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       # taz.de -- Streit um gefährliche Keime: Aneinander vorbei gewettet
       
       > Emsländische Bauern wetten gegen Anwohner, dass Landwirte trotz
       > Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung nicht häufiger resistente
       > Erreger in sich tragen.
       
   IMG Bild: Mehrfach gebeutelte Küken: als sogenannte Nutztiere und dann auch noch als potenzielle Keimüberträger
       
       HAMBURG taz | Eine Genossenschaft von Landwirten im Emsland wettet, dass
       Landwirte nicht häufiger von dem resistenten Krankenhauskeim MRSA betroffen
       sind als andere Menschen. Wettgegner ist die Anwohnerinitiative
       Nordhümmling, der Wetteinsatz von 500 Euro geht an gemeinnützige Zwecke und
       der Anlass ist eine Podiumsdiskussion.
       
       Da gerieten im Dezember der Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft für
       Qualitätsvieh Hümmling, Bernd Terhalle, und der Sprecher der
       Anwohnerinitiative Hermann-Josef Schomakers aneinander. Schomakers wirft
       den Landwirten in der Region vor, die Anwohner krank zu machen. „300 Meter
       um jeden Hähnchenstall herum findet man diese Keime“, sagt er und verweist
       auf die Debatte um den Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung. „Das
       ist eine große Gefahr für die Bevölkerung.“
       
       Das glaubt Terhalle nicht. „Immer gelten die Bauern als Verursacher der
       multiresistenten Krankenhauskeime“, ärgert er sich – und schlug spontan die
       Wette vor. Die 500 Mitglieder der landwirtschaftlichen Genossenschaft
       sollen sich bei der nächsten Versammlung am 27. Mai auf MRSA-Keime testen
       lassen. Das Deutsche Rote Kreuz nehme die Proben und ein Labor aus
       Osnabrück soll sie untersuchen, sagt Terhalle. Zehn Tage später werde das
       Ergebnis da sein.
       
       Die Krux: Die beiden Parteien haben aneinander vorbei gewettet. Sie
       sprechen von unterschiedlichen Arten des Keims, der in der öffentlichen
       Diskussion oft pauschal als Krankenhauskeim bezeichnet wird. Das ist aber
       nur eine von drei Varianten, sagt Diana Meemken von der Tiermedizinischen
       Hochschule Hannover:
       
       Der HA-MRSA kommt in Krankenhäusern vor und entsteht dort etwa durch
       Behandlungen mit Antibiotika. Hieran erkranken die meisten Menschen, da
       gerade Schwangere, junge, alte und immunschwache Patienten dort sind und
       viele Patienten operiert werden.
       
       Die noch aggressivere, aber zahlenmäßig seltenere Variante CA-MRSA komme
       überall in der Gesellschaft vor. Und erst die deutlich ungefährlichere
       Ausprägung des Keims, LA-MRSA, sei ein Produkt der Landwirtschaft. Viele
       Nutztiere und auch Menschen, die mit den Tieren in Kontakt stehen, wie
       Tierärzte oder Landwirte seien mit dem Keim besiedelt, sagt Meemken, die
       das Bakterium nach einer Forschungsarbeit im Schweinestall schon an sich
       selbst feststellte.
       
       „Das hat aber fast keine Auswirkungen“, sagt sie. Zwar ist auch dieser Keim
       gegen die üblichen Antibiotika resistent, er führt aber in weniger als zwei
       Prozent der Fälle zu Erkrankungen, sagt Meemken. Er kann zwar durch
       Operationen in den Körper eindringen und Entzündungen hervorrufen – die
       Wahrscheinlichkeit ist aber geringer als beim Krankenhauskeim.
       
       Betroffen sein können auch Familienmitglieder der Landwirte und Anwohner,
       da der Erreger mit dem Stallstaub eingeatmet wird. „Zahlen belegen aber,
       dass die ländliche Bevölkerung nicht häufiger von LA-MRSA betroffen ist als
       die städtische Bevölkerung“, sagt die Wissenschaftlerin.
       
       Anwohner Schomakers sorgt sich dennoch um eben diese Art des Keims. Ein
       Nachbar habe eine Woche in Quarantäne verbringen müssen, bevor ihm eine
       neue Hüfte eingesetzt werden konnte, sagt er. Viele Anwohner trügen die
       Keime in sich. Doch die Verbreitung des LA-MRSA Keims in der Landwirtschaft
       bestreitet auch Wettgegner Terhalle nicht. Bis zu 30 Prozent der Bauern
       trügen den Keim in sich. Sie gehörten natürlich zu einer Risikogruppe.
       Gewettet habe er aber um die wirkliche Krankenhaus-Variante HA-MRSA – und
       die hätten Landwirte eben nicht häufiger als andere Menschen.
       
       Dem stimmt Expertin Meemken zu: „Wenn er das so pfiffig gemacht hat, wird
       er die Wette gewinnen.“ Schomakers ist das „totale Missverständnis“ egal.
       Es sei schon ein Erfolg, dass sich die Landwirtschaft endlich des Themas
       annehme. „Vielleicht übernehmen sie sogar Verantwortung und sorgen dafür,
       dass der Stallstaub nicht mehr ungehindert rausfliegt.“
       
       14 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrea Scharpen
       
       ## TAGS
       
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