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       # taz.de -- Verquaste Aussagen zum Holocaust: Pirat unter brauner Flagge
       
       > Die Partei der Internet-Aktivisten hat einen Mann mit verquasten Thesen
       > zum Holocaust in ein Amt gewählt - und will ihn nun schleunigst wieder
       > loswerden.
       
   IMG Bild: Piraten auf dem Parteitag am vergangen Wochenende in Hamburg.
       
       BERLIN taz | Die Piratenpartei kämpft weiter mit Gegenwind: Seit Tagen
       kritisieren Blogger und Twitter-Nutzer, dass die Partei einen
       Holocaustleugner in ihrer Mitte dulde. Am Dienstag distanzierten sich die
       Piraten nun von ihrem Aktivisten Bodo Thiesen und forderten ihn auf, sich
       binnen 24 Stunden "eindeutig und endgültig von seinen fragwürdigen Aussagen
       zum Holocaust zu distanzieren".
       
       Auf dem Parteitag in Hamburg am vergangenen Wochenende war Thiesen noch in
       das Amt eines stellvertretenden Schiedsrichters gewählt worden, er steht
       zudem auf der Landesliste der rheinland-pfälzischen Piratenpartei.
       
       Für Wirbel hatte Bodo Thiesen bereits auf dem ersten Bundesparteitag 2008
       gesorgt. Der Vorwurf: Thiesen habe in der Mailingliste der Partei
       "leichtfertig und unreflektiert Position" bezogen zu
       pseudowissenschaftlichen Abhandlungen von Germar Rudolf, einem verurteilten
       Holocaust-Leugner.
       
       Im Internet verteidigte sich Thiesen: "Meine Ansichten über die Deutsche
       Geschichte entsprechen sicherlich nicht der allgemeinen Lehrmeinung. [...]
       Ob nun die Juden (und die nicht-jüdischen Opfer, die ich in Folge nicht
       jedes mal separat aufzählen werde) in Auschwitz vergast wurden oder auf
       anderem Wege getötet wurden, spielt für die Entscheidung, jedes
       Menschenleben unabhängig von der Hautfarbe, Religion usw. schützen zu
       müssen, keine Rolle. Sie spielt auch keine Rolle in der Bewertung, ob die
       Judenverfolgung ein Verbrechen war, oder nicht."
       
       Der Parteivorsitzende Jens Seipenbusch kritisiert das Verhalten: "Thiesen
       ist kein Rechtsextremer, eher ein Meinungsfreiheitsfetischist", sagt
       Seipenbusch. Dass er nun ein Parteiamt bekleide, sei bedauerlich - er sei
       da durch Wahl hineingerutscht. Thiesen schade der Piratenpartei damit. "Die
       beste Lösung wäre natürlich, wenn er austritt", sagt Seipenbusch, der am
       Donnerstag im Parteivorstand das weitere Vorgehen beraten will.
       
       Ob sich die Partei zu einem Ausschluss durchringen würde, ist unklar.
       Seipenbusch laviert: Ein Ausschluss sei nicht zwingend - Thiesen solle nur
       keine Ämter bekleiden. Ihn von seinem Posten zu entfernen, könne dauern.
       Die Partei müsste eine Ordnungsmaßnahme anstrengen, das Schiedsgericht
       würde den Fall verhandeln, Thiesen hätte ein Anhörungsrecht. Außerdem sei
       der Mann seit 2008 nicht mehr auffällig geworden.
       
       Angelo Veltens, Vorsitzender von Thiesens Landesverband Rheinland-Pfalz,
       sieht das ähnlich. "Die Stellungnahmen von früher sind bedenklich", sagt
       Veltens, "zuletzt hat er sich aber nie so geäußert." Bodo Thiesen sei auch
       kein Rhetoriker, er drücke sich oft missverständlich aus.
       
       Der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer sieht die
       Auseinandersetzung mit rechtsextremen Mitgliedern nicht als ein generelles
       Startproblem junger Parteien: "Klar waren bei den Grünen ein paar Exoten
       dabei" - aber es gebe auch eine Reihe von Gegenbeispielen.
       
       "Wenn sich die Piratenpartei nicht klar positioniert, wäre das blauäugig",
       sagt Niedermayer. Als Single Issue Partei für Bürgerrechte und
       Datenfreiheit für alle offen zu sein, sei in Ordnung. Wenn die
       Piratenpartei jedoch wisse, dass jemand nachweisbar extremistische
       Positionen vertrete, sei ein Ausschlussverfahren angebracht.
       
       Ob Bodo Thiesen den Piraten diesen Schritt ersparen wird, und die Partei
       aus eigenen Stücken verlässt, ist unklar. Für eine Stellungnahme war er für
       die taz nicht erreichbar. Bis Mittwochnachmittag hatte er auch nicht auf
       das Ultimatum der Partei reagiert.
       
       8 Jul 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Onken
       
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