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       # taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Es riecht in Hamburg. Nach Mann
       
       > Bei Gruner & Jahr gibt es „Walden“ und Wurstanleitungen, beim
       > „Karpfenmagazin“ nackte Frauen und bei den Freischreibern einen tollen
       > Preis.
       
   IMG Bild: „Beef!" weiß: „Wer Wurst wirklich liebt, der macht sie selbst.“
       
       Hallo taz-Medienredaktion, heute melde ich mich vom Hamburger Baumwall. Ich
       stehe vor dem Verlagsgebäude von Gruner & Jahr, und ich muss sagen, es
       riecht. Nein, nicht nach Mäuse-Urin – das Haus soll unter einer veritablen
       Nagerplage leiden –, nein, es riecht nach Mann.
       
       Das Thema „Mann“ scheint neben Handarbeiten die letzte Hoffnung des Verlags
       zu sein. Während Gruner mittels Bastelheften wie Flow die Frauen vom
       politischen Engagement und der Masturbation abhält, setzen die Strategen
       bei den Herren auf die Freude am Kampf mit den Elementen. Für 7,50 Euro
       [1][will man ab Mai] „Outdoorerlebnisse vor der Haustür“ liefern und nennt
       das Geldmachheft unverschämterweise Walden, nach dem schönen, berühmten
       Roman von Thoreau.
       
       „Vor der Haustür“ – das mag bedeuten, Bäume im Park zu umarmen oder auf dem
       Friedhof Regenwürmer zu sammeln. Schon vor zwei Wochen war die
       Presseabteilung schier ausgeflippt, weil eine [2][Sonderausgabe des
       Magazins Beef!] „alles über die Kunst“ des „Selber Wurstens“ darzulegen
       versprach. Denn, „Wer Wurst wirklich liebt, der macht sie selbst.“ Und zwar
       „mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen“. Wer Wurst unwirklich liebt, der
       lässt es.
       
       Unverständlich ist, warum nicht gleich Wurst-Walden rausgebracht wird, für
       das Wurstmachen vor der Haustür. Schön vor der Haustür ein Tier töten,
       ausweiden, Darm säubern, Tier mit dem Taschenmesser kleinschnibbeln, rein
       in den Darm. Stock reinpieken, und die Wurst überm Feuer in der Aushebung
       des Mietskasernen-Fußabtreters brutzeln. Das kommt aber vielleicht als
       Nächstes. Die Gruner Würstchen haben nämlich Autoaufkleber konstruiert, für
       „echte Kerle“. Wer sich nicht am Geruch erkennt, der soll es an der Karre
       tun. Einer kommt in der Optik von „Brot für die Welt“ daher: „Wurst für die
       Welt“.
       
       Nach altem Fisch oder nach Rainer Brüderle nachts an der Bar riecht
       hingegen das Karpfenmagazin aus dem Jahr-Top-Spezial-Verlag, der allerdings
       nix mit dem Baumwall-Jahr zu tun hat. Auch hier appelliert man an das
       Einfache im Mann und hat [3][dem aktuellen Heft „Biss-Alarm!“] einen
       Kalender mit „Carp- & Catfish-Beauties“ beigelegt. Was nicht bedeutet,
       besonders hübsche Karpfen und Welse zu zeigen, sondern unbekleidete Frauen,
       die Fische halten.
       
       Im ersten Moment habe ich gedacht, das sind Femen-Aktivistinnen, die gegen
       Fischzucht protestieren, jetzt aber bin ich unsicher. Die Frauen sehen zum
       Teil recht ostig aus. Ich glaube, dies ist ein weiterer Versuch von Russia
       Today, den Westen zu unterwandern.
       
       Apropos unterwandern. Der Schrecken aller Chefredakteure, der Organisation
       gewordene Albtraum aller Ausbeuterverlage und Rundfunkanstalten, mein
       kleiner, tapferer Verein „Freischreiber“ hält Sonnabend seine
       Jahresversammlung in Hamburg ab. Dort wird auch der – zumindest bei
       Freischreibern – beliebte „Himmel- und Höllepreis“ verliehen. Das wird
       lustig! Zumal die Verleihung auch für Nichtmitglieder zugänglich ist.
       
       Ja, wenn ich Chefredakteurin wäre, eine von denen, die mit so fiesen Dingen
       wie „Code of Fairness“ gepiesackt werden, mit peinlichem, öffentlichen
       Genörgel wegen unterirdischer Bezahlung oder schlimmer Verträge, ich würde
       die Mäuse in meinen Redaktionsräumen einsammeln und zur Feier des Tages bei
       den Freischreibern aussetzen. Oder die dämlichsten Textstellen ihrer
       Mitglieder an die Hauswand werfen. Ach, ich hätte mein Späßchen!
       
       Da aber nicht ich Chefredakteurin bin, sondern wie man an den Produkten
       sieht, nur die langweiligsten Menschen dieses Landes, bleibt der Spaß wohl
       einseitig. Voll Vorfreude zurück nach Berlin!
       
       24 Mar 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.new-business.de/medien/detail.php?rubric=MEDIEN&nr=670055
   DIR [2] http://www.coverdesmonats.de/beef-sonderheft-selber-wursten-sonderheft-115
   DIR [3] http://blog.angeln.de/news/das-neue-karpfen-magazin-mit-kalender-ist-da/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Silke Burmester
       
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