URI: 
       # taz.de -- Kommissar Wallander auf Arte: Hamlet im Rotweinrausch
       
       > Arte zeigt drei neue Folgen von „Wallander“. Kenneth Branagh spielt den
       > melancholischsten aller Wallander. Man möchte sofort in Tränen
       > ausbrechen.
       
   IMG Bild: Kenneth Branagh als Kommissar Wallander.
       
       Von allen skandinavischen Fernsehkommissaren, die derzeit über die
       Flatscreens flimmern, hat der Wallander, den Kenneth Branagh spielt,
       definitiv den nervigsten Handy-Klingelton. Es ist eine Marimba-Melodie (ein
       hölzernes Xylophon), die in sieben Dreiklängen disharmonisch absteigt.
       Game-Over-Jingles klingen so.
       
       Schon August Strindberg, der schwedische Nationaldichter, bezeichnete das
       Telefon in dem Kammerspiel „Övader“ („Wetterleuchten“) als
       „Klapperschlange“, als Einbrecherin in das private Paradies der Familie.
       Das war 1907. Das Telefon hatte seinen Siegeszug gegen die Intimität gerade
       erst angetreten.
       
       Heute ist das Handy gewissermaßen die wichtigste Waffe des Ermittlers. Denn
       das Telefon bringt die Nachrichten, und die sind immer schlecht. Ein Mord,
       ein Anruf. Die erste der drei neuen Mankell-Verfilmungen beginnt denn auch
       düster. Eine Fähre. Kalt ist es, die Farben sehen aus wie verschmiert. Eine
       verängstige junge Frau geht über Bord. Dem Prolog folgt der Vorspann,
       überlebensgroße Buchstaben formen den Namen der Kunstfigur, die sowohl
       ihren Erfinder als auch all ihre Darsteller überragt: Wallander. Dazu die
       säuselnde Stimme von Emily Barker: „Tram wires cross northern skies cut my
       blue heart in two.“ Man möchte sofort in Tränen ausbrechen.
       
       Kenneth Branagh spielt den melancholischsten aller Wallander. Der in jeder
       Hinsicht große Rolf Lassgård kam dem literarischen Vorbild in den ersten
       Verfilmungen Mitte der Neunziger noch am nächsten, samt Übergewicht und
       einer gehörigen Portion Arschlochigkeit. Der zerknitterte Krister
       Henriksson als „Mankells Wallander“ wirkte immer etwas verpeilt. Und
       Hollywoods Shakespeare-Beauftragter Kenneth Branagh spielt den Ystader
       Kommissar als Hamlet.
       
       ## Zu weich für den Job
       
       Das regelmäßige Rotweinkoma auf dem Sofa: Branaghs Wallander ist zu weich
       für den Job. Aber deshalb ist er auch der sympathischste Wallander, den es
       je gab. Er ist zu gut für diese Welt.
       
       Die schwedische Welt indes sieht durch die Brille der BBC-Produzenten so
       düster gar nicht aus. Selten wurden die Weiten Schonens so hübsch in Szene
       gesetzt wie hier. Zugegeben, es gibt reichlich viele Irre in dieser
       Landschaft, aber man hat nicht den Eindruck, dass das Böse ein Teil dieser
       Welt wäre. So, wie es seit Maj Sjöwalls und Per Wahlöös Erfindung ihres
       „Kommissars Beck“ Mitte der 1960er sozusagen skandinavischer Standard ist.
       Gut und Böse stehen sich hier vielmehr als unvereinbare Gegensätze
       gegenüber. Kurt Wallander ist der Wiedergänger zwischen Hell und Dunkel.
       Und sein Telefon, das Klingeln ist seit 2008 dasselbe, ist die Tür ins
       Dunkel.
       
       „Lass es klingeln“, sind Wallanders erste Worte in der neuen Staffel. Er
       zieht gerade mit seiner Freundin und deren Sohn in ein frisch saniertes
       ehemaliges Bauernhaus, direkt am Feldrand. „Ein neuer Anfang“, sagt der
       Kommissar, nimmt die Frau an seiner Seite in den Arm und schaut aufs Feld.
       Er sieht glücklich aus. Da ertönt die Marimba-Melodie erneut.
       
       13 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lea Streisand
       
       ## TAGS
       
   DIR Kommissar Wallander
   DIR Arte
   DIR Kommissar Wallander
   DIR Kommissar Wallander
   DIR Telefon
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommissar Wallanders Schöpfer: Henning Mankell ist tot
       
       Er war einer der meistgelesenen Krimiautoren weltweit und ein großer Freund
       Afrikas. In der Nacht zu Montag erlag Henning Mankell 67-jährig einem
       Krebsleiden.
       
   DIR Der Wochenendkrimi: Knitterfalten im Kopf
       
       Er ist verwirrt und hat die Erinnerung verloren: Im letzten Wallander-Krimi
       nimmt der Kommissar Abschied von seinem Berufsleben.
       
   DIR Zweihändiger Schwedenkrimi: Der doppelte Sebastian
       
       Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt schreiben zu zweit über Morde im Norden.
       Erfolg haben sie damit im Fernsehen und in Büchern.
       
   DIR Das Telefon im Kriminalfilm: Hallo! Lund am Apparat
       
       Das ZDF zeigt ab Sonntag die dritte Staffel von „Kommissarin Lund“. Die
       Serie setzt wie so viele Krimis und Thriller voll auf das Erzählelement
       Telefon.
       
   DIR Krimis aus Skandinavien: Manchmal vögeln sie auch
       
       Der skandinavische Kriminalroman ist in die manische Phase gewechselt.
       Unter den Ermittlern haben Workaholics die Luschen aus dem 20. Jahrhundert
       abgelöst.
       
   DIR Henning Mankells großer Abschied: Die Wallander-Dämmerung
       
       Der schwedische Schriftsteller Henning Mankell übergibt seinen größten
       Helden dem Vergessen. Kommissar Wallander tritt ab - auf ganz alltägliche
       und traurige Weise.