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       # taz.de -- Das Portrait: Querdenkerin und Filmemacherin
       
       > ■ Helke Sander
       
       Ist Frau, wenn sie 60 geworden ist, alt? Helke Sander ist nicht alt, auch
       wenn sie heute Geburtstag hat. Sie ist eine Avantgardistin, mit Fältchen im
       Gesicht, vom Fast-food- Feminismus der „Superfrau“-Generation Hunderte von
       Meilen entfernt. „Wenn Helke Sander ein Mann wäre“, sagt ihre Freundin, die
       Autorin Gesine Strempel, „würden ihr alle die Füße küssen.“ Als rebellische
       Frau aber hat sie Mühe, die Gelder für ihre Filme zusammenzukratzen.
       Frauen, die nicht denken lassen, sondern selbst denken, neugierig,
       differenziert und der Zeit immer ein paar Jahre voraus, sind eben sehr
       provozierend.
       
       Als 1992 ihr Drei-Stunden-Film „BeFreier und Befreier“ in die Off-Kinos
       kam, liefen auch die Feministinnen und mit ihnen die deutsche Linke Sturm.
       Auch in der taz. Die Filmemacherin und Schriftstellerin hatte ein Tabuthema
       angerührt, denn über die Massenvergewaltigungen in Deutschland während der
       letzten Kriegs- und ersten Nachkriegswochen wurde lieber geschwiegen. Und
       von diesen handelte ihr Film. Berliner Frauen berichteten erstmals vor der
       Kamera, was ihnen von russischen Soldaten angetan worden war. Der Film sei
       ein Beispiel für den „atemberaubenden Revisionismus“, der hierzulande den
       Umgang mit der Geschichte des Nationalsozialismus bestimmt, schrieb die
       Historikern Ingrid Strobl in konkret.
       
       Frauenleben, Frauenwiderstand ist immer Helke Sanders Thema gewesen.
       Widerstand auch gegen die Genossen, die den Platz der Frauen nur an der
       Seite der Männer sahen. Sie war es, die auf dem berühmten SDS- Kongreß 1968
       in Frankfurt die freche Rede hielt, die ihre Freundin Siegrid Rüger so
       befeuerte, daß sie Tomaten auf die Herren Genossen warf. Sie war es, die
       den „Aktionsrat zur Befreiung der Frauen“ gründete, dann „Brot und Rosen“
       und schließlich die Kinderlädenbewegung in Schwung brachte. Ihr Sohn hatte
       es damals sicher nicht leicht. Helke Sander war eine alleinerziehende
       Mutter und ununterbrochen in Film- und Buchprojekte verwickelt. Ihr erster
       Spielfilm 1977 hieß „Die allseitig reduzierte Persönlichkeit“. Sie war die
       Hauptdarstellerin und spielte sich selbst. Witzig und ironisch, den
       Lenin-Spruch ernst nehmend: Was geschieht, wenn Köchinnen Politik machen?
       Helke Sander, seit 15 Jahren Professorin an der Hochschule für bildende
       Künste in Hamburg, macht übrigens nicht nur Politik, sie ist auch eine gute
       Köchin. Fast food kommt ihr nicht auf den Tisch. Anita Kugler
       
       31 Jan 1997
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anita Kugler
       
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