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       # taz.de -- Prügel im Einkaufszentrum: Roma unerwünscht
       
       > Izabela und Maria berichten, sie seien in Bremen ins Krankenhaus
       > geprügelt und als „Zigeuner“ beschimpft worden.
       
   IMG Bild: Izabela und Maria wurden vom Sicherheitspersonal des Einkaufszentrums Haven Höövt schwer verletzt
       
       BREMEN taz | Mit einem Schädel-Hirn-Trauma lag die fünfzehnjährige Izabela
       drei Tage lang in einem Bremer Krankenhaus. Blutergüsse, Kopfschmerzen,
       Prellungen. Auch ihre Tante wurde für eine Nacht stationär aufgenommen,
       wegen eines angebrochenen Jochbeins. Es sei passiert, als Sicherheitsleute
       sie aus einem Einkaufszentrum warfen, erzählen sie, und, dass sie als
       „Zigeuner“ beschimpft wurden. Aber ihre Version ging bislang unter.
       
       Anders die Meldung der Polizeipressestelle: Sie fand Platz in den Gazetten
       der Stadt – und wurden online heftig kommentiert: Am Samstag, den 8. März,
       sei es im Einkaufszentrum „Haven Höövt“ im Bremer Stadtteil Vegesack zu
       einer Schlägerei gekommen, so die Polizei. Gelockt worden waren zahlreiche
       Kunden mit einem „Second-Hand-Basar“. Laut Polizei entdeckte ein
       Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes „mehrere Personen, gegen die ein
       Hausverbot bestand“: „Er zog einen Kollegen hinzu, um diese Menschen aus
       dem Haus zu geleiten. Als er sie auf das Hausverbot ansprach, eskalierte
       die Situation augenblicklich. Das Sicherheitspersonal wurde mit Tritten und
       Faustschlägen attackiert. Zusätzlich wurden sie gebissen und bespuckt.“ Die
       Polizei sei später hinzu gekommen und die Situation habe sich beruhigt,
       vier Beteiligte seien verletzt worden – soweit die kurze Nachricht.
       
       Die Internet-Kommentatoren in Bremen kennen das Shopping-Center „Haven
       Höövt“ mit seiner imposanten Glas-Fassade, das gegenüber, ja, nur einen
       Steinwurf entfernt von der „Grohner Düne“ liegt, dieser berüchtigten
       Hochhaus-Siedlung, die von einer Immobilienfirma als Spekulationsobjekt
       heruntergewirtschaftet wird und in der überwiegend Migranten und finanziell
       Abgehängte leben.
       
       Zu all dem dachten sich Online-Kommentatoren ihren Teil und schimpften:
       über „Asoziale“, und dass der Stadtteil Vegesack eben „so“ sei. Forderten
       härtere Strafen gegen „Intensivtäter“, denn: „jeder zu lasch Verurteilte
       der noch rumläuft, versaut doch wenigsten zwei Anderen mit
       Migrationshintergrund den Alltag“. Dass man „sowas Asoziales wie die hier
       nicht benötige“, schrieb eine, und dass sie „nicht ausländerfeindlich“ sei,
       aber „die direkt zurück in ihr Land geschickt“ werden sollten.
       
       ## Sicherheitsleute weisen die Tür
       
       Das „Land“ von „denen“ allerdings ist Deutschland. Izabela ist fünfzehn,
       Maria ein Jahr älter. Die Schwestern sitzen in ihrer Wohnung im zweiten
       Stock in einem der Blöcke der „Grohner Düne“. Wäre nicht einer der anderen
       Wohn-Felsen im Weg, könnten sie das Center sehen, eine Minute, dann sind
       sie da. An dem Samstag Anfang März seien sie und Maria auf dem Flohmarkt
       gewesen, erzählt Izabela. Ein paar T-Shirts hätten sie sich angeschaut, als
       zwei Sicherheitsleute ihnen die Tür wiesen, weil sie Hausverbot hätten.
       
       Tatsächlich durften die beiden dort eine Zeit lang nicht hinein: Izabela
       und Maria waren beim Klauen erwischt worden, wollten Glitzerschmuck für
       Zähne mitnehmen. Maria lächelt verschämt, wenn Izabela davon erzählt, heute
       ist es ihnen peinlich. Die Sache sei schon länger her, sagt Izabela und
       längst sei sie mit ihrer Mutter wieder dort gewesen – ohne dass die
       Wachleute etwas gesagt hätten. Der „Marktkauf“ im Center ist der
       nächstgelegene Supermarkt, alle Nachbarn kaufen dort ein.
       
       ## Schläge ins Gesicht
       
       Deshalb war Izabela überrascht: „Ich habe dem Mann gesagt, dass wir kein
       Hausverbot mehr haben“, sagt sie. Aber als sie dann dabei war, zu gehen,
       habe er sie geschubst und auch getreten, einfach so, sagt sie. Das habe sie
       sich nicht gefallen lassen – und ihn zurückgeschubst. Eins kam zum anderen.
       „Er hat an meinen Haaren gezogen und mich auf den Boden geworfen“, sagt
       Izabela. „Meiner Schwester hat er ins Gesicht geschlagen.“ Umstehende
       Passanten hätten noch gefragt, warum die Sicherheitsmänner die kleinen
       Mädchen verprügeln. „Die waren zwei Meter groß“, sagt ihre Schwester Maria.
       
       „Wir wurden wie Tiere behandelt“, sagt Maria. Und das sei nicht das erste
       Mal gewesen, von den Sicherheitsleuten kenne sie das: „Wenn sie sehen, dass
       es Roma sind, schmeißen sie die Leute fast immer raus.“ Manchmal würden die
       Sicherheitsmänner die Menschen auch verwechseln. „Dann sagen sie: ’Ihr‘
       seht ja alle gleich aus.“ Wen sie mit „ihr“ meinen? „Roma“, sagt Maria.
       „Die spekulieren darauf, dass die Leute sich nicht wehren, weil sie kein
       deutsch können.“
       
       Auch an dem Samstag sei sie rassistisch beleidigt worden. „Sie haben
       ’Zigeuner‘ gerufen, deswegen sollten wir gehen.“
       
       ## Pfefferspray ins Gesicht
       
       Als ihre 54-jährige Tante und ihr 18-jähriger Bruder aus einiger Entfernung
       sehen, was mit ihnen passiert, eilen sie hinzu. Die Sicherheitsleute
       bekommen Verstärkung. Izabela sagt, ihrer Tante sei mit irgendetwas der
       Hals abgeschnürt worden. Ihr selbst wurden die Hände gefesselt – das sieht
       man auf Fotos und auch, wie fünf Männer mit blauen Uniformen sich um
       jemanden herum aufbauen. Ihr Bruder bekommt Pfefferspray ins Gesicht. Als
       Izabela das sieht, will sie zu ihm, ein Sicherheitsmann habe sie daraufhin
       so stark gegen eine Scheibe gedonnert, dass sie ohnmächtig wurde.
       
       Erst am nächsten Tag setzte das Erbrechen ein, die Kopfschmerzen hatten
       nicht aufgehört. „Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades“, ist der ärztliche
       Befund, Handgelenksprellung und Verstauchung des Sprunggelenks. Zur
       Beobachtung verbringt Izabela drei Nächte im Krankenhaus. Fotos zeigen
       Striemen und Blutergüsse an Fuß und Handgelenken. Ihre Tante hat ein
       Schleudertrauma, Oberlidschwellungen und das angebrochene Jochbein.
       
       ## Anzeige gegen Sicherheitsleute
       
       Seit dem Vorfall ist Izabela verängstigt und geht nicht mehr gern vor die
       Tür. Gegen sie und Maria liegt eine Anzeige vor. Weil die Polizei ihnen
       dazu geraten habe, zeigten auch sie die Sicherheitsleute an. Nun suchen sie
       Zeugen, viele Menschen hätten das Geschehen beobachtet.
       
       Die Sicherheitsfirma will sich „wegen des laufenden Verfahrens“ zu dem
       Vorfall nicht äußern. Allgemein würden rassistische Beleidigungen nicht zur
       Firma passen, sagt ein Unternehmenssprecher, die mehreren Tausend
       Mitarbeiter kämen aus über 100 Nationen. Hausverbote würden immer nur im
       Auftrag des Hausherren durchgesetzt. In diesem Fall wäre das das Center
       Management des Haven Höövt. Doch das verweist zurück an die
       Sicherheitsfirma.
       
       6 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jean-Philipp Baeck
   DIR Radek Krolczyk
       
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