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       # taz.de -- Später Erfolg eines Filmverbots
       
       > Zur Berlinale zeigt der Magdeburger Filmemacher Michael Blume den Film
       > „Der graue Apfel“, eine Hommage an den berühmten französischen Regisseur
       > Francois Truffaut  ■ Von Eberhard Löblich
       
       Magdeburg (taz) — Mitten im größten deutschen Filmfestival, der Berlinale,
       tummelt sich auch Michael Blume, ein Magdeburger Nachwuchsfilmer. Weniger
       wegen einer möglichen steilen Karriere im Showbizz als vielmehr wegen
       seines neusten Films: Sein vor wenigen Tagen fertiggestellter Kurzfilm Der
       graue Apfel läuft zwar nicht im Wettbewerb des Berlinale-Programms, aber
       immerhin im offiziellen Programm des Festivals. „Und daß er nicht im
       Wettbewerbsprogramm gespielt wird, habe ich meiner eigenen
       Gedankenlosigkeit zu verdanken“, erzählt Blume. „Ich bin gar nicht erst auf
       die Idee gekommen, den Streifen für den Wettbewerb einzureichen.“ Als die
       Ausschreibungsunterlagen kamen, war für den Jungregisseur klar, daß er
       seinen Film für das Panorama-Programm einreicht. „Die Leute, die dieses
       Programm machen, kenne ich schon aus dem vergangenen Jahr, als ich das
       erste Mal mit einem Film bei der Berlinale dabei war.“ Wie Blume zu seinem
       ersten Berlinale-Auftritt kam, davon kann mancher engagierte
       Nachwuchsfilmer eigentlich nur träumen. Die Meldefrist für die Berlinale
       1990 war längst abgelaufen, da flatterte dem Magdeburger ein Brief der
       Festivalleitung auf den Tisch. Und in dem wurde Blume ausdrücklich
       aufgefordert, doch bitteschön den einen oder anderen Film einzureichen.
       Sein Name war in Berlin durch eine Begebenheit bekannt, die schon einige
       Jahre zurückliegt. „Damals wurde vom Rat des Bezirks Magdeburg mein
       gesamtes Borchert-Programm beschlagnahmt“, erzählt er. „fünf Streifen mit
       Verfilmungen von Kurzgeschichten Borcherts und eine filmische Biographie
       des Autors.“ Ein Jahr lang schrieb er damals Eingabe um Eingabe, dann
       erhielt er die beschlagnahmten Filme zurück. Direkt von der Kulturabteilung
       des ZK der SED. Aber öffentlich zeigen durfte er die Filme dann noch immer
       nicht. Allenfalls auf Festivals und in Wettbewerben. „Damals entsprachen
       meine Borchert-Filme eben nicht dem offiziellen Borchert-Verständnis der
       DDR“, meinte Blume. „Was das allerdings heißt, weiß ich bis heute nicht.“
       
       Mit einer Borchert-Verfilmung war er auch das erste Mal bei der Berlinale
       dabei: mit Ching Li, die Fliege aus dem Nachlaß des Antikriegsautors. In
       diesem Jahr zeigt er Der graue Apfel, eine Hommage an den berühmten
       französischen Regisseur Francois Truffaut. Ein ausgesprochen biographischer
       Kurzfilm. Der Streifen handelt von einem Filmemacher, der die
       Bewerbungsunterlagen zur Berlinale bekommt, während er gerade an einem
       Dokumentarfilm über die Gefängnisrevolte in der ehemaligen DDR arbeitet.
       „Und weil das kein festivalverdächtiges Thema ist, legt er den Film erst
       einmal zur Seite und läßt, während er sich einen Stoff überlegt, die
       letzten Wochen seines Lebens Revue passieren.“ Ein Film also über die
       Entstehung eben dieses Films. Und eben das ist die Hommage an den Franzosen
       Truffaut, der diese formale Gestaltung in die Filmwelt einführte. Die
       Geschichte seines Kleinkrieges mit der SED-Staatskultur machte Blumes Namen
       übrigens nicht nur in Berlin bekannt.
       
       Parallel zur Berlinale zeigt er einige Borchert-Verfilmungen auf dem
       internationalen Kurzfilmfestival in Istanbul. „Zwischen zwei Festivals hin-
       und herjetten, das ist sicher ganz schön anstrengend“, glaubt er. Danach
       will er sich auch wieder mehr Zeit für sich selbst nehmen, und für neue
       Projekte. „Ich möchte in diesem Jahr endlich meinen ersten abendfüllenden
       Film drehen“, wünscht sich Blume, der bislang ausschließlich Kurzfilme
       gedreht hat. „Und auch meine Borchert-Filme will ich noch einmal neu
       vertonen und zu einem abendfüllenden Programm zusammenstellen.“ Inzwischen
       ohne Angst vor einer Beschlagnahme. „Eigentlich müßte ich der SED im
       nachhinein für die damalige Aktion sogar dankbar sein“, findet Blume. „Von
       allein hätte ich mich wohl niemals getraut, mich bei der Berlinale um die
       Teilnahme am Festival zu bewerben.“
       
       21 Feb 1991
       
       ## AUTOREN
       
   DIR eberhard löblich
       
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