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       # taz.de -- Trend zu Kleidung mit Fell: Mode rückt Tieren auf den Pelz
       
       > Vegane Mode liegt zwar im Trend – aber dennoch werden auch immer mehr
       > Pelze verkauft. Sind Kunstpelze ein guter Kompromiss?
       
   IMG Bild: Egal, ob Echtpelz oder Kunstpelz – sieht in diesem Fall panne aus: Designer Patrick Mohr mit Pelz bei der Verleihung des Musikpreises Echo in Berlin
       
       BERLIN taz | „Feel good“-Fashion wollen Sandra und Anja Umann machen. Und
       das beziehen sie nicht nur auf die Kunden: Sie verwenden nur Stoffe aus
       Algen, Soja, Buche oder Eukalyptus. Wolle, Kaschmir und Leder, für die
       Tiere leiden müssen, sind tabu. Pelz sowieso. Die Mode der
       Zwillingsschwestern ist vegan.
       
       Ein Massenprodukt ist Mode ohne tierische Produkte noch nicht, aber die
       Umanns sind fest davon überzeugt, dass sie sich am Markt durchsetzen wird,
       wenn das Design stimmt. Viele namhafte Designer wie die „Queen of Punk“
       Vivienne Westwood oder Beatles-Tochter Stella McCartney gehen voran.
       
       Stylist Armin Morbach, der die Tierrechtsorganisation Peta bei der Auswahl
       tierproduktfreier Labels für den "Vegan Fashion Award" beraten hat, liefert
       das ethische Argument dazu: „Man sollte sich überlegen, ob man seine Katze
       umbringt und im Nacken trägt.“
       
       Tatsächlich berichten auch unabhängige Beobachter, dass sich immer mehr
       Menschen bewusster ansehen, wo ihre Kleidung herkommt, woraus und wie sie
       hergestellt ist. Umso überraschender ist es, dass es zugleich einen
       weltweiten Boom bei den lange verpönten Echtpelzen gibt. Von 2002 bis 2012
       ist der Umsatz von 10 auf mehr als 15 Milliarden US-Dollar gestiegen, wie
       die International Fur Federation mitteilt.
       
       ## Boom in China
       
       „Das liegt vor allem an Asien“, sagt Marius Tünte, Pressesprecher des
       Deutschen Tierschutzbunds. Und dort vor allem an China. Nach den letzten
       verlässlichen Zahlen wurden dort 2009 mehr als 70 Millionen Tiere auf
       Farmen gehalten. Vor allem aber ist China der größte Importeur von
       Fellprodukten. Denn die allermeisten Pelze kommen laut der European Fur
       Breeders Association (EFBA) immer noch aus Europa. Allein in den
       Mitgliedstaaten der EFBA gibt es über 7.000 Pelzfarmen.
       
       Und auch in Europa hat sich der Pelz wieder in der Mode etabliert: als
       Accessoire, als Kragen, Besatz oder Bommel auf den beliebten Strickmützen.
       Ein geschickter Schachzug der Industrie, finden Tierschützer. „Dadurch hat
       Pelz eine viel größere Zielgruppe bekommen, als der klassische Pelzmantel
       je hatte“, sagt Hendrik Haßel von der Tierrechtsgruppe Animal Equality.
       Inzwischen machen die Kleinteile mehr als die Hälfte des gesamten Umsatzes
       mit Pelzwaren aus.
       
       In der kalten Jahreszeit profitieren auch Modehäuser davon: Sie werben mit
       „kuscheliger, warmer Wintermode“ für Pelze. Mit Erfolg. „Dahinter steckt
       eine Gefühlssehnsucht“, sagt der Trendforscher Peter Wippermann. Pelz also
       als äußerliche Ersatzbefriedigung für innere Wärme? Echtpelz wird wieder
       als etwas Natürliches wahrgenommen, während fake fur häufig als Plastikmüll
       verpönt ist. So verteidigt auch der italienische Designer Quentin Veron
       seine Echtpelz-Kollektionen: „Wir sollten nicht vergessen, dass Kunstfell
       die Umwelt verschmutzt und damit viele Tiere tötet.“
       
       ## Tierleid und Chemie
       
       Was bei der Produktion von Echtpelz aber nicht berücksichtigt oder
       unterschlagen wird: Tierleid und Chemie. Tierrechtlern zufolge kann das
       Töten von Tieren nicht nachhaltig im Sinne „grüner Mode“ sein. Zudem
       müssten die Felle chemisch behandelt werden, um deren Verfaulung
       vorzubeugen. Das sei weder natürlich, noch biologisch abbaubar. Die dabei
       freigesetzten Giftstoffe schadeten sowohl Arbeitern in Pelzfarmen, als auch
       Verbrauchern. Vorwürfe, die die Branche regelmäßig zurückweist.
       
       Kunstpelz ist genauso kuschelig wie Echtpelz. Diese Analogie kann
       allerdings fatale Folgen haben: Die Verwechselbarkeit und Betrugsskandale.
       Kunstpelze haben inzwischen eine so hohe Qualität, dass der billig
       produzierte Echtpelz aus China häufig als Kunstpelz verkauft wurde. So
       haben die Drogeriemarktkette Müller und die Modekette Tom Tailor vor etwas
       über einem Jahr ihre Mützen aus dem Sortiment genommen, da es sich bei dem
       Besatz um Pelz von Marderhunden handelte.
       
       Zwar muss Echtpelz – sperrig formuliert – als „textiler Bestandteil
       tierischen Ursprungs“ gekennzeichnet werden, umfassende Angaben zu Tierart
       und Herkunft lehnte der Deutsche Bundestag im Oktober jedoch ab.
       
       Um Verwechselungen dennoch zu vermeiden, gibt es einige altbewährte Tricks.
       Zieht man beispielsweise die Härchen des Fells auseinander, sieht man
       entweder einen echten Lederansatz oder Kunststoff. Tierschützer raten
       allerdings dazu, die Finger von Produkten zu lassen, bei denen man sich
       unsicher ist, ob es sich um Echt- oder Kunstfell handelt.
       
       ## Siegel für „gute“ Pelze?
       
       Ließe sich mit einem Siegel Abhilfe schaffen? Susanne Kolb-Wachtel vom
       Wirtschaftsverband Deutsches Pelzinstitut nennt das finnische „Certified
       Farm Label“ und das „Origin Assured Label“ für Wild- und Farmfelle, die aus
       Ländern kommen, wo es Tierschutzgesetze gebe. Tierschützer sehen in den
       Siegeln allerdings einen Marketingtrick, Tierleid zu rechtfertigen. Peta
       und die finnische Organisation Oikeutta eklaimille stellten Recherchen zu
       den Labels an und dokumentierten immer wieder ausgeprägte Krankheiten,
       Kannibalismus und Selbstverstümmelungen der Tiere.
       
       Die einfachste Art, das Tierleid zu vermeiden, folgt letztlich dem Zitat
       des Zoologen Bernhard Grzimek: „Der einzige, der einen Ozelotpelz wirklich
       braucht, ist der Ozelot.“
       
       2 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sonja Esmailzadeh
       
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