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       # taz.de -- Kult-TV-Serie „Alf“: Null Problemo
       
       > Vor 25 Jahren lief die letzte Folge von „Alf“. Geblieben ist Verwirrung –
       > und die Liebe zur Hauptfigur.
       
   IMG Bild: Plüschiger Posterboy der Achtziger: Alf (Mitte)
       
       Alf steht auf einer Wiese, mitten in der Nacht, im Trenchcoat. Er winkt zum
       Abschied der Familie Tanner, die ihn fünf Jahre lang bei sich wohnen ließ.
       Es nähert sich die Beleuchtung des Ufos, mit dem Alfs Freunde Rhonda und
       Skip vom versprengten Planeten Melmac ihn abholen wollen. Laub wird
       aufgewirbelt, Alf schaut nach oben. Doch dann kommen sie angefahren,
       mehrere Wagen des US-Militärs. Das Ufo verschwindet, ohne Alf. Uniformierte
       Männer von der Alien Task Force umzingeln ihn. Er sagt: „Hey, Jungs, lasst
       uns doch ein Bierchen trinken und ein bisschen über Baseball quatschen.“
       Dramatische Geigenmusik, die Männer starren ihn verblüfft an. Alf spricht
       weiter: „Pech gehabt. Ich bin wohl der einzige Sportsfreund hier.“
       
       Cliffhanger. Ein Schriftzug wird eingeblendet: to be continued. Bei
       späteren Ausstrahlungen wird er dann entfernt. Denn eine Fortsetzung wird
       es in diesem Format nie geben, am 24. März 1990 läuft die TV-Serie „Alf“
       zum allerletzten Mal. Nach vier Staffeln hat sie der US-Sender NBC
       eingestellt, wegen mangelnder Einschaltquoten. Hierzulande ist das kaum
       vorstellbar, war die Serie doch in Deutschland wesentlich erfolgreicher als
       in den USA. Der fünf Jahre später vom Konkurrenzsender ABC lieblos
       produzierte Fernsehfilm ohne die Tanners wird von den Fans heute zu Recht
       ignoriert. Es war ein verwirrendes Ende, zu tragisch für eine Sitcom, die
       doch stets für leichte Unterhaltung und lustige Sprüche stand.
       
       Die deutsche Version von „Alf“ wurde erstmals Anfang 1988 im ZDF
       ausgestrahlt, gut ein Jahr nach der US-Premiere im September 1986. Von da
       an zierte Alfs brauner Plüschkopf alle möglichen Fanartikel:
       „Bravo“-Poster, Sticker, Brotdosen, T-Shirts. Gerade laufen die
       Wiederholungen auf RTL Nitro, zum gefühlt 1274. Mal.
       
       Die generationenübergreifende Faszination um den exzentrischen,
       katzenfressenden, überhaupt unentwegt alles fressenden Alien ist wohl dem
       Umstand geschuldet, dass Alf zwar mit Kindern auf Augenhöhe steht, sich mit
       ihnen verbündet und sich stets kindisch-anarchisch gibt, zugleich aber wie
       ein Erwachsener spricht und einen schwarzen Humor offenlegt, der nicht
       selten in anzügliche Bemerkungen ausufert.
       
       ## Ein heimatloser Flüchtling
       
       Damit mag die Serie nie über die Bequemlichkeitsgrenze der
       Familienfernsehunterhaltung hinausgehen, doch befindet sich unter der
       Oberfläche von Alfs witzigem Alltag mit der Durchschnittsfamilie Tanner
       auch eine tiefer und ziemlich ans Herz gehende Story. Denn Alf ist ein
       heimatloser Flüchtling, der eigentlich Gordon Shumway heißt (der Spitzname
       „ALF“ steht für Alien Life Form). Sein Planet Melmac ist explodiert, auf
       der Flucht stürzt sein Raumschiff ab und kracht durch das Garagendach der
       Tanners, in einem Vorort von Los Angeles.
       
       Alf hat aber nicht nur Sehnsucht nach seinem Planeten, er vermisst seine
       Geliebte Rhonda, die im All unterwegs ist und ihn schon einmal von der Erde
       abholen wollte – was Alf mit trauriger Miene ablehnte, aus Verbundenheit zu
       seiner neuen Familie, denen er durch Ehekrisen und Liebeskummer hilft,
       denen er immer eine pelzige Schulter zum Ausweinen bietet. Wie vielen
       Zuschauern bei dieser Folge wohl Tränen in den Augen standen?
       
       Die letzte Folge, „Die Entscheidung“, macht es dem Fanherz nicht leichter,
       auch wenn das narzisstische Zotteltier selbst in tragischen Momenten immer
       einen Spruch, immer eine Stichelei für das US-Publikum parat hat. Es kommt
       die Nachricht, dass Skip und Rhonda einen Planeten erworben haben und nun
       mit Alf ein neues Melmac aufbauen wollen. Alf ist voller Hoffnung: „Das ist
       eine echte Chance für eine neue Heimat, wo Freiheit, Unabhängigkeit und die
       Rechte des Einzelnen oberstes Gesetz sind – sobald wir die Ureinwohner mit
       ein paar billigen Klunkern abgespeist haben.“
       
       Doch es sind nicht Kolonialfantasien, die den ein Meter hohen Alien
       letztlich zu seiner Entscheidung bringen, die Tanners zu verlassen. Es ist
       der Drang nach Freiheit. Denn bis auf ein paar kurzweilige Ausflüge (etwa
       ins Seniorenheim oder am Lenkrad eines Sportwagens auf den Highway) hat Alf
       den Großteil seiner Zeit auf der Erde quasi in der Illegalität verbracht,
       durfte mit keinem Menschen außer den Tanners Kontakt haben. Die Familie
       schafft es, Alfs Ankunft selbst vor den neugierigen Nachbarn, den
       Ochmoneks, geheim zu halten.
       
       Doch was Alf konkret drohen würde, wenn man seine Existenz öffentlich
       machte, bleibt stets unklar. Würde man ihn einsperren? Experimente an ihm
       ausüben? Ihn vernichten? Die Unwissenheit macht das drohende Erwischtwerden
       vielleicht gerade so unheimlich. Vor seinem Aufbruch ins All sagt Alf zu
       den Tanners: „Das Einzige, was ich während meiner Zeit bei euch vermisst
       habe, ist, auf die Straße unter Menschen zu gehen und zu sagen: ’Hey Joe,
       lass uns ein Bierchen trinken gehen.‘ Das kann ich dort, wo ich nun
       hingehe, tun – außer dass da keiner Joe heißen wird.“ Er wird es zur Alien
       Task Force sagen, die ihn an seiner Reise hindern.
       
       Ob sie wohl ein Bierchen mit ihm trinken wollen? Wer will das nicht?
       
       25 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fatma Aydemir
       
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