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       # taz.de -- AfD in Nordrhein-Westfalen: Verlierer in Siegen
       
       > Die AfD hatte Landesparteitag. Drei Vorstandskollegen des umstrittenen
       > NRW-Landeschefs Marcus Pretzell legten ihr Amt nieder.
       
   IMG Bild: NRW stellt ein Fünftel der Delegierten beim AfD-Bundesparteitag im Juni
       
       SIEGEN taz | Marcus Pretzell, Vorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen,
       hat vorerst Glück gehabt. Beim eilig einberufenen Landesparteitag am
       Samstag in Siegen traten seine drei Stellvertreter – und damit drei seiner
       Kontrahenten – zurück. „Ich habe andere Vorstellungen von Anstand und
       Ehre“, sagte Hermann Behrendt, der stellvertretende AfD-Sprecher, in seiner
       Rücktrittsrede. Angekündigt hatte er seinen Rückzug bereits Ende April auf
       einem informellen Treffen in Bottrop.
       
       Die Bemerkung ging in Richtung Pretzell, dessen Amt in den letzten Wochen
       ins Wanken geraten war: erst seine Parteikontenaffäre, weil er sich nicht
       um private Steuerschulden gekümmert hatte. Dann wurde er von den Sitzungen
       der Parteidelegation im EU-Parlament ausgeschlossen, auf Antrag des eigenen
       Parteikollegen Hans-Olaf Henkel. Und zuletzt wäre beinahe der Parteitag in
       NRW geplatzt, weil Einladungsfristen nicht eingehalten worden waren.
       
       Pretzell zeigte sich weder überrascht noch sonderlich beeindruckt von den
       Rücktritten: „Da habe ich in den vergangenen Wochen Schlimmeres gehört“,
       kommentierte er. Nun hat Pretzell vorerst freie Bahn: Erst zwei Tage vor
       Ablauf der Frist war der Landesparteitag zustande gekommen; damit dürfen
       nun auch demnächst 124 Delegierte zum Bundesparteitag fahren. Und nicht nur
       das: Wegen der knappen Fristen durften keine Abwahlanträge gegen Pretzell
       gestellt werden. Das kommt ihm, dem gefährdeten Landesvorsitzenden,
       entgegen.
       
       Flügelkämpfe prägen derzeit das Bild der Alternative für Deutschland.
       Gemäßigte Mitglieder um Parteichef Bernd Lucke sehen einen Rechtsruck auf
       die Partei zukommen. Kürzlich trat deshalb Hans-Olaf Henkel von seinem
       Posten als Vizechef zurück.
       
       ## Autoritär und weichgespült
       
       Das rechte Lager wird nun immer stärker: Pretzell gehört dazu, er
       unterstützt die in Siegen ebenfalls anwesende Frauke Petry,
       Landesvorsitzende der AfD in Sachsen, in ihrem Kurs. Trotz ihrer
       gegenteiligen Beteuerungen gehen viele davon aus, dass Petry beim
       Bundesparteitag gegen Lucke antreten wird. Dessen Gegner bezeichnen seinen
       Führungsstil als autoritär und seine Positionen als weichgespült.
       
       Deshalb war die Veranstaltung am Samstag in Siegen auch so wichtig für
       Pretzell und Petry: NRW stellt rund ein Fünftel der Delegierten beim
       AfD-Bundesparteitag, wo die komplette Parteispitze neu gewählt wird. Hätte
       der Landesverband keine Delegierten schicken dürfen, wäre das ein
       deutlicher Machtverlust für den rechten Flügel geworden.
       
       Um bei der Wahl der 124 Delegierten aus 382 Kandidaten den Blick über die
       Lager nicht zu verlieren, kursierten Listen im Saal: „Pretzell-Liste“ wurde
       die eine genannt, eine andere sollte Namen aus dem liberalen Flügel
       enthalten. Unter den Mitgliedern gab es Kritik am Wahlverfahren: Viele
       befürchteten, dass die Möglichkeit, mit Nein zu stimmen, genutzt werde, um
       unliebsame Kandidaten zu verhindern.
       
       Einige beschwerten sich, ungefragt auf einer der Listen gelandet zu sein.
       Ein Delegierter erklärte der taz die Wahlmethode: Wer es ganz genau haben
       wolle, nutze erst die Liste, deren Lager man angehöre, und kreuze alle
       deren Kandidaten mit Ja an. Dann nehme man die „gegnerische“ Liste und
       stimme gegen deren Kandidaten. „Dieser Kindergarten hier wird die
       Stimmauszählung unendlich in die Länge ziehen“, meinte ein anderes
       Mitglied.
       
       Die Prognose über die Stimmauszählung war zumindest richtig: Durch die hohe
       Anzahl der Kandidaten und die Möglichkeit, individuelle Neinstimmen zu
       vergeben, zog sich die Stimmauszählung am Samstag bis Mitternacht hin und
       wurde am Sonntag erst nach Redaktionsschluss beendet.
       
       10 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Helke Ellersiek
       
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