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       > „Hippie Masala“ von Ulrich Grossenbacher und Damaris Lüthi zeigt die
       > Indienfahrer, die dann da blieben
       
       Es war eine der Völkerwanderungen des letzten Jahrhunderts: 1970 zogen mehr
       als 6 Millionen junge Westler nach Asien, um dort freier, spiritueller und
       bekiffter leben zu können. Sie blieben ein paar Monate oder Jahre – und
       dann veränderten sich die Zeiten, und die Hippies wurden bürgerlich. Aber
       einige wenige blieben in Indien. Sie starben dort oder wurden alt, und von
       solchen übrig Gebliebenen erzählen zwei Schweizer in ihrer Dokumentation.
       Der Filmemacher Ulrich Grossenbacher war selbst in den späten 70er Jahren
       einer der jungen Indienfahrer und die Ethnologin Damaris Lüthli wurde bei
       ihren Forschungsarbeiten in Südindien auf dieses Phänomen der „umgekehrten
       Migration“ aufmerksam. Und ein ethnografischer Film im besten Sinne des
       Wortes ist „Hippie Masala“ dann auch geworden.
       
       Bei dem Thema könnte man ja einen bunten Nostalgietrip erwarten, mit
       Archivaufnahmen aus den wilden 60er und 70er Jahren, Musik von Ravi Shankar
       und George Harrison und ein paar ewigen Hippies, die sich an die besten
       Zeiten ihres Lebens erinnern. In seinen ersten drei Minuten scheint der
       Film diese Erwartungen auch zu erfüllen, doch dann kommt er schnell zur
       Ruhe und nimmt sich die Zeit, einen Yogi bei seinen morgendlichen
       Waschungen zu zeigen. Nichts an diesem dürren, vom Alter gebeugten Asketen
       im Lendenschurz lässt erahnen, dass dies ein Italiener mit dem Namen Cesare
       ist, der einst wegen der Drogen nach Indien reiste. Seit Jahrzehnten lebt
       er nun in einer Höhle, strebt nach spiritueller Befreiung und scheint sein
       europäisches Ich gänzlich abgestreift zu haben. Die Kamera zeigt ihn bei
       seinen alltäglichen Handlungen und er erzählt in einem Englisch, das eher
       einen indischen als einen italienischen Akzent hat, von seinen Erfahrungen.
       
       Die Filmemacher verzichteten auf jeden eingesprochenen Kommentar, der
       Zuschauer kann und muss sich selbst ein Bild machen, wenn er etwa die aus
       Belgien stammende Asketin Meera sieht, die auch nach 18 Jahren im
       zentralindischen Hampi noch so wirkt, als würde sie eine Rolle spielen,
       wenn sie die heiligen Texte in Sanskrit singt und ein Brahmane sie
       herablassend wegen ihrer guten Aussprache lobt.
       
       Einen ganz anderen Weg ist der Schweizer Hanspeter gegangen. Er hat sich im
       Himalaja eine eigene, kleine Schweiz gebastelt. In seinem Bauernbetrieb
       macht er Käse, vom Vater finanziell unterstützt baut er seit Jahren ein
       alpines Holzhaus in die asiatische Berglandschaft, und mit der Schrotflinte
       sowie dem Hund geht er zünftig auf die Jagd. Statt des Biers am Abend
       raucht er seine Haschpfeife und kümmert sich wenig um das Gerede der
       Bewohner des Bergdorfes. Der holländische Maler Robert scheint sich dagegen
       Gauguin als Vorbild genommen zu haben. Seit 25 Jahren lebt er auf einer
       kleinen, idyllischen Flussinsel, hat dort eine Familie gegründet und kann
       mit einer gelassenen Altersweisheit von den einstigen Drogenexzessen
       erzählen, und von seinen Freunden die sich totgesoffen haben.
       
       Die Zwillinge Erica und Gillian aus Südafrika nähen bunte Klamotten, die
       auch die neue Generation von Indienreisenden am Strand von Goa gern kauft.
       Die beiden haben aus ihren Hippieträumen von einst einen Handwerksbetrieb
       gemacht und wirken als einzige von den Protagonisten ein wenig lächerlich.
       Doch auch bei ihnen spürt man noch etwa von diesem rebellischen Eigensinn,
       der sie wie all diese alt gewordenen Hippies einst nach Indien lockte und
       dort bleiben ließ. Der Film ist ein Abgesang und eine Spurensicherung, denn
       die Gattung, die er beschreibt, stirbt langsam aus.
       
       Wilfried Hippen
       
       27 Sep 2007
       
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