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       # taz.de -- „Man bewaffnet Leute, die man dann nicht kontrolliert“
       
       > Guineas ehemaliger Premierminister Sidya Touré über den neuen Krieg in
       > seinem Land, die Rolle der Nachbarländer und die Ausbreitung bewaffneter
       > Konflikte in Westafrika
       
       taz: Seit September gibt es in Guinea Angriffe von Rebellen, von denen man
       nicht genau weiß, wer sie sind. Was sind Ihre Informationen über die Lage? 
       
       Touré: Es gibt zwei wesentliche Kampffronten. Die eine ist im Südosten an
       der Grenze zu Liberia um die Städte Macenta und Gueckedou. Hier hat es
       Hunderte von Toten gegeben, zurückzuführen auf die Ankunft von Rebellen aus
       Liberia. Rivalisierende liberianische Clans haben sich in Guinea
       festgesetzt. Die zweite Front ist im Südwesten, südlich der Hauptstadt um
       Forecariah, wo es mehrere Dutzend Tote gegeben hat. Dort sind Rebellen der
       „Vereinigten Revolutionären Front“ (RUF) aus Sierra Leone aktiv, die sich
       vor dem Druck der UN-Truppen nach Guinea zurückziehen.
       
       Sind nicht auch guineische Rebellen beteiligt? 
       
       Es ist nicht auszuschließen, dass gewisse guineische Militärs, die am
       gescheiterten Putschversuch von 1996 beteiligt waren, sich unter diese
       Leute gemischt haben. Aber es gibt keine Beweise. Klar ist, dass das
       Staatsgebiet angegriffen wird und massive Bevölkerungsbewegungen zu
       verzeichnen sind.
       
       Ist Guinea Opfer einer Ausbreitung der Kriege in Sierra Leone und Liberia?
       Es gibt eine Verschwörungstheorie, wonach die Präsidenten von Burkina Faso
       und Liberia zusammen mit den Rebellen Sierra Leones die Region
       destabilisieren wollen. 
       
       Es gibt keine konzertierte Destabilisierung Westafrikas. Es geht immer um
       Probleme zwischen Nachbarländern. In Guinea ist es die Schwäche der
       Staatsmacht, die diesen Leuten den Mut gibt, das Land anzugreifen. Guinea
       ist an den Kriegen in Sierra Leone und Liberia beteiligt und hat zugleich
       interne Probleme. Das kann es sich nicht leisten.
       
       Was unternehmen Sie dagegen als Führer einer Oppositionspartei? 
       
       Wir sind gegen diese Art von politischem Wandel. Guinea hätte es sehr
       schwer, aus einem Krieg wieder herauszufinden, wie die Beispiele Sierra
       Leone und Liberia zeigen. Wir kritisieren andererseits, dass Guineas
       Regierung zur Repatriierung der Flüchtlinge aus diesen Ländern aufruft, ist
       Guinea doch ein Mittelpunkt Westafrikas. Und schließlich gibt es im Ausland
       die Überzeugung, in Guinea sei die Zentralmacht schwach. Die Regierung
       sollte also mit den Parteien Gespräche über einen nationalen Konsens
       aufnehmen. Wir haben darauf keine Antwort bekommen.
       
       Stattdessen bildet die Regierung Milizen und hält nationalistische
       Brandreden. 
       
       Genau. Die Bildung von Milizen ist sehr gefährlich. Heute gibt es im ganzen
       Land Straßensperren, man kann nicht herumfahren, ohne von Milizionären
       aufgehalten zu werden, die nicht einmal lesen und schreiben können. Diese
       jungen Leute werden von der Staatsmacht benutzt. Man bewaffnet Leute, die
       man dann nicht kontrollieren kann. Sie sind ja keine Soldaten, haben kein
       militärisches Ethos. Dies schafft eine unruhige Situation.
       
       Nützt der Krieg also letztendlich dem Regime? 
       
       Das dachten wir am Anfang, aber inzwischen ist die Regierung mit dem Krieg
       überfordert. Er destabilisiert die Staatsmacht.
       
       Wie wird es weitergehen? 
       
       Die Oppositionsparteien in Guinea haben beschlossen, die bevorstehenden
       Parlamentswahlen im November zu boykottieren. Denn es gibt keine Garantien
       von Transparenz und Sicherheit. Schon bei den Kommunalwahlen am 26. Juni
       gab es wilde Repression und sechs oder sieben Tote. An Wahlen unter
       denselben Bedingungen nehmen wir nicht teil. Der Präsident will eine
       Zweidrittelmehrheit im Parlament, um die Verfassung zu ändern, seine
       Amtszeit rückwirkend von fünf auf sieben Jahre zu verlängern und die
       Begrenzung der Anzahl möglicher Amtszeiten aufzuheben. Dann wären die
       nächsten Präsidentschaftswahlen von 2003 auf 2005 verschoben. Er will eine
       Präsidentschaft auf Lebenszeit. INTERVIEW:DOMINIC JOHNSON
       
       17 Oct 2000
       
       ## AUTOREN
       
   DIR DOMINIC JOHNSON
       
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