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       # taz.de -- Qualifikation Fußball-EM: Die richtigen und anderen Schweizer
       
       > Der Sieg der Schweiz gegen Estland wird Nebensache. Verteidiger Stephan
       > Lichtsteiner irritiert mit Aussagen über Spieler mit
       > Migrationshintergrund.
       
   IMG Bild: Auf dem Platz herzt der „Nati“ Stephan Lichtsteiner (l.) den „Secondo“ Granit Xhaka
       
       LUZERN taz | Vor dem EM-Qualifikationsspiel der Schweiz gegen Estland
       (Endstand 3:0) am Freitagabend im schönen Luzern am Vierwaldstätter See gab
       es an den Imbiss-Ständen Raclette, während der 93 Spielminuten spielten die
       Marschkapellen ab und an verhalten den Volksmusik-Klassiker „Sierre Madre“,
       und die typische Anfeuerung „Hopp Schwiiz“ kam nur selten lautstark zum
       Ausdruck. Man darf sagen: Die 14.500 Fans waren eher zurückhaltend.
       
       Ob die fehlende Euphorie um die „Nati“ daran liegt, dass immer mehr
       sogenannte Secondos in der Schweizer Mannschaft spielen? Diese Frage stellt
       vor allem der Boulevard derzeit. Secondos nennen die Schweizer die
       Nachgeborenen der Eltern und Großeltern ihrer Einwanderer.
       
       Losgetreten hatte die Debatte Stephan Lichtsteiner. Der Rechtsverteidiger
       von Juventus Turin hatte vergangene Woche die Nichtnominierungen von Pirmin
       Schwegler (Hoffenheim) und Tranquillo Barnetta (Schalke) kritisiert. „Es
       ist extrem wichtig, dass wir auf unsere Identifikationsfiguren aufpassen“,
       erklärte Lichtsteiner in einer Medienrunde. Barnetta hatte sich beschwert,
       nicht vom Trainer über seine Nichtnominierung informiert worden zu sein,
       Schwegler gar verärgert seinen Rücktritt erklärt.
       
       Und dann sagte Lichtsteiner noch: „Mir geht es nicht um richtige Schweizer
       und die anderen Schweizer, sondern darum, dass sich das Volk weiter mit der
       Nationalmannschaft identifizieren kann.“ Dieser Satz könnte auch aus dem
       Mund eines Sprechers der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei
       stammen.
       
       ## Trennlinien in der Team-Hierarchie
       
       Freitagabend standen acht sogenannte Secondos in der Startelf, neben
       Kapitän Gökhan Inler auch Johan Djourou, Granit Xhaka, Valon Berahmi,
       Xherdan Shaqiri, Ricardo Rodriguez, Haris Seferovic und Josip Drmic. Früher
       waren Secondos wie die Yakin-Brüder Murat und Hakan in der Stammelf eine
       Minderheit, die Trennlinien innerhalb der Team-Hierarchie verliefen eher an
       den Sprachgrenzen zwischen den Französisch parlierenden Romands und den
       Deutschschweizern.
       
       Lichtsteiners Äußerungen befeuerten die Debatte um das Innenleben im
       Schweizer Team. Spieler wie der in Gladbach und im Nationalteam derzeit
       überragend spielende Granit Xhaka, 22, in Basel geboren und Sohn eines
       Albaners, oder Wirbelwind Xherdan Shaqiri von Inter Mailand, 23, im
       heutigen Kosovo geboren und in Basel groß geworden, steigen qua ihrer
       Leistung immer höher in der Teamhierarchie.
       
       Ihr Selbstvertrauen ist so groß wie ihr Ehrgeiz, in den nächsten Jahren mit
       der Schweiz erfolgreich zu sein. Xhaka sagte am Freitag, er sei von der
       ganzen Diskussion überrascht. Ob Schwegler oder Barnetta spielten oder
       nicht, habe nichts mit den Secondos zu tun, erklärte er. Und ob einer eine
       Heimat oder zwei Heimaten habe, sei doch egal: „Wir sind Profis und wollen
       unseren Job machen.“
       
       ## „Jedem seine eigene Sache“
       
       Haris Seferovic, 23, von Eintracht Frankfurt, in Sursee geboren und
       bosnischer Abstammung, sagte, er wolle der Schweiz etwas zurückgeben.
       Ansonsten reagierte der Torschütze zum 3:0 gegen Estland genervt auf die
       Diskussion, Lichtsteiners Aussagen seien ihm egal, erklärte er patzig in
       Schwiizerdütsch: „Es ist jedem seine eigene Sache, seine Meinung zu sagen,
       mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“
       
       Trainer Vladimir Petkovic sagte, Lichtsteiner habe seine Meinung zum
       falschen Zeitpunkt geäußert; dies habe er dem Spieler in einem anderthalb
       Stunden langen Gespräch „über alle möglichen Themen“ mitgeteilt.
       Unterschwellig stand in der Debatte auch der in Sarajevo geborene Petkovic
       am Pranger, nach dem Motto, er bevorzuge Secondos. Allerdings goutierten
       viele Experten die Nichtnominierungen Schweglers und Barnetta.
       
       Und Stephan Lichtsteiner? Seine Aussagen seien keine Kritik am Trainer,
       behauptete er. Er habe in dieser Sache einfach eine andere Auffassung – und
       die könne er in einem Land, in dem die Meinungsfreiheit gelebt werde, ja
       äußern. Und überhaupt: „Das ist eine super Mannschaft. Die Jungs wissen,
       dass ich alles für sie mache. Und ich weiß, dass ich alles für sie mache.“
       Die ganze Aufregung sei für ihn unverständlich. Doch eher waren dies die
       zündlerischen Aussagen eines verbissenen Routiniers, dessen Einfluss in der
       Kabine klein zu sein scheint. Zur Integrationsfigur taugt Stephan
       Lichtsteiner, 31, in dieser Mannschaft eher nicht mehr.
       
       29 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schächter
       
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