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       # taz.de -- Kommentar Grüne Spitzenkandidaten: Ende des Basisanarchismus
       
       > Die Kandidatur für die Parteispitze wird reglementiert. Dadurch werden
       > die Grünen noch stromlinienförmiger und abhängiger von Führungskräften.
       
   IMG Bild: Bester Laune: die Parteivorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir
       
       Piraten und SPD bilden derzeit die beiden entgegengesetzten Pole der linken
       Parteienlandschaft in Sachen innerparteiliche Mitbestimmung. Die einen sind
       mit einem Zuviel an Basisdemokratie gescheitert, mit der Querulanten
       Parteitage lahmlegen konnten, die anderem mit einem System, bei dem wie bei
       der Wahl 2013 der Vorsitzende den Spitzenkandidaten im stillen Kämmerlein
       bestimmte und Parteitage anschließend brav den Weg ins Desaster abnickten.
       
       Die Grünen sind irgendwo dazwischen, mit Schlagseite zur Disziplin à la
       SPD. Wirkliche Überraschungen auf Parteitagen sind Mangelware. Man kann
       daher bedauern, dass die Grünen jetzt auch ihren letzten großen
       basisdemokratischen Anarchismus abschaffen wollen, nämlich die Möglichkeit
       für jedes Parteimitglied, sich als Spitzenkandidat zu bewerben. Natürlich
       würde die Ökopartei in Zukunft noch stromlinienförmiger, noch mehr auf die
       Wirkung der TV-Kameras ausgerichtet – und noch abhängiger von ihren
       Führungskräften.
       
       Andererseits vermittelte die bisherige Regelung ein abschreckendes,
       falsches Bild von Basisdemokratie: Eines, das suggerierte, es käme nur
       darauf an, sich zur richtigen Zeit als richtiger Mann oder richtige Frau zu
       präsentieren – ohne vorherige Absprachen und Kompromisse.
       
       Die Kandidatur einfacher Basismitglieder war auch eine
       Demokratiesimulation, die zwar Peinlichkeiten für das TV-Publikum der
       „heute-show“ produzierte, aber zugleich den Parteispitzen ermöglichte, sich
       gegenüber der eigenen Basis als professionell zu inszenieren.
       
       Für die innerparteiliche Demokratie wichtiger ist die Frage, ob es die
       Grünen auch mal wieder schaffen, einen Koalitionsvertrag abzulehnen, wenn
       sie für ein paar Brosamen SPD-Projekte wie die Hochmoselbrücke in
       Rheinland-Pfalz oder die Hamburger Olympiabewerbung mittragen sollen.
       
       16 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Reeh
       
       ## TAGS
       
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