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       # taz.de -- al forno: Alles hat ein Ende
       
       > FRANK KETTERER über eine Rodelpartie der taz mit Hacklschorsch, dem
       > Olympiasiebten von Turin
       
       Es hat ja jetzt ein Ende gefunden mit dem Hacklschorsch und der rasenden
       Rodlerei, und ganz bestimmt ist das ein guter Zeitpunkt, ein paar letzte
       Dinge klarzustellen, gerade wenn man von der taz kommt. Die taz und der
       Hacklschorsch haben schließlich eine gemeinsame Geschichte. Nur von
       gegenseitiger Sympathie war sie nicht immer geprägt. Vielmehr, auch daran
       ist kein Zweifel zu hegen, hat es Zeiten gegeben, in der die taz als so
       etwas wie der natürliche Feind des Hacklschorschs galt. Und obwohl diese
       Zeiten eigentlich lange vorbei sind, sind sie in der Erinnerung immer noch
       lebendig, vor allem bei den Kollegen. In den letzten Tagen ist man hier
       jedenfalls des Öfteren gefragt worden, ob denn auch die taz zum letzten
       Auftritt vom Hacklschorsch komme – und meist haben die Kollegen einen dabei
       so komisch angeschaut, so als wollten sie sagen: „Mensch, ihr traut euch ja
       was. Aber bleibt vielleicht doch besser zu Hause, man kann ja nie wissen.“
       Der Kollege von der Frankfurter Rundschau hat sogar noch einen letzten
       kleinen Artikel über die taz und ihr angeblich gestörtes Verhältnis zum
       Hacklschorsch geschrieben.
       
       Weiter verwerflich ist das nicht, ganz im Gegenteil: Im Prinzip ist es
       sogar längst oberste Sportreporter-Pflicht: Dass in jedem guten
       Hacklschorsch-Artikel mindestens einmal die taz vorkommen muss – und
       natürlich der Ausdruck „rasende Weißwurst“. Diese Umschreibung für den
       Hacklschorsch hat diese Zeitung schließlich erfunden, und wenn man das im
       Archiv richtig nachgeblättert hat, stand es zum ersten Mal bei
       Hacklschorschs erstem Olympiasieg 1992 in Albertville im Blatt. „In seiner
       weißsilbrigen Pelle erinnerte Georg Hackl alias ‚Hacklschorsch‘ schwer an
       eine bayerische Weißwurst, doch er flutscht eindeutig besser“, schrieb
       damals jedenfalls die Kollegin Michaela Schießl – und in der Überschrift
       hatte der hochverehrte Matti Lieske folgerichtig zusammengefasst: „Die
       rasende Weißwurst.“ Nun gibt es immer noch Menschen, die meinen, der
       Hacklschorsch sei deshalb böse auf die taz und habe sie damals verklagt.
       Aber das stimmt nicht, so humorlos ist der Hacklschorsch nicht. Ursprung
       der Animositäten war vielmehr ein Artikel ein paar Tage später, diesmal auf
       der Medienseite. Dort wurde es dem Hacklschorsch übel genommen, dass er in
       einem TV-Spot Werbung für die Bundeswehr machte. Zwar war auch in diesem
       von der „rasenden Weißwurst“ zu lesen, aber zudem auch, dass „dem drallen
       Goldrodler und Bundeswehrfeldwebel Georg Hackl sein Resthirn in die Kufen
       gerutscht“ sei sowie ein paar andere Unverschämtheiten, die man lieber
       nicht mehr wiederholen mag. Dass die Sache tatsächlich vor Gericht ging und
       die taz 4.000 Mark kostete, lag übrigens keineswegs am drallen Goldrodler,
       die Klage hatte vielmehr dessen Vorgesetzter, der Kommandeur des
       Gebirgsjägerbataillons 232 aus Bischofswiesen, eingereicht, der ganz
       offensichtlich die ganze Bundeswehr verunglimpft sah. All das ist freilich
       Schnee von gestern – und der Hacklschorsch höchstpersönlich hat der taz
       längst Absolution erteilt, just sechs Jahre später, vor den Olympischen
       Spielen von Nagano. Damals ist die taz eigens zum Hacklschorsch gefahren,
       als der in Altenberg beim Weltcup war, um die Dinge zuklären, und als die
       taz wieder nach Hause fuhr vom Interview, hatte sie Antworten im Gepäck
       wie: „Also mit der Weißwurst hat der Humor noch nicht aufgehört.“ Oder:
       „Rasende Weißwurst, das finde ich ganz lustig. Wenn man das visualisiert:
       Da kann ich schon drüber lachen.“ Und irgendwie klang das nach Vergebung.
       
       Nun sind es nochmal acht Jahre mehr, und wieder ist Olympia. Es sind
       Hacklschorschs letzte Spiele, und genau genommen geht damit auch ein Stück
       Weg zu Ende, das man gemeinsam gegangen ist, der Hacklschorsch und die taz.
       Und wie sehr sich die Zeiten geändert haben, kann man schon daran erkennen,
       dass man als taz-Reporter ausdrücklich mit dem Wunsch nach Turin gereist
       ist, er möge doch bitte noch einmal, ein letztes Mal eine Medaille
       gewinnen, ganz egal welche, man wollte einfach dabei sein bei diesem
       denkwürdigen Ereignis.
       
       Es hat nicht sollen sein, Siebter ist der Hacklschorsch geworden. Dass es
       für ihn, sollte alles normal laufen, in Turin ohnehin nur um Bronze gehen
       würde, hatte er vorher geahnt. Zu sehr hatte ihn die Nervenentzündung im
       linken Arm behindert, den ganzen Winter schon. Außerdem, das hat der
       Hacklschorsch, ganz Sportsmann, mehrfach gesagt: „Armin Zöggeler und Albert
       Demtschenko sind in diesem Winter das Maß aller Dinge.“ So war es denn auch
       im Ziel der Rodelbahn in Cesana Pariol. Was das Rodeln angeht, macht dem
       Hacklschorsch eben noch immer keiner was vor. Vielleicht hat er, der doch
       noch immer eine Medaille gewonnen hat bei Olympia, fünf Mal in Folge, auch
       deshalb einen gefassten Eindruck gemacht, und am Ende einfach gesagt: „Das
       war’s. Es waren trotzdem schöne Spiele.“ Also gut, Schorsch: Das war’s. Es
       war eine schöne Zeit. Die schönste, die man mit einer rasenden Weißwurst
       haben kann.
       
       14 Feb 2006
       
       ## AUTOREN
       
   DIR FRANK KETTERER
       
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