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       # taz.de -- Kolumne Eben: Ordnung, Ordnung, Hausordnung
       
       > Varoufakis verschmäht ein Gala-Dinner und ist jetzt raus, weil er seinen
       > Job angeblich nicht gemacht hat. Dabei hat er ihn vortrefflich gemacht.
       
   IMG Bild: Everybody's Darling. Na ja, nicht ganz.
       
       Im Blödfinden ist man sich gerade wieder sehr einig. Alle finden blöd, dass
       auf einer Messe Konzerne sich selbst präsentieren statt [1][„kritische
       Themen“]. Kreuzberger samt Bürgermeisterin finden das Myfest blöd, obwohl
       es mal erfunden wurde, weil Kreuzberger samt Bürgermeister den Mykrawall
       blöd fanden. Alle finden Facebook blöd, außer [2][einige Feuilletonisten],
       die finden das gedruckte Feuilleton blöder.
       
       Blöd angequatscht fühlten sich die EU-Experten vom griechischen
       Finanzminister. Weswegen sie ihn so lange zur Minna machten, bis es seinem
       Chef zu blöd wurde und [3][er ihn zurückpfiff].
       
       Die hiesigen Kommentatoren von FAS bis [4][Joschka Fischer] sind sich mit
       den EU-Bürokraten einig: Varoufakis hat nicht verstanden, wie Politik
       funktioniert. Besser, er geht. Die Begründungen: zu spät zum Termin mit der
       Chefin gekommen, Galadinner mit den Eurofinanzministern geschwänzt,
       Regieren nicht von Wahlkampf unterschieden.
       
       ## Vorbild Roosevelt
       
       Postdemokratie und die Propaganda der Alternativlosigkeit – alle klagen
       drüber. Aber wenn dann mal einer kommt, der keine Dienstpläne macht und die
       Regeln infrage stellt, wird er als Clown verlacht. Über mangelnde Krawatten
       und Manieren wurde geflachst, über sein finanzpolitisches Programm
       geschwiegen.
       
       Aus Angst. Varoufakis ist kein Krawalltourist in Turnschuhen, sondern
       [5][renommierter Wirtschaftswissenschaftler] und kennt, anders als Wolfgang
       Schäuble und Joschka Fischer, die Materie, über die er spricht, sehr genau.
       Und eins ist seins: Das Spiel, so wie es bisher lief, spielt er einfach
       nicht mit.
       
       Varoufakis stolperte aber nicht etwa über einen verrutschten Anarchospruch,
       den er an die Wände von Brüssel gesprüht hat. Es war ein Zitat des
       US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, das den Zorn erregte: „Sie sind sich
       einig in ihrem Hass auf mich – und ich freue mich über diesen Hass“
       [6][(Twitter, 26.4.)]. Ein Halunke wagte es, den EU-Politikern "Hass" zu
       unterstellen, wo die doch nur ihren Job machen?
       
       Journalisten sollten in der Zeitung nicht über sich reden, sondern ihren
       Job machen, schrieb [7][Ulrich Greiner] in der Zeit. Klingt griffig.
       Unterschätzt aber, dass Journalist wie Politiker, Künstler oder Sänger
       keine geschützte Berufsbezeichnung ist. Wie der Job zu machen ist,
       bestimmen im Wesentlichen die Leute, die ihn machen. Es gibt keine
       unabänderliche Hausordnung.
       
       Sicher, es braucht jemanden, der Dienstpläne macht, Tagesordnungen
       erstellt, Kontrolle über Abläufe hat. Aber das ist der Job von
       Protokollanten, Sekretären und Hausmeistern. Als erste Amtshandlung legte
       Varoufakis’ Nachfolger den EU-Ministern eine Tagesordnung vor. Große
       Erleichterung! Den Griechen wird jetzt wohl mehr zugestanden, als ihnen
       lieb ist. Und zwar nur, um Varoufakis zu verhindern. Gut gemacht, Yanis!
       
       Wer Tocotronic die Spießerbeschimpfung gestattet – [8][„Wir sind Babys. Wir
       spucken ihnen ins Gesicht“] – und Varoufakis einen Clown nennt, der wird im
       Leben kein Galadiner mit dem Finanzminister ausschlagen. Er wird sich
       nichts vorzuwerfen haben, weil er ja immer alles richtig gemacht hat. Was
       genau? Im Wikipedia wird stehen: „Er war immer pünktlich“. Eben.
       
       6 May 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.tagesschau.de/ausland/expo-mailand-163.html
   DIR [2] http://www.zeit.de/2015/17/facebook-printmedien-veraenderung
   DIR [3] http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-tsipras-duepiert-varoufakis-1.2454591
   DIR [4] http://www.project-syndicate.org/commentary/tsipras-greek-crisis-by-joschka-fischer-2015-04
   DIR [5] http://www.neues-deutschland.de/artikel/969840.wie-ich-zum-erratischen-marxisten-wurde.html
   DIR [6] http://twitter.com/yanisvaroufakis/status/592264336107806720
   DIR [7] http://www.zeit.de/2015/18/facebook-hymne-antwort-ulrich-greiner
   DIR [8] http://youtu.be/nLqtcyXs750
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Doris Akrap
       
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