIR Anastasia Zejneli
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