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       # taz.de -- IS wirbt um deutsche Muslima: Junge Frauen und der Dschihad
       
       > Die Terrorgruppe IS wirbt offensiv um junge Deutsche - mit Erfolg. Der
       > Verfassungsschutz beobachtet mit Sorge, wie Terroranhängerinnen nach
       > Syrien gehen.
       
   IMG Bild: Kämpfe von irakischer Armee gegen den Islamischen Staat
       
       BERLIN dpa | Die junge Frau veränderte sich schnell. Sie ging auf einmal
       oft in die Moschee, las Bücher über den Islam, fing an, sich zu
       verschleiern. Sie begann, die Eltern zu kritisieren für deren liberalen
       Lebensstil, suchte im Internet nach neuen Vorbildern und tauchte tief in
       die salafistische Szene ein. In einer Facebook-Gruppe lernte die Muslimin
       zwei andere junge Frauen kennen, die ihr vom Leben im Islamischen Staat
       vorschwärmten und ihr einflüsterten, auch sie müsse diesen Weg gehen. Ein
       paar Wochen später verschwand sie aus ihrem Elternhaus in Deutschland -
       Richtung Syrien.
       
       „Die junge Frau hat ins 'Beuteschema' gepasst. Die IS-Propaganda hat sie
       angesprochen“, sagt Florian Endres von der Beratungsstelle Radikalisierung
       beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Bei ihm und seinem Team
       landete der Fall der jungen Muslimin. „Sie wollte mithelfen, den
       Islamischen Staat aufzubauen, und Teil der neuen Elite werden“, erzählt er.
       „Und sie hatte die romantisierte Vorstellung, einen Mudschaheddin zu
       heiraten. Die Dschihadisten werden im Internet zum Teil wie Popstars gehypt
       und von einigen jungen Frauen regelrecht angehimmelt.“
       
       Bei Endres und seinem Team können sich besorgte Angehörige melden, wenn sie
       bei ihren Söhnen, Töchtern oder Enkeln Veränderungen feststellen und Angst
       haben, dass sie in die Islamisten-Szene abdriften. In 20 Prozent der Fälle
       geht es um Mädchen und Frauen.
       
       Auch die Eltern der verschwundenen jungen Muslimin suchten hier Rat. Sie
       hatten Glück. Ihre Tochter meldete sich knapp zwei Wochen nach der
       Ausreise. Sie wartete in einem Frauenhaus der Islamisten an der
       türkisch-syrischen Grenze darauf, weiterzureisen nach Syrien. Dort sollte
       sie die Drittfrau eines IS-Kämpfers werden. Doch beim Warten kamen ihr
       Zweifel. Sie fühlte sich unwohl in der neuen Umgebung, rief ihren Bruder
       an. Und der Familie gelang es, die junge Frau nach Deutschland
       zurückzuholen. Andere verschwinden für immer.
       
       ## Burka statt Minirock - warum?
       
       Kürzlich wurde der Fall einer 16-Jährigen aus München bekannt, die von
       Zuhause ausriss - wohl zur Terrortruppe IS. Auch eine 15-Jährige aus
       Sangerhausen in Sachsen-Anhalt soll sich dorthin auf den Weg gemacht haben.
       Teenager-Mädchen tauschen Miniröcke und Flirtereien gegen Burka und ein
       streng religiöses Leben im Kriegsgebiet. Warum?
       
       „Oft sind das junge Frauen, die in unserer Gesellschaft überfordert sind
       und in einer persönlichen Schieflage stecken“, sagt der
       Islamwissenschaftler Marwan Abou-Taam, der für das Landeskriminalamt
       Rheinland-Pfalz arbeitet. „Sie geraten dann in die Fänge von Menschen, die
       ihnen einfache Antworten liefern.“
       
       Unter den rund 650 Islamisten aus Deutschland, die bislang nach Syrien und
       in den Irak ausreisten, sind mehr als 70 Frauen. Fast 40 Prozent von ihnen
       seien jünger als 25 Jahre, darunter auch neun minderjährige Mädchen, sagt
       Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. „Wir beobachten mit Sorge, dass
       sich die Propaganda der IS zunehmend an junge Frauen und Mädchen richtet.“
       
       ## Gezielte IS-Propaganda
       
       Der IS-Propaganda-Apparat bietet im Internet spezielle Blogs und Foren für
       Frauen an - und eigene Reiseführer für ihren Weg ins Kalifat. „Junge
       Mädchen, die sich im Internet als IS-Sympathisantinnen zu erkennen geben,
       werden gezielt kontaktiert, um sie zu einer Ausreise und späteren Heirat
       mit einem Dschihadisten zu bewegen“, sagt Maaßen. „Mittlerweile existieren
       sogar Tagebücher in sozialen Netzwerken mit romantischen Schilderungen von
       dem Leben dort. Es wird ihnen ein idyllisches Leben vorgegaukelt.“
       
       Die Terrormiliz Islamischer Staat braucht Untertanen, sie braucht Nachwuchs
       und Ehefrauen für ihre Kämpfer. „Viele Frauen haben in Syrien und im Irak
       die Aufgabe, ihrem Mann den Rücken zu stärken, sich um die Hausarbeit zu
       kümmern und kleine Dschihadisten heranzuziehen“, sagt Abou-Taam.
       
       Viele Islamistinnen, die dort hingingen, kämen aus sozial schwachen,
       bildungsfernen Milieus. „Es gibt aber auch studierte Frauen, die in den
       Dschihad ziehen. Sie sind beim IS besonders gefragt und übernehmen Aufgaben
       in der Verwaltung des Kalifats.“ All diese Organisationen kämen ohne Frauen
       gar nicht mehr aus. „Wir haben uns bei dem Thema zu lange zu sehr auf die
       Männer fixiert“, sagt er.
       
       ## Traum endet oft bitter
       
       In der IS-Hochburg Al-Rakka in Syrien gibt es auch eine weibliche
       Kampfeinheit der Terrormiliz: die Al-Chansaa-Brigade, die „Gazellen“. In
       Videos sind die verschleierten Frauen zu sehen, wie sie mit Kalaschnikows
       durch die Straßen der Stadt patrouillieren. Sie sollen die Einhaltung
       islamischen Rechts unter Frauen kontrollieren.
       
       Und Selbstmordattentäterinnen? Einige Islamisten aus Deutschland und Europa
       sprengten sich bereits in Syrien und im Irak in die Luft. Frauen aus dem
       Westen waren nach Erkenntnissen der Behörden bislang nicht darunter. Aber
       Fachleute halten für möglich, dass der IS Frauen in Zukunft gezielt für
       Selbstmordkommandos einsetzen könnte. „Es ist wohl nur eine Frage der Zeit,
       bis sie die Frauen dafür entdecken“, sagt Abou-Taam. Anderswo gab es das
       schon in ausgeprägter Form - etwa in Tschetschenien. Die Attentäterinnen
       dort wurden „Schwarze Witwen“ genannt.
       
       Für viele Mädchen und Frauen, die nach Syrien und in den Irak ziehen, endet
       der Traum vom romantischen Dschihad-Leben oder von der Aufopferung für das
       Gute bitter. „Zum Teil werden sie dort als Sexsklavinnen gehalten und von
       einem Mann an den nächsten weitergereicht“, sagt Abou-Taam. „Das ist Krieg,
       mit barbarischen Zuständen und einer enthemmten Terrororganisation. Wenn
       sie wüssten, was sie dort erwartet, würden viele Frauen sicher nicht dort
       hingehen.“
       
       29 Mar 2015
       
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