URI: 
       # taz.de -- Zehn Jahre „Fefes Blog“: Die Hassmaschine der Arschlochnerds
       
       > „Fefes Blog“ ist diskursmächtig. Und ein Problem. Es ist das Leitmedium
       > für den reaktionär-ignoranten Teil der männlichen deutschen Netzszene.
       
   IMG Bild: Happy Birthday, Fefe!
       
       Dies ist die gekürzte Fassung des Originalbeitrags, der [1][auf mspr0.de
       erschienen ist] und der mit detaillierteren Beispielen arbeitet. Viele
       weitere mehr oder weniger kritische Geburtstagsreden sind direkt auf Fefes
       Blog erschienen, unter anderem von [2][Markus Beckedahl], [3][Julia
       Seeliger], taz-Mitarbeiter [4][Mathias Broeckers] und [5][Frank Rieger]. 
       
       Fefe hat auch mich gefragt, zum zehnjährigen Geburtstags seines Blogs eine
       Kritik zu schreiben. Ich habe Fefe freundlich geantwortet, dass ich es
       ablehne auf seinem Blog publiziert zu werden. Denn ich halte sein
       publizistisches Schaffen für ein Problem.
       
       Stefan Niggemeier [6][wehrt sich seit Jahren] gegen die „ironische“ Lesart
       der Bild, die sich in unserer auf- und abgeklärten Hipsterwelt breit
       gemacht hat. Ähnlich geht es mir mit den „Ich lese Fefe ja nur wegen dem
       Sportteil“-Gewitzel in der Netzszene. Um das hier klar zu sagen: Ich lese
       Fefe nicht, und zwar wegen seiner mangelnden journalistischen, moralischen
       und diskursethischen Integrität. Wer ihn dennoch liest, kann von mir nicht
       erwarten, dass ich sie oder ihn noch irgendwie ernst nehme.
       
       Weil das Phänomen Fefe aber ein diskursmächtiges ist und aus meiner Sicht
       auch das Hauptproblem der deutschen Netzszene, will ich meine Ablehnung
       etwas ausführlicher begründen.
       
       Fefe hat eine gewisse Strukturähnlichkeit mit dem
       [7][Konservativen-Feuilleton-Man], allerdings mit noch weniger Ahnung und
       einer ganz besonderen Aversion gegen Recherche. Fefe ist zu faul zum
       Recherchieren, hat von nichts ne Ahnung, aber zu allem ne Meinung. Und wenn
       sich seine reaktionäre Sicht auf die Welt mit seiner aggressiven Ignoranz
       paart, wird es besonders schlimm.
       
       ## Mehr als der Mensch, mehr als das Blog
       
       Fefe kennt seine Wirkung. Durch Refefe (ein ehemaliges Projekt von Linus
       Neumann, das Fefes Inhalte gespiegelt und mit einer Kommentarfunktion
       ausgestattet hat), weiß er, was er für Leser hat und wie die so drauf sind.
       Sein Post [8][über die Sprachversuche der Gender Studies] hat unter anderem
       einen enorm unangenehmen Shitstorm gegen die Macher/innen losgetreten, der
       vor allem auf [9][Lann Hornscheidt] niederprasselte. Fefe ist mehr als der
       Mensch, es ist mehr als das Blog. Zusammen mit seinem Lesermob ist es eine
       Hassmaschine.
       
       All die oben beschriebenen Eigenschaften von Fefe reichen weit über sein
       Blog hinaus. Fefe ist das Leitmedium von ahnungslosen,
       reaktionär-ignoranten Arschlochnerds. Würde man von einer Bewegung
       sprechen, müsste man [10][#Gamergate] dazurechnen, aber weil ich mich hier
       auf Deutschland beziehe, nenne ich sie „Fefisten“.
       
       Immer wenn ich mich über die Dummheit eines Fefe-Artikels aufrege, kommt
       von irgendwo ein Nerd daher, der mir erzählt, was für ein supertoller
       Oberchecker Fefe doch sei, von welcher herausragenden Qualität sein Code
       sei und dass er doch die superpraktische XYZ-Bibliothek geschrieben habe.
       Und dann rolle ich die Augen, denn genau hier liegt der Urgrund des
       Fefismus. Dafür muss ich etwas ausholen.
       
       Programmiersprachen sind komplex. Es dauert lange, sich in eine
       einzuarbeiten. Betriebssysteme sind komplex. All ihre verwinkelten
       Verzeichnisse, Prozesse und Configdateien zu kennen und zu wissen, was sie
       tun, ist eine langwierige Aufgabe. IT-Security ist ein hochkomplexes Feld,
       mit vielen Fallstricken und tausend Dingen, die man falsch machen kann.
       
       ## Überzeugt von der eigenen Kompetenz
       
       Es gibt aber einige Leute, die haben sich dieses Wissen in einem
       erstaunlichen Maße angeeignet. Wir nennen sie „Nerds“ oder „Experten“ und
       die meisten von uns haben eine gewisse Ehrfurcht vor diesen Menschen, weil
       sie Dinge können und verstehen, die einige von uns nicht verstehen. Und
       manchmal haben diese Nerds dann auch selbst dieses Bild von sich: Dass sie
       Dinge verstehen, die andere nicht verstehen, macht sie, wie sie finden,
       kompetent auf eine gewisse, allgemeine Weise.
       
       Und dann blicken sie auf die Welt, sehen politische Prozesse, sehen die
       Medienberichterstattung, sehen kriegerische Konflikte, sehen menschliche
       Interaktion und rufen:
       
       „Das ist doch alles ganz klar! So und so einfach ist die Welt!“
       
       Das Ganze hat aber einen Haken. Programmiersprachen sind nicht komplex. Es
       ist jedem möglich sie innerhalb eines Jahres komplett zu verstehen.
       Betriebsysteme sind nicht komplex. In jedes Betriebsystem kann man sich
       relativ schnell einfuchsen, wenn man ein, zwei gesehen hat. IT-Security ist
       nicht komplex. Es ist eine abzählbare Menge an Dingen, die man beachten
       muss und ein paar Denkkonzepte, die man lernen kann.
       
       All das ist verstehbar und sogar restlos verstehbar. Ein Computer ist eine
       determinierte Maschine, das heißt, sie ist zwar relativ komplex, aber
       endlich in dem, was sie tun kann, und somit ist sie intellektuell komplett
       erschließbar.
       
       ## Diese verdammte Komplexität
       
       Und genau hier liegt der Unterschied zur restlichen Welt. Politik ist
       scheißenochmal komplex. Menschliche Interaktion ist megakomplex und die
       sich daraus ergebenden Konflikte ebenfalls. Egal wie sehr sich jemand in
       diese Dinge einfuchst, sie werden niemals restlos verstehbar sein. Die
       meisten von uns haben sich an diesen Umstand gewöhnt. Er fordert uns jeden
       Tag eine gewisse Demut ab, eine gewisses Zurückzucken, bevor man Dinge
       endgültig bewertet. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir niemals über
       vollständige Informationen verfügen, dass es Zufälle gibt und dass manche
       Dinge eben über den eigenen Horizont reichen und immer reichen werden.
       
       Wir haben deswegen wissenschaftliche Fachbereiche für diese Dinge
       eingerichtet, die komplizierte Theorien aufstellen, die immer im Ungefähren
       argumentieren müssen und niemals mathematisch beweisbar sein werden. Die
       aber Annäherungen finden, in mühevoller Arbeit und teils jahrhundertelangen
       Diskursen.
       
       Aber das interessiert Fefisten nicht.
       
       Sie können sich damit nicht abfinden, Dinge nicht restlos verstehen zu
       können, denn sie sind intellektuell in Welten geprägt worden, die restlos
       verstehbar sind. Mit dem Überlegenheitsgefühl aus ihrer kleinen
       unterkomplexen Welt gehen sie also die Probleme der Menschheitsgeschicke an
       und unterwerfen sie ihrer eingeschränkten Systemlogik. Das ist der Kern der
       Nerdsupremacy und gleichzeitig ihres Denkfehlers. Bei Fefe kann man das gut
       beobachten. Seine Systemlogik sieht in etwa wie folgt aus:
       
       Irgendwo sind immer die bösen Menschen (die Amis/die Israelis/die da oben)
       dabei sich zu verschwören, um die Welt an sich zu reißen oder zumindest
       doofe Appleprodukte zu bewerben. Aber die Bösen sind auch – da kommt ihr
       nie drauf – superduper dumm und können gar nicht mit Technik umgehen
       (HAHAHA!), haben RIESEN- Security-Holes in ihren
       Betriebsystemen/Protokollen/ihrer Krypto (HAHAHA!) und deswegen klappt ihr
       evil Plan immer nicht. (HAHAHA!) 
       
       Gut, dass es gute Hacker gibt (CCC und so!), die dann das schlimmste
       verhindern und aufdecken! Wenn die nicht wären, würden die Amis/die
       Israelis/die da oben einfach durchregieren, was sie bereits machen, die
       Schweine! 
       
       Und dann gibt es noch die, die eigentlich auf der richtigen (unserer!)
       Seite sein müssten, aber ständig von den wirklichen Bösen (die Amis/die
       Israelis/die da oben) ablenken: nämlich die Feministinnen mit ihrem
       Genderwahnsinn! Und die Linken, mit ihren ganzen Theorien! Also die
       Antifas, Antiras, die irgendwie anders links sind als Fefe! So mit Diskurs
       und son Quatsch! 
       
       Damit wären ca. 90 Prozent aller Fefeposts abgedeckt. Das ist auch der
       Grund, warum Fefe noch die größten rechten Spinner wie Ken Jebsen [11][als
       wichtigen Debattenbeitrag ansieht]. Und deswegen besteht beim Fefismus auch
       immer eine gewisse Überschneidung zu den Querfrontlern. Das macht den
       Fefismus, neben den ganzen Unannehmlichkeiten durch seine Shitstormhorden,
       gefährlich.
       
       Die Nerdszene leidet extrem unter dem Fefismus. Es wird Zeit, dass es in
       ihr zu einer Form der Selbstaufklärung kommt.
       
       Nein, ihr seid keine Genies, weil ihr Euren Kernel selbst kompiliert. Nein,
       ihr habt die Welt nicht verstanden, weil ihr wisst, wie man eine
       Playstation hackt. Nein, ihr habt nicht den Durchblick, weil ihr die Welt
       in eure Schablonen presst. Nein, ihr seid nur ignorante, reaktionäre
       Arschlöcher, wenn ihr das glaubt, und dann seid ihr das Problem – und nicht
       die Lösung.
       
       31 Mar 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://mspr0.de/?p=4272
   DIR [2] http://blog.fefe.de/?ts=abe4ccf3
   DIR [3] http://blog.fefe.de/?ts=abe4cf51
   DIR [4] http://blog.fefe.de/?ts=abe4d771
   DIR [5] http://blog.fefe.de/?ts=abe73d0d
   DIR [6] http://www.spiegel.de/netzwelt/web/bild-blogger-stefan-niggemeier-den-grossen-vors-schienbein-treten-a-478471.html
   DIR [7] http://kleinerdrei.org/2014/02/die-abenteuer-von-konservatives-feuilleton-man-ein-exklusives-interview/
   DIR [8] http://blog.fefe.de/?ts=addeacc3
   DIR [9] http://www.lannhornscheidt.com/
   DIR [10] /!147613/
   DIR [11] https://krautreporter.de/256--die-alten-haben-keinen-grund-eine-revolution-zu-machen
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Seemann
       
       ## TAGS
       
   DIR Diskurs
   DIR Nerds
   DIR Computerspiel
   DIR Krautreporter
   DIR Agenten
   DIR Games
   DIR Heartbleed
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Studie zu sexistischen Gamern: Die bösen Loser
       
       Jetzt ist es raus: Vor allem erfolglose Männer neigen dazu, Frauen zu
       beleidigen. Das zeigt eine Studie mit dem Videospiel „Halo 3“.
       
   DIR Ein Jahr „Krautreporter“: „Gute Recherche ist Mangelware“
       
       Die Macher des Onlineportals sind zufrieden. Mit dem Berliner „Correctiv“
       sammelt die lokale Konkurrenz gerade Geld ein.
       
   DIR Hackerauflauf in Berlin: Codename Satzungsänderung
       
       Seit Ex-Agenten, Whistleblower und Hacker Berlin als neues Mekka feiern,
       treibt auch die Vereinsmeierei neue Blüten. Langsam wird es eng.
       
   DIR Sexismus in der Gamerszene: Die Prinzessin rettet den Troll
       
       Die Videospielewelt ist von Sexismus geprägt. Wer darauf hinweist, kann
       Probleme bekommen. Es sollten mehr Frauen in die Spieleentwicklung.
       
   DIR Sicherheitslücke „Heartbleed“: Eine Backdoor ist keine Backdoor?
       
       Nach dem Fehler in der Verschlüsselungssoftware OpenSSL spekulieren
       Experten, ob bewusst eine Hintertür geschaffen wurde. Etwa für
       Geheimdienste.
       
   DIR Onliner und Offliner: Wer sind diese Netzkinder?
       
       Auf der einen Seite: Die Digital Natives, die Zauberer des 21.
       Jahrhunderts. Auf der anderen Seite die Offliner, Kulturbewahrer, die
       Etablierten. Eine Annäherung.