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       # taz.de -- Debatte Hillary Clinton als Präsidentin: Soll sie sich das antun?
       
       > Was bringt ein Job als Präsidentin für die Emanzipation? In den USA
       > warten alle auf Hillary Clintons Kandidatur. Doch die würde ihr vor allem
       > Ärger einhandeln.
       
   IMG Bild: Es wäre die gläserne Decke. Aber Clinton braucht den Titel nicht. Sie hat schon Macht.
       
       Hillary Rodham Clinton sagt alles. Und nichts. Sie spricht über
       Frauenrechte, Außen- und Sicherheitspolitik. Sie schreibt in ihren heute
       erscheinenden Memoiren „Hard Choices“ („Schwierige Entscheidungen“) 656
       Seiten lang über ihre vier Jahre als Außenministerin. Nur die eine Frage,
       die die politische Klasse der USA umtreibt, seit Clinton das Kabinett von
       Barack Obama verlassen hat, lässt sie unbeantwortet. Wird sie 2016
       Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei? Durchbricht sie die
       „höchste gläserne Decke in der amerikanischen Politik“, wie sie es nennt?
       
       Eigentlich muss sie genau das tun, nicht nur allein für sich, sondern für
       die Sache. Es wäre der letzte Schritt für die Feministin, die stets für
       Gleichberechtigung gekämpft hat. Aber sie schweigt. Ist das nur ein
       geschicktes Manöver, um den Hype um die eigene Person noch zu befeuern?
       
       Den politischen Diskurs diktieren kann Clinton, das hat die First Lady
       gezeigt. Acht Jahre hielt sie es an der Seite von Bill Clinton aus, begann
       dann ihre Karriere als Senatorin, um schließlich nach der Niederlage im
       Vorwahlkampf der Präsidentschaftswahl 2008 gegen Obama an dessen Seite zu
       wirken. Es ist schlüssig, ihren freiwilligen Rückzug aus dem
       Außenministeramt im vergangenen Februar als strategischen Schachzug zu
       betrachten.
       
       Sie gewinnt Distanz zur aktiven Politik mit den darin liegenden Risiken von
       Skandalen und schlechter Presse. Sie kann Kraft sammeln, um mit einer gut
       geplanten und durch Lobbygruppen bestens finanzierten Kampagne in den
       Wahlkampf zu gehen. Mit der Unterstützung des ersten schwarzen Präsidenten
       und ihres Mannes, einer der beliebtesten Elder Statesmen des Landes. Es
       wäre ein perfekt eingefädelter Deal, vielleicht schon besiegelt, als
       Clinton noch First Lady war.
       
       ## Die Schmach der Affäre Lewinsky
       
       Sie hielt die Schmach der Öffentlichkeit nach der Affäre ihres Mannes mit
       Monika Lewinsky aus, dafür würde er später sein ganzes politisches Gewicht
       für ihre Kandidatur einsetzen. Bill Clinton war es, der auf dem Parteitag
       im Sommer 2012 vor der Wiederwahl Obamas eine mitreißende Rede gehalten
       hat. Kein anderer Auftritt ist im kollektiven Gedächtnis so verhaftet
       geblieben, auch er hat Obama die zweite Amtszeit beschert. Bill, der
       Menschen umarmt und umgarnt, an der Seite seiner brillanten Frau auf dem
       Weg zu höchsten Ehren. Dazu Barack Obamas Graswurzelnetzwerk, über Jahre
       aufgebaut und Millionen Stimmen wert.
       
       Die Amerikaner würden es lieben: die ganz große Show, ein
       Präsidentschaftswahlkampf, wie ihn Drehbuchschreiber nicht besser
       konstruieren könnten. Allein: Warum sollte sich Clinton das antun? Für das
       Versprechen, das gleichsam Illusion ist, die mächtigste Frau der Welt zu
       werden?
       
       Clinton braucht den Titel nicht. Sie hat schon Macht. Vielleicht mehr, als
       sie als Präsidentin, eingepfercht zwischen innenpolitischen Kämpfen und
       außenpolitischen Zwängen, je hätte.
       
       ## Die gläserne Decke, egal
       
       Clinton hat sich mit ihrer Karriere und ihrem Namen ein Kapital erarbeitet,
       das seinesgleichen sucht. Sie kann jederzeit Politik außerhalb der
       institutionalisierten Politik betreiben. Sie kann Einfluss nehmen, ohne auf
       Befindlichkeiten einer Partei Rücksicht zu nehmen. Und sie hat die
       Freiheit, ihre Macht einzusetzen, wie es ihr beliebt. Mit der „Clinton
       Foundation“ bewegen die Clintons Millionen und beeinflussen die Führer der
       Welt. Bewirbt sie sich um die Präsidentschaft, hat sie viel zu verlieren,
       die Fallhöhe könnte kaum größer sein. Nicht nur, aber eben auch weil sich
       Clinton anschicken würde, die erste Frau im Amt zu sein. Kein Problem nach
       dem schwarzen Präsidenten Obama?
       
       Im öffentlichen Diskurs um Gleichstellung ist es die letzte Bastion. Aber
       eine, in deren Rahmen man dann nicht einfach Arbeits- und Bildungsprogramme
       für Frauen in Haiti und Peru auflegt oder HIV-Prävention für Mütter und
       Kinder in Afrika betreibt. Alles Projekte der Clinton Foundation, die für
       die Gleichberechtigung mehr tun als der Titel „erste US-Präsidentin“. Mit
       der Bürde des Amts würde Clinton harmloser werden. In der zweiten Reihe
       lässt sich mehr bewegen – wenn man Hillary Clinton heißt.
       
       Und die 66-Jährige kennt das politische Geschäft, das in den USA oft mehr
       über Zerstörung als Gestaltung funktioniert. Als Außenministerin geriet sie
       nach dem Angriff der US-Botschaft in Libyen 2012, bei dem der Botschafter
       und drei weitere Menschen starben, stark in die Kritik. Der Regierung wurde
       vorgeworfen, Hinweise auf einen Terrorakt wochenlang verschleiert zu haben.
       Die Republikaner haben kürzlich erneut einen Sonderausschuss zum Thema
       angesetzt, wohl weniger, um weitere Aufklärung zu betreiben, sondern um die
       potenzielle Kandidatin unter Druck zu setzen.
       
       ## Bush gegen Clinton – schon wieder
       
       Die Republikaner beäugen nicht nur jeden Clinton-Schritt ganz genau, sie
       müssen auch ihre eigene aussterbende Wählerschaft bedienen – den
       mittelalten, weißen, konservativen Mann. Der Dynastie Clinton hat die
       Partei im besten Falle die Dynastie Bush entgegenzusetzen. Jeb Bush
       sondiert derzeit seine Chancen einer Kandidatur, doch solange Hillary
       schweigt, ist jede Prognose schwierig. Vor den Wahlen im November, wenn
       Teile des Kongresses neu gewählt werden, wird sich niemand aus der Deckung
       wagen.
       
       Die politischen Analysten setzen sämtlich auf Clintons Kandidatur.
       Kandidiert sie, wird die Öffentlichkeit ihren Sieg erwarten. Doch schon
       allein ein Vorwahlkampf ist schmutzig, wobei sich die Demokraten die
       Aussicht, die Königinnenmacher-Partei zu sein, nicht nehmen lassen werden.
       Und es gibt endlose Möglichkeiten, auf dem Weg ins Oval Office zu
       scheitern.
       
       Noch hat Hillary Clinton Zeit, ihre Kandidatur abzuwägen. Macht hängt nicht
       an Positionen allein. Aber es wäre das Weiße Haus, es wäre die gläserne
       Decke. Ein Sieg, nicht nur für Clinton. Demgegenüber schmelzen
       Popularitätswerte und Handlungsspielräume eines Präsidenten nach dem ersten
       Siegesrausch oft schnell. Ein Risiko, das es für Hillary Clinton zu
       kalkulieren gilt. Die Demontage eines einstigen Hoffnungsträgers im Alltag
       globaler Realpolitik ist im Weißen Haus derzeit anschaulich zu beobachten.
       
       10 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rieke Havertz
       
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