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       # taz.de -- Lobbyismus für Wohnungsbau: Ein seltsames Bündnis
       
       > Der Mieterbund, die IG BAU und Immobilienverbände fordern
       > Steuererleichterungen und Subventionen für private Investoren im
       > Wohnungsbau.
       
   IMG Bild: Wieder sozialer Wohnungsbau? Haus am Kottbusser Tor in Berlin.
       
       BERLIN taz | Ein auf den ersten Blick erstaunliches „Verbändebündnis
       Wohnungsbau“ trat am Donnerstag in Berlin an die Öffentlichkeit.
       Immobilien-, Bauindustrie- und Handwerksverbände fordern gemeinsam mit dem
       Deutschen Mieterbund (DMB) und der Baugewerkschaft IG BAU von der
       Bundesregierung, der Kostenexplosion im Wohnungsbau schnell und
       durchgreifend entgegenzutreten.
       
       Laut einer im Auftrag des Bündnisses erstellten Studie sind die
       durchschnittlichen Erstellungskosten beim Neubau von Mehrfamilienhäusern
       zwischen 2000 und 2014 von 2.209 auf 3.080 Euro pro Quadratmeter gestiegen.
       Als Hauptkostentreiber benennt die Studie die gestiegenen Bauwerks- und
       Planungskosten, die steuerlichen Rahmenbedingungen, die Grundstückspreise
       und die ständig erweiterten Auflagen.
       
       Es gebe ein undurchschaubares Konvolut sich teilweise widersprechender
       Vorgaben und Auflagen auf EU-, Bundes-, Landes und kommunaler Ebene. Man
       könne „niemandem vermitteln, dass beispielsweise die Bestimmungen zu
       Brandschutz, Energieffizienz und zur Barrierefreiheit in Deutschland nicht
       einheitlich sind", so Hans Georg Leuck, Vorsitzender der Deutschen
       Gesellschaft für Mauerwerks - und Wohnungsbau.
       
       Rüdiger Otto vom Zentralverband des deutschen Baugewerbes (ZDB) sprach von
       einem lang andauernden, umfassenden Versagen der Verantwortlichen. Der
       Wohnungsbau sei sträflich vernachlässigt worden. Alleine in der vergangenen
       Legislaturperiode seien trotz wachsenden Bedarfs besonders in
       Ballungsräumen und Universitätsstädten rund 300.000 Wohnungen zu wenig
       gebaut worden.
       
       Obwohl die Neubautätigkeit in den vergangenen beiden Jahren deutlich
       zugenommen habe, werde der Bedarf angesichts anhaltender Zuwanderung und
       der demografischen Entwicklung noch immer bei weitem nicht gedeckt. Dies
       gelte besonders für Mietwohnungen im unteren Preissegment.
       
       ## Goldene Nasen auf Steuerkosten verdient
       
       Die von dem Bündnis erhobenen Forderungen klingen nicht sonderlich
       innovativ. Neben einer umfassenden Entrümpelung des Baurechts nach
       wirtschaftlichen Gesichtspunkten werden weitere steuerliche Anreize für
       private Investoren sowie die Aufstockung von Förderprogrammen für den
       sozialen Wohnungsbau durch Bund und Länder angeregt. Von den Kommunen wird
       zudem gefordert „nicht weiter an der Grunderwerbssteuerschraube zu drehen“,
       was zumindest bei der IG BAU angesichts gewerkschaftlicher Grundpositionen
       zur Steuerpolitik etwas befremdlich wirkt.
       
       Für Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten ist der Schulterschluss mit der
       Bau- und Immobilienwirtschaft kein Problem. Und das, obwohl diese Verbände
       gegen mietpreisdämpfende Maßnahmen im Wohnungsbestand regelrecht Sturm
       laufen. Dies sei für ihn zwar „unverständlich“, aber angesichts der vielen
       Gemeinsamkeiten kein Problem.
       
       Auch der geforderten Neuoffensive im sozialen Wohnungsbau steht
       Siebenkotten positiv gegenüber, obwohl bei diesem Fördersystem keine
       dauerhaft preiswerte Wohnungen geschaffen, sondern lediglich mit sehr viel
       Steuergeld temporäre soziale Belegungsbindungen finanziert werden, was die
       Bewohner nach ihrem Auslaufen (meistens nach 20 Jahren) enormen
       Mietsprüngen aussetzt. Das Bundesland Berlin etwa hatte den sozialen
       Wohnungsbau Anfang der nuller Jahre beendet, nachdem sich Investoren damit
       goldene Nasen auf Steuerkosten verdient hatten.
       
       Eine Alternative wäre der kommunaler Wohnungsbau. Der Präsident des
       Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Axel
       Geschenko, sieht es auch durchaus als Fehler an, dass viele Kommunen ihre
       Wohnungsbaugesellschaften an private Unternehmen verkauft hätten. Doch an
       einem „Mischsystem“ das auch privaten Wohnungsbau fördere, führe angesichts
       der knappen Kassen in vielen Kommunen kein Weg vorbei, so Gedaschko.
       
       23 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rainer Balcerowiak
       
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