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       # taz.de -- Schwerpunkt: Bundesliga-Abstiegsangst: Zwischen Bangen und Hoffen
       
       > Der Hamburger Fußball droht in nächsten Saison nur noch zweit- und
       > drittklassig zu sein. Aufregen tut sich niemand mehr – das Maß des
       > Leidens ist voll.
       
       HAMBURG taz |Das Elend hat inzwischen viele Namen. Erst hieß es einfach
       Krise. Das war, als man noch dachte, die Sache würde schnell wieder
       vorübergehen. Dann hieß es Dauerkrise. Trauerspiel. Armutszeugnis.
       Katastrophe. So lächerlich mache der HSV sich selbst, meinen manche, dass
       man nicht einmal mehr Witze darüber erfinden müsse.
       
       Nun also ein Sieg. Der erste seit Anfang Februar. Keineswegs eine klare
       Sache, ein knappes 3:2. Aber: Es sind wieder Tore gefallen, man hat die
       Mannschaft Fußball spielen sehen. Und schon träumen die ersten Fans von
       Siegesserien, von meisterschaftsgleichen Feiern, von Europa.
       
       Im Rest der Stadt fällt das Echo verhalten aus. Im vergangenen Jahr gab es
       noch Unterstützung und Trotz, das Abendblatt startete die Kampagne „Niemals
       2. Liga!“, um die Gefühle und Ängste seiner Leser zu bedienen. In diesem
       Jahr: Resignation. Anderswo elektrisiert und eint so eine Situation die
       ganze Stadt. Aber dieser Abstiegskampf elektrisiert nicht. Erst hat er
       verwundert. Dann fassungslos gemacht. Dann belustigt. Und inzwischen sind
       viele Hamburger nur noch genervt von dem Drama auf und vor allem neben dem
       Platz und davon, die Lachnummer der Bundesliga zu sein.
       
       Gespräche über den HSV laufen in diesen Tagen immer ähnlich ab. Sie sind
       meist kurz. Sie sind bemerkenswert leidenschaftslos. Es fallen immer
       dieselben Sätze. „Sollen sie doch absteigen.“ „Wird ja auch mal Zeit.“ Und,
       ein Klassiker mittlerweile: „Die hätten schon letztes Jahr runter müssen.“
       
       Das liegt zum einen daran, dass diese Durststrecke zu lange dauert und zu
       selbstverschuldet ist, um wenigstens Mitleid zu erregen. Im vergangenen
       Jahr ist der HSV dem Abstieg mit Glück und minimalem Aufwand von der
       Schippe gesprungen. Nur, um dann genauso weiterzumachen wie zuvor: Wieder
       verschleißt er einen Trainer nach dem anderen und kämpft mit
       Gönnermillionen um einen Erstligaplatz, den nach Ansicht vieler Fußballfans
       budgetschwache Abstiegskonkurrenten wie Freiburg oder Paderborn mehr
       verdient hätten. Beim HSV geht es schon längst nicht mehr nur um Sympathie
       oder Antipathie. Sein Schicksal ist auch zu einer Frage des
       Gerechtigkeitsempfindens geworden.
       
       Zum anderen hängt die mangelnde Aufregung natürlich auch damit zusammen,
       dass die Stadt in Sachen Fußball ohnehin gespalten ist in den HSV und St.
       Pauli. Der Sport hat in Hamburg eine besondere Stellung, weil sich mit der
       Wahl des Vereins stets auch charmant Gesinnungen ausdrücken lassen. Vom
       Millerntor ist daher wenig Mitgefühl zu erwarten, aber selbst die schöne
       Tradition der Schadenfreude gestaltet sich schwierig. St. Pauli befindet
       sich in einer rechnerisch ähnlich entmutigenden Situation – nur eine Stufe
       weiter unten.
       
       Als Pauli-Trainer Ewald Lienen bei der jüngsten Niederlage gegen Heidenheim
       einen ins Seitenaus rollenden Ball stoppen wollte und dabei so unglücklich
       ausrutschte, dass er sich den Arm brach, stand das sinnbildlich für die
       Gesamtsituation des Klubs: viel Engagement, aber wenig Ertrag. Doch rüttelt
       die Situation hier nicht so am Selbstverständnis wie beim HSV, denn St.
       Pauli hat sich schon immer weniger durch sportliche Erfolge definiert.
       Viele Anhänger fühlen sich in der Zweiten Liga wohler als im Oberhaus, weil
       ihnen das die Schönwetterfans vom Hals hält. Aber Dritte Liga? Das will nun
       wirklich keiner.
       
       Es ist die wohl schwierigste Saison für den Hamburger Fußball. Die Stadt
       droht, in der kommenden Saison nur noch zweit- und drittklassig zu spielen.
       Der FC St. Pauli kennt Abstiege, er hat eine intakte Fanbasis, ihm werden
       die Anhänger wohl nicht in Scharen davonlaufen. Aber es würde finanziell
       enger und schwer werden, Spieler zu halten.
       
       Der HSV dagegen war bisher vor allem in einem besser als die anderen Klubs:
       im In-der-Ersten-Liga-Sein. Der „Dino“ der Bundesliga hat seine
       Erstklassigkeit zur Marke stilisiert. Sollte er die legendäre Uhr abstellen
       müssen, wird sich zeigen, wie die Stadt reagiert und wie leidensfähig seine
       Anhänger sind.
       
       Einige haben gedroht, ihre Dauerkarte im Falle eines Abstiegs abzugeben.
       Andere haben angekündigt, auch den Gang nach unten mitgehen zu wollen.
       Vielleicht befreit sich der Verein dann von dem Druck und startet den
       Neuanfang, auf den viele hoffen. Vielleicht wird er danach auf ewig in den
       Untiefen der Zweiten und Dritten Liga verschwinden. Vielleicht rettet
       Trainer Bruno Labbadia ihn doch noch. Aber selbst oder gerade wenn er es
       wieder schafft: Diese Saison wird Spuren hinterlassen.
       
       Mehr zum Schwerpunkt Abstiegsangst lesen Sie in der taz.am Wochenende oder
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       1 May 2015
       
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