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       # taz.de -- Aufarbeitung Pädophilie: Grüner Morast
       
       > Ankündigung eines brisanten Berichtes der Berliner Grünen. Die
       > Aufarbeitung des pädophilen Erbes der Partei ist noch nicht am Ende.
       
   IMG Bild: Die Aufarbeitung der dunklen Flecken der Grünen ist noch nicht beendet
       
       BERLIN taz | Den Grünen drohen neue Enthüllungen über Pädophilie in ihren
       Anfangsjahren. Thomas Birk, queerpolitischer Sprecher der Grünen in Berlin,
       überraschte am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung der
       Heinrich-Böll-Stiftung mit Neuigkeiten: Es habe in Berlin bis in die
       Neunzigerjahre rund zehn aktive Grüne als Täter gegeben, die „eventuell
       Tausende von Opfern produziert“ hätten.
       
       Verurteilte Pädophile hätten aus der Justizvollzugsanstalt heraus für die
       Partei kandidiert, sagte der Berliner Politiker. Der Berliner Landesverband
       werde Mitte April einen „leider sehr umfangreichen“ Bericht vorlegen.
       
       Zuvor hatten die Bundesvorsitzende Simone Peter, der Wissenschaftler
       Alexander Hensel vom Göttinger Institut für Demokratieforschung, der
       Bundestagsabgeordnete Volker Beck und die Frankfurter
       Erziehungswissenschaftlerin Milena Noll über „Die Frage nach dem Warum und
       nach den Konsequenzen“ diskutiert. Ines Pohl, Chefredakteurin der taz,
       moderierte die Veranstaltung.
       
       Drei Monate nach Erscheinen des Abschlussberichts des Göttinger Instituts
       schien das Wesentliche zum Thema gesagt zu sein. Simone Peter, Vorsitzende
       der im Dezember gegründeten parteiinternen AG Aufarbeitung, entschuldigte
       sich noch einmal für die historischen Verfehlungen. In Anerkennung der
       Verantwortung habe die Partei beschlossen, sich am Hilfsfonds der
       Bundesregierung für Opfer sexualisierter Gewalt zu beteiligen. Volker Beck,
       langjähriger Aktivist im Bundesverband Homosexualität, fand erstmals klare
       Worte des Bedauerns wegen des „Unsinns“, den er früher über
       „einvernehmlichen Sex mit Kindern“ geäußert habe.
       
       ## Ohne Widerhall
       
       Konkrete Ergebnisse aus den mittlerweile sieben Sitzungen der
       Arbeitsgemeinschaft wurden indes nicht genannt. Die einzelnen
       Landesverbände recherchierten weiter, hieß es nur. Peter wiederholte die
       von den Grünen bereits seit 2013 geäußerte Position, die Grünen seien
       „nicht der Ort der Taten“. Eine Aussage, die nach der Wortmeldung des
       Berliner Kollegen zumindest erklärungsbedürftig klang.
       
       Auf dem Podium blieben die von Thomas Birk angekündigten Enthüllungen
       allerdings ohne Widerhall. Man diskutierte statt dessen weiter das
       historische Warum. Insbesondere die Rolle der Feministinnen, die schon früh
       kritisch die Doktrin vom „einvernehmlichen Sex“ mit Kindern hinterfragten,
       wurde debattiert – und die Frage, wie weit sich auch die Wissenschaft vor
       den Karren pädosexueller Lobbygruppen hatte spannen lassen.
       
       Erst nach der Veranstaltung setzten sich Grüne mit den Aussagen des
       Berliner Kollegen auseinander. „Das war ein spontaner Alleingang“, sagte
       Barbara Unmüßig, Vorstand der Böll-Stiftung und Mitglied der
       Aufarbeitungs-AG. Erst vor Kurzem habe man mit dem Berliner Landesverband
       gesprochen. „Damals stellte sich die Dimension viel kleiner dar.“
       
       Die Berliner Landesvorsitzenden Bettina Jarrasch und Daniel Wesener
       relativierten am Freitag die Enthüllungen ihres Parteikollegen: „Wir wissen
       von zwei verurteilten pädosexuellen Straftätern, die Mitglied von Bündnis
       90/Die Grünen waren. Beide Fälle sind seit Langem bekannt. Ob und wie viele
       weitere Parteimitglieder innerhalb dieser Netzwerke beteiligt waren, können
       wir nur mutmaßen.“ Einen Nachweis, dass Kinder oder Jugendliche „in grünen
       Partei-Zusammenhängen“ Opfer sexualisierter Gewalt geworden sein könnten,
       habe man aber nicht.
       
       27 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nina Apin
       
       ## TAGS
       
   DIR Simone Peter
   DIR Pädophilie
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Schwerpunkt Volker Beck
   DIR sexueller Missbrauch
   DIR Kreuzberg
   DIR Sexualität
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Studie
   DIR Franz Walter
       
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