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       # taz.de -- Atomausstieg: Niemand will den Strahlenschrott
       
       > Atommeiler stillzulegen, ist einfach, sie zu entsorgen, ist ein Problem.
       > Niemand weiß, wo der Abfall hin soll. Im Norden hat die Suche nach
       > Deponien begonnen.
       
   IMG Bild: Wohin mit dem Schrott aus dem stillgelegten AKW Krümmel? „Derzeit können wir Ihre Fragen nicht einmal im Ansatz beantworten.“
       
       HAMBURG taz | Robert Habeck macht sich keine Illusionen. Mit dem
       Atomausstieg sei das Thema Atommüll noch lange nicht erledigt. „Das
       beschäftigt uns noch Jahrzehnte“, sagte Schleswig-Holsteins grüner Energie-
       und Umweltminister vor zwei Wochen zum vierten Jahrestag der
       Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima. Wie sehr dabei die Frage der
       Entsorgung von Atommeilern erst am Anfang steht, verdeutlichen nun
       Recherchen des NDR.
       
       Danach ist kaum ein deutscher Landkreis auf die Entsorgung von
       AKW-Bauschutt vorbereitet. Von 14 Landkreisen, die von den Autoren Nils
       Naber und Ingo Thöne für das Politmagazin Panorama 3 befragt wurden,
       konnten lediglich vier zumindest eine theoretische Antwort geben. So teilte
       Matthias Sturm, Pressesprecher des Landkreises Wesermarsch, Panorama 3 auf
       Anfrage schriftlich mit, dass derzeit geprüft werde, „ob eine Deponie im
       Kreisgebiet für die Entsorgung in Betracht kommt“. Sollte keine
       aufnahmebereite Deponie zur Verfügung stehen, sei Eon als Betreiber des
       2011 stillgelegten Atommeilers Unterweser verpflichtet, „die anfallenden
       Abfallstoffe in eigener Verantwortlichkeit zu beseitigen“ – wo auch immer.
       
       In jedem Atomkraftwerk sind hunderttausende Tonnen Beton verbaut. Nur ein
       kleiner Teil im Innern der Anlage kommt jedoch mit Radioaktivität in
       Berührung. Abbau und spätere Endlagerung der radioaktiv belasteten
       Kraftwerksteile wie der Brennelemente oder des Reaktordruckbehälters sind
       nach dem Atomgesetz geregelt. Der weitaus größte Teil des Bauschutts kann
       uneingeschränkt wiederverwertet werden, zum Beispiel für Autobahnen.
       
       Ein kleinerer Teil des Bauschutts, je nach Anlagengröße 3.000 bis 6.000
       Tonnen, erhält aufgrund seiner Strahlenbelastung nur eine eingeschränkte
       Freigabe. Dieser Bauschutt darf nicht in die Wiederverwertung gelangen. Er
       fällt unter das Abfallwirtschaftsgesetz und muss auf Deponien gelagert
       werden. Verantwortlich dafür sind die Landkreise.
       
       Am weitesten fortgeschritten ist der Rückbau des 2003 stillgelegten
       Atommeilers Stade. Dessen Bauschutt wurde zunächst auf einer Deponie im
       nahen Heidekreis untergebracht. Nach Anwohnerprotesten erfolgte jedoch ein
       Annahmestopp. Daraufhin wurde der Müll nach Sachsen transportiert, doch
       auch hier protestierten Anwohner. Welche Möglichkeiten in den nächsten
       Jahren zur Verfügung stünden, „kann von hier aus nicht prognostiziert
       werden“, so die Auskunft des Landkreises Stade.
       
       Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne), der sich um fünf
       Atomkraftwerke sorgen muss, konstatiert ein „Akzeptanzproblem“. Gegenüber
       Panorama 3 sagt Wenzel: „Wir haben hier ein Problem, was beim Bau der
       Atomkraftwerke überhaupt nicht im Blick gewesen ist, nämlich dass am Ende
       auch alles wieder rückgebaut werden muss. Und dass für jedes einzelne
       Teilchen ein Ort für eine nach menschlichem Ermessen sichere Lagerung
       gefunden wird.“
       
       Sein Kieler Amtskollege und Parteifreund Habeck warnt derweil vor
       überzogenen Hoffnungen. Es könne noch mehr als 30 Jahre dauern wird, bis
       ein Atommüllendlager in Betrieb genommen werden kann. Zudem hat das
       Bundesverwaltungsgericht im Januar die Genehmigung für ein atomares
       Zwischenlager am AKW Brunsbüttel gekippt. Nun dürfen hoch radioaktive
       Brennelemente nicht länger dort verbleiben; auch für die bislang neun
       Castorbehälter, die auf dem Gelände des Atomkraftwerks gelagert werden,
       muss eine andere Lösung gefunden werden. Das mache den Zeitplan für den
       Rückbau von Atomkraftwerken und somit auch für den zu entsorgenden kaum bis
       gering belasteten Bauschutt unter Umständen zunichte, so Habeck.
       
       Und deshalb kann denn auch der Kreis Herzogtum Lauenburg gegenüber Panorama
       3 im Hinblick auf den stillgelegten Atomreaktor Krümmel mitteilen: „Derzeit
       können wir Ihre Fragen nicht einmal im Ansatz beantworten.“
       
       ## Panorama 3: Dienstag, 31. März 2015, 21.45 Uhr, NDR Fernsehen
       
       30 Mar 2015
       
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   DIR Sven-Michael Veit
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