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       # taz.de -- Liberaler Programm-Entwurf online: Auf den Hund gekommen
       
       > 1.089 Textzeilen können nicht irren: Die FDP stellt sich zur Wahl. Sie
       > lockt mit einem neuen Hundegesetz, kontrollierter Heroin-Vergabe und dem
       > Verkauf der Parkhäuser.
       
   IMG Bild: Die FDP hat ein Herz für Hunde, Heroin und knallharte Privatisierung.
       
       BREMEN taz | Jetzt wirbt auch die FDP um Feedback für ihren
       Wahlprogramm-Entwurf. Seit Ende vergangener Woche steht der online, als
       PDF-Datei. Per E-Mail können Anregungen und Kommentare zu den 1.089
       Textzeilen eingereicht werden. Und ein wenig scheint bereits der schlichte
       Arbeitstitel „Für Bremen und Bremerhaven“ zu verraten, wie dringend nötig
       ein wenig kreativer Input wäre, wenn die Liberalen bei der
       Bürgerschaftswahl 2015 nicht völlig untergehen sollen. „Wir erhoffen uns
       Anregungen zu Themen, die wir so gar nicht auf dem Schirm hatten“, sagt der
       Landesvorsitzende Hauke Hilz.
       
       Allerdings, anders als etwa SPD und Grüne, will man sich zugleich auf eine
       parteiinterne Diskussion beschränken. Daher werden die gemailten Anregungen
       gar nicht veröffentlicht. Denn, „es könnte ja den nächsten abschrecken“,
       erklärt Hilz die liberale Debattenstrategie, „wenn so ein Kommentar
       öffentlich ist, und der nächste ihn dann öffentlich stark polemisch
       bewertet“. Im Programmentwurf steht zwar unter dem Stichwort „Mehr
       Demokratie wagen“, dass Transparenz etwas sei, „was Bremen und Bremerhaven
       dringend nötig haben“.
       
       Aber wer sagt denn, dass sie deshalb auch der FDP gut täte: Tatsächlich ist
       die Partei, die, daran erinnert Hilz, auch nach der laufenden Legislatur
       noch am längsten an Regierungen in der Bundesrepublik mitgewirkt hat, in
       einer Krise.
       
       Rückblickend lässt sich die Selbstentleibung ihrer Bremer
       Bürgerschaftsfraktion vor vier Jahren als eines ihrer ersten Symptome
       erkennen. Bei der Wahl 2011 schaffte man noch 2,4 Prozent. Und weil solche
       Beteiligungsverfahren nicht nur die Relevanz einzelner Themen anzeigen,
       sondern immer auch als ein Gradmesser des Zuspruchs für eine Partei gelesen
       werden, läuft man Gefahr, sich durch sie zu blamieren: Selbst die Piraten
       nutzen fürs Bremer Wahlprogramm wohl kein Liquid-Feedback.
       
       Bei der SPD hingegen fängt jetzt allmählich der Rücklauf an, nach gut drei
       Wochen hat man 89 Einträge. Von denen beziehen sich 17 direkt aufs Thema
       Müll-Rekommunalisierung. Bloß vier Kommentare aber gibt’s bislang zum
       klassisch sozialdemokratischen Thema Arbeit, zum Kapitel „Wachstum,
       Innovation, Nachhaltigkeit und Wissenschaft“ – null. Nur bei den Grünen hat
       sich mit über 600 Rückmeldungen eine stellenweise fetzige, vielschichtige
       Debatte ergeben.
       
       Zugleich sorgen die neueren Entwicklungen der Partei und die jüngsten
       Wählerwanderungen für Unruhe: In Hamburg, wo die FDP noch eine
       Bürgerschaftsfraktion hat – hat sich die Partei in Vorbereitung aufs
       Wahljahr zerlegt. Jetzt gibt es dort sowohl eine FDP als auch die von der
       bisherigen Parteichefin und ihrem Vize gegründeten „Neuen Liberalen“. Und
       zugleich lockt die AFD: Einen rechten, nationalliberal-orientierten Flügel
       hat noch jeder FDP-Verband. Man darf nie vergessen, dass beispielsweise in
       Nordrhein-Westfalen in den 1950erJahren Altnazis kurz davor waren, die
       Partei zu einer NSdAP-Nachfolgeorganisation umzumodeln.
       
       „Ich sehe die AFD nicht als liberale Kraft“, sagt Hilz. Aber die
       Stimmwanderungen der jüngsten Wahlen zeigen, wie attraktiv der neue Player
       gerade für die FDP-Klientel ist. Und offenkundig sind Teile der Medien so
       begeistert von ihm, dass sie ihn hofieren. So veranstaltet Nordwestradio am
       15. Oktober ein Podium zur Frage, wie viele Flüchtlinge Bremen aufnehmen
       soll. Eingeladen hat die Redaktion dazu Britta Rasch-Menke von der
       Ökumenischen Flüchtlingshilfe, sowie PolitikerInnen von CDU, SPD und
       Grünen, nicht aber von Die Linke. Und auch nicht von Bürger in Wut.
       Stattdessen darf sich AFD-Landesvorstandssprecher Christian Schäfer auf
       Sendezeit freuen, obwohl die „Alternative für Bremen“ noch nicht einmal den
       Entwurf ihres ersten landespolitischen Programms fertig hat.
       
       „Da kommen Sie einen Ticken zu früh“, verrät Schäfer. „Wir sind gerade
       dabei, den Entwurf versandfertig zu machen.“ Er werde „an die Mitglieder
       verschickt“, so Schäfer. Ein öffentlicheres Beteiligungsverfahren sei nicht
       vorgesehen. Am 8. und 9. November soll ihn ein Parteitag beraten und
       beschließen. Eine besonders prominente Rolle spiele das Thema Flüchtlinge
       darin bislang nicht.
       
       Die FDP tendiert eher zu Deregulierung – und Privatisierung: So hält sie es
       für eine „solide Finanzpolitik“, gewinnbringende Unternehmen wie die
       Brepark oder die BLG zu verticken, zugleich will sie, dass der Staat den
       Mittelstand, die Wirtschaft allgemein, Existenzgründer insbesondere und
       vieles mehr fördert. Laut Hilz hat man in der Wirtschaftspolitik nach wie
       vor einen Schwerpunkt. So recht erkennbar wird der nicht.
       
       Klare Position bezieht man indes in der Drogenpolitik: Die Freigabe von
       Cannabis und die kontrollierte Heroin-Vergabe an Schwerstabhängige gehört
       zu den besonders konkreten Ideen, übertroffen nur von dem Plädoyer für ein
       neues Bremer Hundegesetz. „Derzeit sind hier vier vermeintlich gefährliche
       Rassen verboten“, führt Hilz aus. Das sei nicht sachlich zu begründen. Und
       es führe zudem zu der absurden Situation, dass Besucher aus anderen
       Bundesländern, wenn sie einen der fraglichen Hunde besitzen, sich nur 24
       Stunden lang in Bremen aufhalten dürfen.
       
       Ein Hundeführerschein wäre besser, findet auch der Tierschutzbund. Und
       auch, dass der Programmentwurf zudem „eine allgemeine Chip-Pflicht“ fordert
       nebst Überwachung per Transponder, nennt Hilz noch einen Zugewinn an
       Freiheit. Darüber allerdings kann man streiten. Im Strafvollzug wenigstens
       existiert das gleiche Modell. Dort kennt man’s unter dem Namen
       „elektronische Fußfessel“.
       
       12 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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