URI: 
       # taz.de -- ■ Press-Schlag: Links gegen links
       
       Schon bevor in der Zweiten Liga mit dem SC Freiburg und dem MSV Duisburg
       der Tabellenführer und sein direkter Verfolger aufeinandertrafen, britzelte
       es in beiden Lagern. Freiburg hatte zwar vergangene Woche in Mainz
       gewonnen, aber auch dort den Durchhänger der vergangenen Wochen nicht
       vertuschen können.
       
       In Duisburg hatte der vom Publikum wenig geliebte Trainer Uwe Reinders
       aufgegeben und war durch Ewald Lienen abgelöst worden. „Duisburg ist nun
       einmal eine Arbeiterstadt, und die Fans wollen die Spieler in erster Linie
       kämpfen sehen“ – so hatte der Sozialpädagoge Lienen unmittelbar nach
       Amtsantritt seine Vorstellung vom künftig in Duisburg zu praktizierenden
       Fußball zum Ausdruck gebracht.
       
       Damit war für die Fußballtheoretiker in der Schwarzwaldmetropole klar, daß
       zwei Vorstellungen von linkem Fußball aufeinandertreffen würden. Steckt
       doch hinter Lienens Forderung die Auffassung vom Fußball als „einziger,
       verbliebener massenverbindlicher Metapher des Lebens“ (Diedrich
       Diedrichsen), bei der auf dem Platz „ausdrücklich stellvertretend für alle
       im Stadion das eigene Schicksal abgehandelt wird“.
       
       In der sonnigen Universitätsstadt Freiburg dagegen neigt man zur
       menottischen Auffassung, daß linker Fußball sich durch sein
       transzendierendes Moment, das Durchbrechen des Alltags auf den utopischen
       Horizont hin auszeichnet; „daß wir spielen nicht einzig und allein um zu
       gewinnen, sondern um besser zu werden, um Freude zu empfinden, um ein Fest
       zu erleben“.
       
       Und egal ob man an die Zusammenhänge von Fußball glaubt oder nicht, eines
       wurde überdeutlich: die Freiburger Feste-Feiern-Fraktion ging nicht nur
       wegen des 3:1-Endergebnisses, mit dem die Duisburger noch bestens bedient
       waren, als überlegener Sieger des (linken) Kräftemessens vom Platz. Nach
       eher mageren Wochen schaffte die Elf die Rückkehr zum Zauberfußball der
       Vorrunde.
       
       Nichts, aber auch gar nichts half es da, daß Ewald Lienen den eher faulen,
       aber torgefährlichen Ex-Düsseldorfer Preetz auf der Bank gelassen und dafür
       Markus „Toni“ Saller gebracht hatte, der in St. Pauli gelernt hat, was
       Fußball arbeiten heißt. In Freiburg wurde am Sonntag Fußball gespielt, was
       das Zeug hielt, aber eben fast nur von den Einheimischen.
       
       Mit glänzenden Augen berichtete auf der anschließenden Pressekonferenz
       Florian, der sechsjährige Sohn des Altachtundsechzigers und langjährigen
       Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Freiburger Gemeinderat, Heinricht
       Breit, daß er „heute zum erstenmal echte Fußballspieler gesehen“ habe. Papa
       hatte ihn nach fast zwanzig Jahren eigener Enthaltsamkeit mitgenommen. Auch
       das vielleicht eine, wenn auch eher zufällige, Form linker
       (Fußball-)Traditionsbildung. Ulrich Fuchs
       
       30 Mar 1993
       
       ## AUTOREN
       
   DIR ulrich fuchs
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA