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       # taz.de -- Trainer des FC Barcelona: Enrique, der Entzauberer von Pep
       
       > Er mag nicht so charismastisch sein. Aber Luis Enrique hat den FC
       > Barcelona stärker, fitter und flexibler gemacht. Das will etwas heißen.
       
   IMG Bild: Die beiden Trainer: Bayerns Pep (links) und Barnas Luis
       
       BERLIN taz | Charisma? Die Frage war so unverschämt, dass er lachen musste.
       Er sei ja sehr erfolgreich, konzedierte ihm eine Journalistin – „aber wo
       könnte Luis Enrique erst landen, wenn er das Charisma anderer Trainer
       hätte, die wir alle kennen?“
       
       Die Frage war unverschämt, aber sie war nicht böse gemeint, eher im
       Gegenteil. Sie wies auf einen Tatbestand hin, der vielleicht allgemein
       typisch ist für eine Branche, die sich nach Helden, Glitzer und Visionen
       sehnt. Um wirklich alle zu überzeugen, reicht es im Jahr drei PPG
       (Post-Pep-Guardiola) nicht, wenn einer 28 der letzten 30 Spiele gewinnt,
       nur noch einen Sieg von der Meisterschaft entfernt ist, im Finale des
       nationalen Pokals steht und kurz vor dem der Champions League. Dafür muss
       er irgendwie sexier sein.
       
       Wer Barças Trainer ignoriert, und das sind nicht wenige, wertete [1][das
       3:0 im Hinspiel] als einen Sieg des Genies Messi gegen eine geniale Taktik
       Guardiolas. Die Zwischentöne von Luis Enrique verhallten ungehört. Er hat
       es halt ein bisschen schwerer. Guardiola selbst besaß gestern die Klasse,
       der Weltöffentlichkeit die Schlüsselleistung seines Nach-Nach-Nachfolgers
       in Erinnerung zu rufen.
       
       Er sagte es nicht so konkret, aber doch deutlich genug für alle, die es
       verstehen wollen: „Barcelona ist zur besten Kontermannschaft der Welt
       geworden“, so der Bayern-Coach vor dem neuerlichen Wiedersehen mit seinem
       Ex-Klub. „Mit dem Ball sind sie sowieso gut, weil das in ihrer DNA liegt.
       Aber jetzt haben sie diese Komponente hinzugefügt.“
       
       ## Vorher vorne dechiffriert
       
       Der Schritt zu dieser Variabilität war dringend notwendig. Bevor Luis
       Enrique vorigen Sommer anfing, war Barça vorn dechiffriert und litt hinten,
       wann immer der Ballbesitz an den Gegner überging. Es hat dann anfangs
       ziemlich gerumpelt unter ihm, und der Kredit als Ex-Spieler des Klubs und
       erfolgreicher Ex-Trainer der zweiten Mannschaft war in der Fachwelt schnell
       verbraucht. Doch mittlerweile fügen sich alle Partituren harmonisch
       ineinander. 25:0 Tore gab es in den letzten sieben Spielen.
       
       Um mit der ziemlich langen Liste von Luis Enriques Meriten also hinten
       anzufangen: Die Verteidigung steht „sensationell“, wie Abwehrchef Gerard
       Piqué nach dem Bayern-Hinspiel anmerkte. Dies gilt auch bei
       Standardsituationen, einer klassischen Barça-Schwachstelle. Vor jedem
       Freistoß oder Eckball schreitet Assistent Juan Unzué von der Bank an den
       Rand der Coachingzone, um Anweisungen zu geben.
       
       Alles wirkt geplant, durchdacht, scheint perfekt aufzugehen. So wie die
       physische Verfassung der Elf, die der passionierte Ausdauersportler Enrique
       besonders im Auge hatte und mit umstrittenen Rotationen aktiv steuerte. Das
       Ergebnis: Kein Spieler ist verletzt, und keine Mannschaft in Europa so fit.
       
       ## Ein pragmatischer Sturkopf
       
       Taktisch hat er Barças typisches 4-3-3 beibehalten, aber im Vergleich zu
       den Guardiola-Jahren anders nuanciert. Die Angreifer sind nicht mehr
       verkappte Mittelfeldspieler, und im Mittelfeld selbst agiert mit Ivan
       Rakitic neuerdings eine dynamische Allzweckwaffe neben dem defensiven
       Spielmacher Busquets und dem offensiven Iniesta. Die jahrelang stilprägende
       Klublegende Xavi wurde in eine Elder-Statesman-Rolle auf die Bank
       manövriert, ohne dass es deshalb Ärger geben würde, im Gegenteil: Xavi
       vermittelte entscheidend, als Luis Enrique zu Jahresbeginn mit Messi
       aneinander rasselte.
       
       Der Trainer, zu Spielerzeiten als Fighter verehrt, gilt als Sturkopf. Im
       Umgang mit den Spielern hat er Pragmatismus gelernt und die Konfrontation
       so weit zurückgefahren, dass er im Prinzip nur die hinteren
       Mannschaftsteile trainiert, während sich der Angriff mit den Superstars
       Messi, Neymar und Luis Suárez selbst verwaltet. Sein Verhältnis zur
       Klubführung hingegen gilt als zerrüttet, seit im Tohuwabohu der
       Januar-Krise sein Förderer gefeuert wurde, Sportdirektor Andoni
       Zubizarreta.
       
       Luis Enrique hat deshalb immer noch nicht erklärt, ob er seinen bis 2016
       laufenden Vertrag zu erfüllen gedenkt. Und so gibt es auf dem Jahrmarkt der
       Gerüchte auch Stimmen, die in den Nachrichten über Manchester City und Pep
       Guardiola nur Nebelkerzen sehen. Weil die Engländer es eigentlich auf Luis
       Enrique abgesehen hätten, der im Übrigen findet: „Ohne Charisma kommt man
       im Leben nirgendwohin.“
       
       12 May 2015
       
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