URI: 
       # taz.de -- Kommentar kirchliches Arbeitsrecht: Leicht entnagelter Altherrenklüngel
       
       > Die katholische Kirche bewegt sich: Wer gegen die mittelalterliche Moral
       > verstößt, darf nicht mehr so einfach gekündigt werden. Reicht das?
       
   IMG Bild: Der schwarze Riese gibt nach: Kardinal Marx
       
       Ein Chefarzt, der gefeuert wird, weil er ein zweites Mal geheiratet hat?
       Eine lesbische Hortleiterin, die ihre Freundin heiratet, verliert ihren
       Job? Eine Kitaerzieherin darf nicht mehr für die Kinder da sein, weil sie
       einen Ehemann hat, aber von dem getrennt lebt? Gibts nicht? Doch, bei der
       Katholischen Kirche.
       
       Katholiken haben eine besondere Auffassung von Moral, Ehe und Sex. Kein Sex
       vor der Ehe, keine Abtreibung, einmal verheiratet, immer verheiratet. So
       was halt, kennt man. Diese Auffassung gibt der Katholischen Kirche das
       Recht, Frauen und Männer, die in katholischen Einrichtungen arbeiten, zu
       kündigen, wenn sie gegen den Moralkodex verstoßen hatten. Das hat das
       Bundesverfassungsgericht noch im vergangenen Herbst bestätigt.
       
       Jetzt ist es die Katholische Kirche selbst, die ein solches Vorgehen in
       Teilen revidiert. Am Dienstag beschloss die Deutsche Bischofskonferenz, das
       Arbeitsrecht aufzuweichen und sich zu mehr Realitätssinn zu bekennen. Der
       Chefarzt, die Hortleiterin und die Kitaerzieherin dürfen demnach nicht mehr
       einfach so gefeuert werden.
       
       ## Die Gläubigen wenden sich ab
       
       Das wurde auch mal Zeit. Im Jahr 2015 die mittelalterliche Moralkeule zu
       schwingen, schadet nicht nur den Gekündigten, sondern vor allem der Kirche
       selbst. Immer mehr Gläubige wenden sich von ihr ab, weil sie sich nicht
       mehr vertreten fühlen von einem vernagelten Altherrenklüngel.
       
       Insbesondere die überholte Sexualmoral lässt die Menschen ratlos zurück.
       Die Katholische Kirche ist mit rund 650.000 hauptamtlichen MitarbeiterInnen
       einer der größten Arbeitgeber hierzulande. Die meisten von ihnen arbeiten
       bei der Caritas: in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kitas, in Einrichtungen
       also, in denen sich um Menschen gekümmert wird.
       
       Wenn jedes Mal jemand gekündigt wird, weil er nicht der katholischen Norm
       entspricht, lichten sich die Reihen rasch. Insofern ist zu befürchten, dass
       sich die Bischöfe nicht allein aus Einsicht zur Öffnung des Arbeitsrechts
       durchgerungen haben, sondern aus reiner Notwendigkeit. Wo die Schäfchen
       weniger werden, wird es schwieriger, die eigene Existenz und den
       Riesenapparat dahinter rechtfertigen.
       
       6 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schmollack
       
       ## TAGS
       
   DIR Katholiken
   DIR Arbeitsrecht
   DIR Katholische Kirche
   DIR Kirche
   DIR Lesestück Interview
   DIR Kirche
   DIR Kirche
   DIR Paraguay
   DIR Münster
   DIR Bremische Evangelische Kirche
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Kirchliches Arbeitsrecht: Nicht jenseits des Gesetzes
       
       Die Kirche darf von ihren Beschäftigten keine Loyalität einfordern. Das
       Urteil des Bundesarbeitsgerichts schränkt die kirchliche Macht nicht
       wirklich ein.
       
   DIR Kardinal Marx zum C in der CDU: „Religion kann kein Kriterium sein“
       
       Die bayrische CSU will vor allem christliche Flüchtlinge aufnehmen.
       Kardinal Reinhard Marx über Werte, Hilfe für Notleidende und Populismus.
       
   DIR Vorlage an den Europäischen Gerichtshof​: Christen bevorzugt
       
       Eine konfessionslose Sozialpädagogin klagt gegen das Diakonische Werk. Der
       Prozess könnte das kirchliche Arbeitsrecht verändern.
       
   DIR Streikrecht bei kirchlichen Arbeitgebern: „Dritter Weg“ hat Bestand
       
       Das Bundesverfassungsgericht will nicht über das Verdi-Streikrecht in
       kirchlichen Einrichtungen entscheiden. Deshalb lehnt es eine Beschwerde ab.
       
   DIR Zehnjährige in Paraguay vergewaltigt: Abtreibung verboten
       
       Ein 10-jähriges Mädchen darf nach sexuellem Missbrauch durch ihren
       Stiefvater nicht abtreiben. Die UN kritisiert die Entscheidung des
       paraguayischen Gesundheitsministers.
       
   DIR Katholikentag in Münster: Knapp eine Million für Sachleistungen
       
       Seit Jahrzehnten werden Kirchentage von Bund, Land und Kommune bezuschusst.
       In Münster sollte es erstmals anders laufen. Oder doch nicht?
       
   DIR Theologische Freiheit für fundamentalistischen Pastor: Viele Worte, kaum Konsequenzen
       
       Die Bremische Evangelische Kirche wird kein Disziplinarverfahren gegen
       Martini-Pastor Olaf Latzel einleiten.