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       # taz.de -- Theaterstück abgesagt: Mit Essen soll man nicht spielen
       
       > Kein Sauereien in Leipzig: Die Premiere der Performance-Gruppe Monster
       > Truck wurde abgesagt, weil im Stück ein totes Schwein zerhackt wird.
       
   IMG Bild: Ja, sind wir hier denn im Theater?
       
       Was in Leipzig nicht gespielt werden darf, das ist ab morgen in Berlin zu
       sehen. Das Performance-Kollektiv Monster-Truck bringt in den Berliner
       Sophiensælen „Welcome to Germany“ zur Uraufführung. Der Abend behandelt die
       Geschichte der „Villa Baviera“ am Fuße der chilenischen Anden, eines
       gruseligen Orts, an dem jahrzehntelang bajuwarische Gemütlichkeit und die
       Folterschergen des Pinochet-Regimes in der berüchtigten „Colonia Dignidad“
       eine Symbiose eingingen. Ein gespenstisches Bild sei das, glauben die
       Performer, für eine sehr deutsche Kultur, hinter der gewaltige Abgründe
       lauerten.
       
       Was nach einer risikofreudigen Performance klingt, ist offenbar zu viel für
       das Leipziger Publikum. Wenigstens, wenn es nach dem dortigen Intendanten
       Enrico Lübbe geht. Der hat die Uraufführung der Koproduktion mit den
       Berliner Sophiensælen, die in Leipzig geprobt wurde, in der vergangenen
       Woche endgültig abgesagt. Begründet hat er diesen Schritt mit seiner
       „Verantwortung als Intendant“. In der Inszenierung würde zwanzig Minuten
       lang ein Schwein in seine Einzelteile zerlegt und zu Wurst verarbeitet –
       und das ginge nun einfach wirklich nicht.
       
       Die Gruppe bestreitet das Zerlegen des Tierkörpers nicht, alleine, das
       Knacken der Knochen und der Schnitt in das Fleisch seien Momente, die sie
       in ihrer Ästhetik nicht entbehren möchten, präsenter als manch andere
       Übersetzung von Folter und Gewalt. Das klingt erst mal nicht ganz abwegig.
       Um die heftige Reaktion Lübbes zu verstehen, muss man deshalb wohl weniger
       in die chilenische, sondern viel mehr in die Leipziger Vergangenheit
       schauen.
       
       Dort spaltete Vorgängerintendant Sebastian Hartmann die Stadt so sehr, dass
       diese nach dessen Abgang Lübbe per Dekret installierte. Und das gegen den
       erklärten Willen einer prominent besetzten Findungskommission. Es hatten
       noch alle in Erinnerung, wie Hartmann zum Abschied in einem Prozessionszug
       gekreuzigte Schweinehälften durch die Innenstadt tragen lassen wollte.
       
       Von Lübbe, zuvor Schauspielchef in Chemnitz, erwartete man, dass er Schluss
       macht mit dem Schweinkram. Und diesen Erwartungen ist er jetzt in
       vorauseilendem Gehorsam gerecht geworden. Für Leipziger, denen so viel
       Fürsorge zu viel ist, bleibt nur noch die Reise nach Berlin. Dort kommt
       „Welcome to Germany“ morgen in den Sophiensælen zur Uraufführung. Dort
       schätzt man „die radikale Bildsprache“ der Gruppe und „ihre Furchtlosigkeit
       vor schwierigen Themen“, heißt es. Den Leipziger Umgang mit unangepassten
       Künstlern, den schätzt man in Berlin nicht.
       
       5 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alexander Kohlmann
       
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