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       # taz.de -- Kohlendioxid als Rohstoff: Ausruhen auf der CO2-Matratze
       
       > Vom Klimakiller zum Innovationstreiber. Neue Techniken zur Nutzung von
       > Kohlendioxid kommen aus der Forschung in die Anwendung.
       
   IMG Bild: Ökostrom für die Produktion des synthetischen Kaftstoffs aus Kohlendioxid und Wasser
       
       BERLIN taz | Bei der Pressepremiere in dieser Woche klemmte zwar zunächst
       der Einfüllstutzen, aber dann floss doch der „grüne Diesel“ in den Tank von
       Forschungsministerin Johanna Wankas Audi-Dienstwagen. Der synthetische
       Kraftstoff, den die Dresdner Firma Sunfire aus Wasser und Kohlendioxid
       (CO2) herstellt, war eines des Highlights der Berliner Konferenz Chemische
       Prozesse und die stoffliche Nutzung von CO2. Vom Klimakiller zum
       Innovationstreiber: Das Spurengas Kohlendioxid steht mit Forschungshilfe
       vor einer neuen Karriere als Industrierohstoff.
       
       Der schwefelfreie, synthetische Kraftstoff mit der Bezeichnung „Blue Crude“
       ist nach Aussagen von Christian von Olshausen, Technikchef bei Sunfire,
       auch beim Gebrauch besonders umweltfreundlich: „Die Eigenschaften sind
       besonders gut, weil der Kraftstoff keine Aromaten enthält. Er verbrennt
       rußfrei, weil er ganz gerade Ketten hat, was zur sehr hohen Cetanzahl 70,
       der Oktanzahl des Diesels, führt.“
       
       Der normale Tankstellen-Diesel liegt zwischen 50 und 55 Cetan. Der Bau der
       Sunfire-Demonstrationsanlage für das Verfahren „Power-to-Liquid“ (PtL)
       wurde vom Bundesforschungsministerium (BMBF) im Rahmen der
       Hightechstrategie mit 6,4 Millionen Euro gefördert. Kern des PtL-Prozesses
       ist die Hochtemperatur-Wasserdampf-Elektrolyse, die in zwei Richtungen
       funktioniert: Einerseits wird mit Ökostrom synthetischer Kraftstoff,
       Wasserstoff oder Rohölersatz erzeugt. Anderseits ist es möglich, zuvor
       gespeicherten Wasserstoff zu nutzen, um Strom für das öffentliche Stromnetz
       bereitzustellen.
       
       ## Schaumstoffmatratzen aus CO
       
       Auch bei der Herstellung von Kunststoffen kommt Kohlendioxid zu neuen
       Ehren. Der Chemie-Konzern Bayer produziert in seinem Werk in Dormagen
       Schaumstoffmatratzen, deren Grundmaterial Polyol mit einem CO2-Anteil von
       20 Prozent hergestellt wird. „Bald sind wir mit den ersten Produkten auf
       dem Markt“, berichtete Produktionsleiter Klaus Schäfer auf der Berliner
       Tagung. Für 2016 wird ein Volumen von 5.000 Tonnen Polyol angepeilt.
       
       „Das Interesse auf Kundenseite ist enorm“, so Schäfer. „Wir treffen damit
       einen Nerv der Gesellschaft.“ Auch für die CO2-Matratze gab es eine
       BMBF-Förderung mit dem sinnigen Projektnamen „Dream Production“.
       
       ## Aus Abfall werden Produkte
       
       Für Reinhard Hüttl, Leiter des Deutschen GeoForschungsZentrums in Potsdam,
       wo bisher vor allem mit der unterirdischen CO2-Deponierung (CCS – Carbon
       Dioxide Capture and Storage) experimentiert wurde, ist die Rohstoffquelle
       Kohlendioxid ebenfalls interessant: „Abfallstoffe, die für unsere
       Atmosphäre ein echtes Problem darstellen, werden zu Produkten, die das
       ersetzen, was die Probleme bereitet, zum Beispiel fossile Brennstoffe“,
       umreißt Hüttl den neuen Kreislauf.
       
       „Mit diesen Projekten schützen wir das Klima, schonen Ressourcen und
       fördern eine Technologie, die Wachstum verspricht“, erklärte Wanka.
       Gleichzeitig stellte die Forschungsministerin das neue Förderprogramm zur
       Nachhaltigkeitsforschung „Fona-3“ vor. Mit ihm sollen in den Jahren 2015
       bis 2019 Forschungsprojekte in einem Volumen von 1,5 Milliarden Euro
       gefördert werden.
       
       Hinzu kommen Geräteinvestitionen in Höhe von 600 Millionen Euro. Die Themen
       reichen von Ressourcennutzung, Schutz der Gemeinschaftsgüter Klima,
       biologische Vielfalt und Meere sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung.
       
       23 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Ronzheimer
       
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