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       # taz.de -- Kritik an Germany's Next Topmodel: Verbeultes Finale
       
       > Am Donnerstag endet die Castingshow. Kritik, die Sendung fördere
       > Magersucht, kontert ProSieben mit Zynismus. Lange wird das nicht
       > gutgehen.
       
   IMG Bild: Die Show macht solche Beine zur Norm. Das ist ein Problem.
       
       BERLIN taz | Mit einer großen Beule biegt Heidi Klum in die Zielgerade von
       Germany's Next Topmodel (GNTM) ein. Für Donnerstag ist das finale Stöckeln
       in einer großen Show in Mannheim angesagt. Die Beule besteht aus den Worten
       „mörderisch“ und „Essstörungen“.
       
       [1][„Mörderisch“ hat der Chefarzt der Alexianer-Klinik in Köln], der
       Psychiater Manfred Lütz, die Show in der Bild-Zeitung genannt. Weil
       Magersucht eine Krankheit sei, an der 10 bis 15 Prozent der Patientinnen
       sterben. Und weil eine [2][Studie des Internationalen Zentralinstituts für
       Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI)] ergab, dass 70 von 241 befragten
       Frauen, die wegen Essstörungen in Behandlung waren, angaben: GNTM habe
       einen starken Einfluss auf ihre Erkrankung gehabt.
       
       Noch versucht ProSieben, diese Beule zu ignorieren. Die IZI-Studie
       kommentierte der Sender knapp: Übergewicht sei ja wohl ein größeres Problem
       als Magersucht. Klums Show sei ein klarer Appell, sich gesund zu ernähren
       und Sport zu treiben. Manfred Lütz schickte der Sender zwei Freikarten –
       für seine Töchter. Und die nächste Staffel für 2016 ist schon geplant.
       
       Doch die Beule bleibt sichtbar. Dafür sorgt unter anderem Stevie Schmiedel.
       [3][Ihre NGO „Pinkstinks“ lobbyiert gegen die Fixierung auf unrealistische
       Körperbilder] bei jungen Frauen. Die Organisation begleitet GNTM mit der
       Kampagne [4][„Kein Bild für Heidi“] und einem Theaterprojekt, das die
       Körperfixierung thematisiert. Schmiedel forderte von der Medienanstalt
       Berlin-Brandenburg (MABB), die die Aufsicht über ProSieben hat, die Sendung
       als jugendgefährdend einzustufen. „Wenn das Mindestalter 16 Jahre betrüge,
       dann dürfte die Sendung erst ab 22 Uhr gesendet werden“, so Schmiedel.
       
       ## Nicht die einzige Ursache
       
       Die MABB reagiert zögerlich. Theoretisch muss sie die Beanstandung der
       Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) vorlegen, die dann eine
       Altersfreigabe festlegt. Man warte erst mal auf die offizielle
       Veröffentlichung der Studie im Juli, heißt es aber aus der Medienanstalt.
       Die KJM wiederum hatte sich schon zur ersten Staffel geäußert, die 2006
       ausgestrahlt wurde: Sie sei „der Auffassung, dass problematische Szenen
       relativiert wurden, indem kritische Kommentare (’Du bist zu dick‘)
       ausdrücklich auf die beruflichen Anforderungen an ein Laufstegmodel bezogen
       wurden“. Die Sendung könne „nicht als Entwicklungsbeeinträchtigung oder
       Gefährdung von Jugendlichen bewertet werden“.
       
       Kann man eine solche Beurteilung beibehalten, wenn 29 Prozent einer Gruppe
       von Essgestörten angeben, dass die Klum-Show die eigene Krankheit
       „besonders beeinflusst“ habe? Maya Götz meint: Nein. Sie ist Autorin der
       Studie des IZI und macht auf die psychischen Zusammenhänge aufmerksam.
       Natürlich sei die Show nicht die einzige Ursache für eine Essstörung. So
       sei etwa ein angeknackstes Selbstwertgefühl ein weiterer Risikofaktor. Aber
       die Zuschauerinnen seien eben in einem sehr vulnerablen Alter.
       
       Die Sendung treffe auf Mädchen in der Vorpubertät und Pubertät. Das sei ein
       Alter, in dem das Selbstwertgefühl zusammenbreche, weil man sich nun mit
       dem weiblichen Idealbild auseinandersetze, dem man meist nicht entsprechen
       könne. „Die Show haut genau in diese Kerbe: Den verunsicherten Mädchen wird
       nun beigebracht, dass sie mit Leistung, absoluter Anpassung und
       Selbstverleugnung die begehrte Aufmerksamkeit erringen können. Und das sind
       exakt die Züge, die auch essgestörte Mädchen zur Selbstschädigung
       motivieren.“
       
       Von der Medienaufsicht erwartet Götz nicht viel. Wohl aber vom Sender
       selbst: ProSieben könnte sich dazu verpflichten, Kandidatinnen nur ab einem
       bestimmten Body-Mass-Index aufzunehmen. In der Show könnte klarer gemacht
       werden, dass nur 4 Prozent der Mädchen überhaupt die gewünschten Maße
       mitbringen. Und sie könnten den jungen Frauen mehr Freiraum lassen. Da
       könnten sich auch mal ein paar weigern, halbnackt mit einem Männermodel zu
       knutschen – ohne dass ihnen gleich der Rauswurf droht.
       
       Abgesetzt wird die Sendung wegen der Kritik wohl nicht. Aber die desaströse
       Reaktion darauf wird ProSieben auch nicht durchhalten können. Der Sender
       wird die IZI-Kritik in irgendeiner Form zumindest als Alibi integrieren.
       Nächstes Jahr könnte auf der Beule der Heidi Klum ein Feigenblatt kleben.
       
       12 May 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.bild.de/unterhaltung/tv/germanys-next-topmodel/chefarzt-schlaegt-magersucht-alarm-40755300.bild.html
   DIR [2] http://www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/Goetz_Mendel_Malewski_final.pdf
   DIR [3] http://pinkstinks.de
   DIR [4] http://pinkstinks.de/keinbildfuerheidi/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heide Oestreich
       
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