URI: 
       # taz.de -- Lumumba: Kein Vorsatz, kein Befehl
       
       > Eine belgische Untersuchungskommission stellt eine lediglich „moralische“
       > Verantwortung des Landes bei der Ermordung des kongolesischen
       > Befreiungshelden Patrice Lumumba 1961 fest – obwohl Belgier an seiner
       > Hinrichtung beteiligt waren
       
       von FRANCOIS MISSER
       
       Eine Kommission des belgischen Parlaments, die zwei Jahre lang die Umstände
       der Ermordung des ersten kongolesischen Premierministers Patrice Lumumba
       untersuchte, hat in ihrem am Freitag vorgelegten Zwischenbericht eine
       „moralische Verantwortung gewisser Mitglieder der belgischen Regierung und
       anderer belgischer Akteure“ festgestellt. Hauptverantwortung für Lumumbas
       Tod trügen Kongolesen, steht in dem Bericht.
       
       Patrice Lumumba war bei der Unabhängigkeit Belgisch-Kongos am 30. Juni 1960
       Premierminister geworden. Schon damals war er bei der ehemaligen belgischen
       Kolonialmacht und den USA in Ungnade gefallen. Er wurde abgesetzt und
       verhaftet und schließlich in die mit belgischer Unterstützung vom Kongo
       abgespaltene Südprovinz Katanga geflogen, wo er am 17. Januar 1961
       bestialisch hingerichtet wurde.
       
       Die belgische Kommission stellt fest, dass die Regierung des Kongo den
       Transfer des verhafteten Expremiers am 17. Januar 1961 nach Katanga
       organisierte, mit Unterstützung belgischer Regierungsinstanzen. Gendarmen
       und Polizisten von Katanga hätten ihn zwischen 21.40 und 21.43 Uhr des
       gleichen Tages hingerichtet, in Anwesenheit von katangischen Ministern.
       Auch ein belgischer Polizeikommissar und drei Offiziere belgischer
       Nationalität nahmen teil – „jedoch unter Kommando und Kontrolle der
       katangischen Autoritäten“.
       
       Belgien, so der Bericht, habe Lumumba lediglich „politisch“ eliminieren
       wollen. „Aus keinem Dokument und keiner Zeugenaussage geht hervor, dass die
       belgische Regierung den Befehl gegeben hätte, Lumumba physisch zu
       eliminieren“, so die Kommission. „Aus der Untersuchung geht nicht hervor,
       dass es in der Führung der Belgier den Vorsatz gab, Lumumba zu ermorden
       oder ermorden zu lassen, als diese ihn nach Katanga überstellen ließen“ –
       wobei letzteres im Widerspruch zur Feststellung steht, Lumumbas Transfer
       sei das Werk der Kongolesen gewesen.
       
       Neben dieser grundsätzlichen Exkulpation Belgiens weist der Bericht jedoch
       auch darauf hin, dass Belgier an mehreren Plänen zur Ermordung Lumumbas
       beteiligt gewesen seien. Es gab einen Befehl des belgischen
       Generalstabschefs Charles Cumont zur Entführung Lumumbas. Guy Weber, Leiter
       der belgischen Mission in Katanga, informierte den belgischen König, dass
       Lumumbas Leben in Gefahr war. Angesichts der Möglichkeit einer Ermordung
       Lumumbas äußerten die belgischen Stellen aber „keinerlei Anzeichen von
       Tadel oder Besorgnis“, so der Bericht.
       
       Die Untersuchungskommission unter Vorsitz des Abgeordneten und Juristen
       Gert Vesnick wurde gegründet, nachdem der belgische Soziologe Ludo de Witte
       in seinem Buch „L’Assassinat de Lumumba“ so detailliert wie nie zuvor die
       Umstände und Vorgeschichte von Lumumbas Tod darstellte und die belgische
       Mitwirkung daran präzisierte. Das weitere Vorgehen liegt in den Händen der
       belgischen Regierung und des belgischen Parlaments, die über den Bericht
       debattieren müssen.
       
       20 Nov 2001
       
       ## AUTOREN
       
   DIR FRANCOIS MISSER
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA