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       # taz.de -- Staatspleite rückt näher: Athen spielt Schwarzer Peter
       
       > Die Gläubiger sollen an den schleppenden Verhandlungen schuld sein,
       > behauptet die griechische Regierung. Hoffnungen auf eine Einigung
       > schwinden.
       
   IMG Bild: Die Einschläge kommen näher: Gewitter über dem Parthenon in Athen
       
       ATEHN taz | Für Griechenland und seine Gläubiger wird es eng. Am Dienstag,
       dem 12. Mai, muss das überschuldete Land 750 Millionen Euro Tilgung an den
       Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlen. Doch die dringend benötigten –
       und seit Februar versprochenen – Hilfskredite im Wert von 7,2 Milliarden
       Euro sollen immer noch nicht fließen. Athen könnte deshalb das Geld für den
       Schuldendienst ausgehen, noch bevor es neue Hilfe bekommen hat.
       
       Eigentlich sollte dieses Problem längst ausgeräumt sein – oder bald gelöst
       werden. Spätestens beim nächsten Treffen der Eurogruppe am kommenden
       Montag, so hieß es bisher, wollten Griechenland und seine Gläubiger eine
       Einigung erzielen. Doch davon ist nun keine Rede mehr. In den Verhandlungen
       mit der Athener Regierung habe man nur „bescheidene“ Fortschritte gemacht,
       klagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag.
       
       Zugleich warnte der Luxemburger vor einer neuen Debatte über einen Rauswurf
       Griechenlands aus dem Euro. „Wenn ich sagen würde, der ’Grexit‘ wäre eine
       Option, was denken Sie, was dann an den Finanzmärkten los wäre?“, so
       Juncker.
       
       Die Nervosität wächst nicht nur wegen der knappen Kassen in Athen und der
       schleppenden Gespräche in Brüssel. Für Hochspannung sorgt auch ein Versuch
       der griechischen Linksregierung, die Schuld an einem möglichen Scheitern
       auf die Gläubiger zu schieben. Die Brüsseler Gruppe (Ex-Troika) ziehe nicht
       an einem Strang, heißt es in Athen. Vor allem zwischen dem Internationalen
       Währungsfonds (IWF) und der EU-Kommission gebe es tiefe Gräben.
       
       Anfang dieser Woche hatte die griechische Regierung ein Papier verbreitet,
       das die Meinungsverschiedenheiten belegen sollte. Die Ex-Troika reagierte
       auf dieses Schwarze-Peter-Spiel ziemlich verschnupft mit einer Erklärung:
       Man arbeite „eng zusammen“ und verfolge „dieselben Ziele“, heißt es darin
       schwammig. Auf die Differenzen, die Athen herausgestellt hatte, gingen die
       Gläubiger nicht ein. Dabei sind diese durchaus real.
       
       ## Deutschland gegen Umschuldung
       
       Im Kern geht es um die Frage der griechischen Schulden und ihrer
       sogenannten Tragfähigkeit. Der IWF fürchtet, dass der Schuldenberg auf über
       180 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung wächst und damit alle
       Vorgaben der letzten Jahre sprengt. Die Washingtoner Experten sollen daher
       erneut eine Umschuldung oder einen Schuldenschnitt ins Gespräch gebracht
       haben – doch das lehnt Deutschland strikt ab.
       
       Daneben geht es um die Reformen, die die Gläubiger der griechischen
       Linksregierung abverlangen. Wenn man dem Athener Papier glaubt, verlangt
       der IWF neue Zumutungen am Arbeitsmarkt und weitere Rentenkürzungen.
       Demgegenüber sei die EU-Kommission in diesen Fragen kompromissbereit.
       Brüssel bestehe jedoch darauf, dass Athen einen hohen Primärüberschuss (vor
       dem Schuldendienst) erzielt, damit der Schuldenberg nicht weiter wächst.
       
       Die EU-Kommission wollte sich auf Nachfrage nicht zu dieser Darstellung und
       ihrer Verhandlungsposition äußern. Fest steht, dass es auch in der
       Vergangenheit immer wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen den
       Gläubigern gegeben hat. Es ist sogar schon vorgekommen, dass ein fertiger
       Troika-Bericht von der Bundesregierung in Berlin zurückgewiesen wurde, weil
       sie mehr Reformen forderte.
       
       Die Darstellung aus Athen ist deshalb nachvollziehbar. Das Gezerre zwischen
       den Gläubigern machte eine Einigung sicher nicht leichter. Allerdings ist
       auch zunehmend unklar, wo eigentlich die „roten Linien“ der
       Syriza-Regierung liegen. Premier Alexis Tsipras sei bereit, seinen
       Widerstand gegen eine Mehrwertsteuer-Erhöhung für die Ferieninseln
       aufzugeben und neue Sparmaßnahmen zu erlassen, heißt es in Brüssel – ohne
       offizielle Bestätigung aus Athen.
       
       Die Zeit drängt – denn nach dem 12. Mai muss die griechische Regierung
       weitere, noch höhere Summen an ihre Gläubiger zurückzahlen. Wenn sie das
       nicht kann, ist es vorbei.
       
       7 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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