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       # taz.de -- Asse immer anders: Das bisschen Atommüll
       
       > Die Gefahren des Atommülllagers Asse werden von offizieller Seite mal so,
       > mal so bewertet – offenbar auch nach politischen Opportunitätserwägungen.
       
   IMG Bild: Die Asse: immer wieder mit neuen Inhalten.
       
       GÖTTINGEN taz | März 2005. Unter Tage im Atommülllager Asse pustet ein
       riesiges Rohr feinen Salzstaub auf die Fässer mit radioaktiven Abfällen,
       120 Tonnen am Tag. „Wir machen die Asse für alle Zeiten dicht“, sagt
       Ingenieur Jürgen Möller. Gefahren? Ach wo.
       
       Auf eine Sohle, 650 Meter unter der Erde, plätschert Salzlauge,
       zwölfeinhalb Kubikmeter am Tag dringen in das Bergwerk. Bürgerinitiativen
       warnen schon damals vor einem Absaufen der Atommüllkippe. Seit 1967 wurden
       125.000 Fässer mit schwach- und 1.300 Fässer mit mittelradioaktivem
       Atommüll eingelagert – ab 1974 per „Versturztechnik“: Schaufelradlader
       kippten die Behälter einfach über Abhänge. Auch das hochgiftige Plutonium
       und chemische Abfälle werden bis 1978 vergraben.
       
       September 2008. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) legt einen
       Asse-Bericht vor. Er konstatiert schwere Mängel beim Betreiber und bei der
       Aufsicht. Die Sicherheit sei nirgends nachgewiesen, die Asse „die
       problematischste kerntechnische Anlage, die wir in Europa finden“.
       
       Das Bergwerk wird unter Atomrecht gestellt. Das Bundesamt für
       Strahlenschutz (BfS) als neuer Betreiber teilt mit, dass die Abfälle nach
       Möglichkeit geborgen werden sollen. Vor einem Untersuchungsausschuss des
       niedersächsischen Landtags will keiner der als Zeugen geladenen Minister –
       von Annette Schavan (CDU) bis Jürgen Trittin (Grüne) – von den Pannen und
       Versäumnissen gewusst haben.
       
       März 2015. Das BfS relativiert die vom Atomlager ausgehende Gefahr. Das
       radioaktive Inventar entspreche nur 0,5 Prozent eines Castorbehälters. Von
       der Asse werde häufig ein Bild gezeichnet, „das eher Ängste schürt als die
       wahren Herausforderungen benennt“. Zwar dürfe die „Altlast Asse“
       keinesfalls verharmlost werden, „genauso wenig sollten die Probleme aber
       schlimmer dargestellt werden als sie sind“.
       
       Der atomkraftkritische Chemieprofessor Rolf Bertram wirft der Behörde
       daraufhin vor, sie vergleiche „Äpfel mit Birnen“. Während die
       Castorbehälter 40 Zentimeter dicke Wände hätten, seien die Behälter in der
       Asse „dünnwandig, inzwischen korrodiert und durchlässig“.
       
       Zudem sei die Zusammensetzung der Stoffe in der Asse weitgehend unbekannt.
       Der Kenntnisstand beruhe auf fragwürdigen Dokumenten aus den frühen Jahren
       der Einlagerung. „Eine Dokumentationspflicht bestand für eine Reihe von
       gefährlichen Nukliden wie Tritium und Radiokohlenstoff zu jener Zeit
       überhaupt nicht“, so Bertram.
       
       Warum dann aber der neuerliche Schwenk in der offiziellen Bewertung der
       Gefahren? Atomkraftgegner aus der Region mutmaßen, der Betreiber leite so
       den Abschied vom Konzept der Bergung ein. Motto: Wenn das Zeug nicht so
       schädlich ist, können wir uns den Aufwand auch sparen.
       
       „Eine Fokussierung auf den Vergleich zwischen Asse-Inventar und
       Castor-Inventar lenkt von der Frage nach der Beschleunigung der Rückholung
       ab“, sagt Pastor Andreas Riekeberg vom Asse-2-Koordinationskreis. Und
       Anti-Atom-Veteran Peter Dickel urteilt, die Gefahren würden offenbar
       jeweils so bewertet, wie es der Politik gerade passe. „Das ist weder seriös
       noch schafft es Vertrauen.“
       
       26 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
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