URI: 
       # taz.de -- Muslime in deutschen Medien: Dieser böse, böse Islam
       
       > Das Bild von Muslimen in hiesigen Talkshows, Zeitungen und Magazinen
       > hinterlässt Eindruck – allerdings oft einen negativen.
       
   IMG Bild: Der salafistische Prediger Hassan Dabbagh zu Gast bei „Hart aber fair“.
       
       Die deutschen Medien lieben den Islam. Ihre Liebe drücken viele gern in
       reißerischen Titeln und düsterer Bildersprache aus. Eine Auswahl der
       Talkshowtitel in den vergangenen Wochen: „Mord im Namen Allahs“ (Maybrit
       Illner), „Gewalt im Namen Allahs – Wie denken unsere Muslime?“ (Günther
       Jauch), „Auf Streife für Allah – Vor welchem Islam müssen wir Angst haben?“
       (Hart aber fair), „Allahs Krieger im Westen“ (Anne Will).
       
       Auch die großen Magazine ticken ähnlich. Focus etwa titelte „Die dunkle
       Seite des Islam – Acht unbequeme Wahrheiten über die muslimische Religion“.
       Cicero fragte: „Ist der Islam böse? – Isis, Hamas, Hisbollah: Gewalt im
       Namen des Propheten“. Der Spiegel brachte Cover wie „Mekka Deutschland“,
       mit dem Brandenburger Tor vor pechschwarzem Hintergrund, und das lange
       bevor Pegida überhaupt existierte. Alles schön dramatisch, alles schön
       alarmierend. Das hinterlässt Eindruck bei den Zuschauern, Lesern und den
       hier lebenden Muslimen – allerdings einen negativen.
       
       Auch ich als muslimischer Journalist bekomme das zu spüren. Regelmäßig
       fragen mich Freunde und Bekannte: „Warum berichten die Medien immer negativ
       über uns Muslime?“
       
       Kai Hafez, der an der Erfurter Universität Kommunikationswissenschaft
       lehrt, beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Islambild in deutschen
       Medien. Seine Ergebnisse veröffentlicht er unter anderem im
       Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung. Er hat festgestellt, dass die
       Konflikte in der islamischen Welt die Berichterstattung dominieren, und
       Bereiche wie Kultur oder Wirtschaft keine oder nur eine sehr geringe Rolle
       spielen. Der Blick auf diese Region werde stark durch den Faktor Islam
       beeinflusst. Dadurch kommt es zu einer „Islamisierung“ von Konflikten, die
       aber im Kern ganz andere Ursachen haben.
       
       ## Islam als Interpretationsschlüssel
       
       „Der Islam wird immer mehr als Schlüssel zur Interpretation dieser Länder
       benutzt“, so Hafez. „Islamismus ist ein zentraler Faktor, aber bei weitem
       nicht ausreichend, um die Entwicklung in der islamischen Welt zu verstehen.
       Man müsste sie viel häufiger sozio-ökonomisch deuten.“ Die Reduktion auf
       das Thema Islam, sagt Hafez, führe zu einer sehr begrenzten Medienagenda,
       die mehr verklärt als erklärt.
       
       Auch das Schweizer Institut Media Tenor befasst sich mit der Medienanalyse.
       Christian Kolmer untersucht dort das Medienimage von Religionen und Kirchen
       und stellt dabei fest, dass die Berichterstattung über den Islam zwar immer
       wichtiger wurde, aber eben auch immer negativer – gerade im Jahr 2014. „Die
       Hauptursache dafür ist, dass Terroristen und militante Gruppen, die sich
       auf den Islam berufen, den größten Anteil der Berichterstattung einnehmen,
       während der Alltag der Muslime im Nahen Osten und im Westen praktisch keine
       Rolle spielt.“
       
       Kolmer stellt auch fest, dass nicht nur das Islambild in den Medien durch
       Negativschlagzeilen geprägt ist. Vielmehr habe Religion an sich kein
       positives Image. Ein Grund: die vielen Skandale innerhalb der Kirche. Aber
       im Gegensatz zu Muslimen hätten diese wenigstens die Möglichkeit, mit ihren
       eigenen Positionen wahrgenommen zu werden, zum Beispiel indem sich ihre
       Vertreter an öffentlichen Diskussionen beteiligen. Geistliche Führer oder
       Imame kämen in der Berichterstattung hingegen selten zu Wort – es sei denn,
       sie vertreten extreme Positionen. Statt repräsentativer Vertreter bekommen
       eher salafistische Prediger eine Bühne in Talkshows.
       
       ## Die Scharia-Polizei von Wuppertal
       
       Vor einigen Monaten etwa war die sogenannte Scharia-Polizei von Wuppertal
       Thema in den deutschen Medien. Fünf Salafisten hatten sich Westen in
       auffallenden Farben mit der Aufschrift „Scharia-Polizei“ übergezogen. Die
       Medienaufmerksamkeit war enorm. Und die Salafisten um Sven Lau in Wuppertal
       freuten sich über diese kostenlose PR-Aktion. Ihre Kalkulation ging auf.
       Die Talkshow „Hart aber fair“ griff das Thema auf und titelte: [1][„Auf
       Streife für Allah – vor welchem Islam müssen wir Angst haben?“] Gast war
       unter anderen der salafistische Prediger Hassan Dabbagh aus Leipzig. Man
       kann darüber streiten, wie bedrohlich die fünf Salafisten für die deutsche
       Sicherheit sind. Aber warum betitelt „Hart aber fair“ die Sendung so
       hysterisch? Und warum einem dubiosen Prediger eine Bühne geben, der für
       eine verschwindend kleine Minderheit von Muslimen spricht?
       
       Georg Diedenhofen, Redaktionsleiter bei „Hart aber fair“, sieht in solchen
       Titeln kein Problem. Der Name einer Talkshowsendung beeinflusse die
       Menschen nicht, glaubt er: „Es bringt sie eher dazu, sich mit diesem Thema
       auseinanderzusetzen.“ Und schließlich müsse man es als Talkshowredaktion
       hinbekommen, dass Zuschauer einem 75-minütigen Gespräch im Fernsehen
       folgen. Provokative Titel sollen die Neugier des Zuschauers wecken, und ein
       schriller Gast mit langem Bart und Gewand hebt die Quote. Das muss nicht
       primär schlecht sein. Aber die Verwendung von Titeln, die eher aggressiv
       und zugespitzt sind, prägen langfristig die Sicht der Menschen auf den
       Islam und die hier lebenden Muslime.
       
       Der Erfurter Wissenschaftler Hafez ist überzeugt, dass die Medien die
       Wahrnehmung von Muslimen und Islam wesentlich prägen. Denn die meisten
       Menschen haben laut Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung mit Muslimen
       und ihren Lebenswelten keinen direkten Kontakt. Sie sind abhängig von
       Sekundärinformationen. „In der Schule erfahren sie sehr wenig über die
       islamische Welt, da bleiben am Ende die Medien als Stichwortgeber“, so
       Hafez. Wenn dort täglich Negativnachrichten laufen, verzerre das die
       Wahrnehmung und gebe populistischen und fremdenfeindlichen Bewegungen wie
       Pegida Vorschub.
       
       Kai Hafez benutzt dafür das Bild des Zauberlehrlings aus der klassischen
       Erzählung: „Die Medien haben eine Kreatur geschaffen – die
       Islamfeindlichkeit –, die sie dann, wenn es zu schwierig und krisenhaft
       wird, durch kritische Berichterstattung gegenüber fremdenfeindlichen
       Bewegungen wieder versuchen in Schach zu kriegen.“ Hafez spricht daher von
       einem „virtuellen Islam“, der mehr und mehr das Islambild der Menschen
       bestimme. Ein künstliches Bedrohungs- und Repressionsbild verbreite Angst
       unter der Bevölkerung, auch wenn es mit der Realität der hier lebenden
       Muslime nichts zu tun habe.
       
       ## Beschimpfung gegen muslimischen Journalisten
       
       Wie gehen die in Deutschland lebenden Muslime nun mit dem Islambild in den
       Medien um? Von meinen muslimischen Freunden und Bekannten werde ich oft
       gefragt: „Hast du als muslimischer Journalist überhaupt freie Hand, das zu
       schreiben, was du willst?“
       
       In der Tat gibt es innerhalb, aber auch außerhalb der Redaktionen Leute,
       die bewusst sogenannten Islam-Experten Raum geben und eine Agenda
       verfolgen. Eine Redaktion bekam vor einiger Zeit einen Brief von einem
       dieser „Islam-Experten“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, in dem ich als
       „Islamist“ bezeichnet wurde, der die „Mainstream-Medien unterwandere“. Wir
       waren uns nie begegnet, hatten nie miteinander gesprochen. Anscheinend
       fühlte er sich einfach durch meine journalistische Tätigkeit gestört. Die
       Redaktion hat über den Brief gelacht.
       
       Es gibt solche und ähnliche ideologische Akteure, die nicht wollen, dass
       Muslime die mediale Bühne betreten und vielleicht ein anderes Bild
       vermitteln als allgemein üblich. Da passen Hardliner wie der Leipziger
       Salafist Hassan Dabbagh schon besser ins Bild. Aber auch auf der anderen,
       der sogenannten liberalen Seite, treten Muslime auf, die für sich in
       Anspruch nehmen, für die sogenannte schweigende Mehrheit der Muslime zu
       sprechen. Und niemand stellt die Frage, wie man für eine Gruppe, die
       schweigt, sprechen kann. Extreme dominieren das Islambild, und die breite
       Mitte der Muslime bleibt erschreckend abwesend. Zumindest auf der medialen
       Plattform.
       
       15 Mar 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.ardmediathek.de/tv/Hart-aber-fair/Auf-Streife-f%C3%BCr-Allah-vor-welchem-Isla/Das-Erste/Video?documentId=23642294&bcastId=561146&mpage=page.moreclips
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eren Güvercin
       
       ## TAGS
       
   DIR Hart aber fair
   DIR Anne Will
   DIR Medienkritik
   DIR Salafismus
   DIR Salafisten
   DIR Wuppertal
   DIR Salafisten
   DIR Rechtstextreme
   DIR Islamgesetz
   DIR Nigeria
   DIR Terrorismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Salafismus-Aussteiger über die Szene: „Damals ging es mir nur um Gott“
       
       Er kiffte, feierte, hatte Sex. Dann wurde er Salafist. In der
       radikalislamistischen Szene fand Dominic Musa Schmitz klare Antworten auf
       all seine Fragen – und Halt.
       
   DIR Festnahme wegen Terrorverdachts: Salafist Sven Lau hinter Gittern
       
       Nach einem Haftbefehl griffen die Polizisten zu. Der bekannte deutsche
       Salafistenprediger Sven Lau soll eine terroristische Vereinigung
       unterstützt haben.
       
   DIR Warnwesten in Wuppertal: Kein Prozess gegen „Scharia-Polizei“
       
       Das Landgericht in Wuppertal weist eine Anklage wegen des Verstoßes gegen
       das Uniformverbots zurück. Nur der Anführer der Gruppe ist weiter
       angeklagt.
       
   DIR IS-Unterstützer in Deutschland: Signal an Salafisten
       
       Mit einem Verbot von „Tauhid Germany“ geht das Innenministerium gegen
       Dschihadisten in Deutschland vor. In mehreren Bundesländern fanden Razzien
       statt.
       
   DIR Salafisten und Pegida demonstrieren: „Morgen wird Wuppertal brennen“
       
       Wuppertal im Ausnahmezustand: Am Samstag marschieren sehr unterschiedliche
       Extremistengruppen durch die Stadt. Zusätzlich werden viele
       Gegendemonstranten erwartet.
       
   DIR Neues Islamgesetz in Österreich: Der Weg zum eigenen Islam
       
       Das österreichische Parlament hat ein neues Islamgesetz verabschiedet.
       Sollte sich Deutschland an seinem Nachbarland ein Beispiel nehmen?
       
   DIR Debatte Ursprung von Extremismus: Die korrupten Eliten sind schuld
       
       Terror blüht dort, wo die Mächtigen täglich die Bevölkerung bestehlen. Der
       Westen will das partout nicht wahrhaben.
       
   DIR Onlinesender für muslimisches Leben: Ein „Lifestyle Channel“
       
       Wenn Muslime im Fernsehen auftauchen, geht es meist um Terrorismus. Ein
       Onlinesender will mit positiven Bildern dagegenhalten.
       
   DIR Debatte Bewahrung von Kulturen: Vermischt euch!
       
       Die Sehnsucht nach „unverfälschter Kultur“ ist über politische Lager und
       soziale Milieus hinweg beliebt. Das ist aber ein gefährlicher Irrglaube.