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       # taz.de -- Reaktionen auf Kopftuchurteil: „Das war überfällig“
       
       > Stärkung der Religionsfreiheit, ein richtiger Schritt: Die Reaktionen auf
       > die Entscheidung, Kopftücher nicht pauschal zu verbieten, sind fast
       > überall positiv.
       
   IMG Bild: Protest in Hamburg 2004: Ihre Forderung wurde gehört.
       
       BERLIN dpa/afp/taz | Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,
       das ein pauschales Kopftuchverbot bei Lehrkräften nicht mit der
       Religionsfreiheit vereinbar ist, äußern sich Politiker und Verbände zu dem
       Urteil. [1][Die taz hatte zuerst über die Entscheidung berichtet].
       
       Der Zentralrat der Muslime (ZMD) hat die Entscheidung begrüßt. „Auch wenn
       das Urteil keine generelle Erlaubnis für das Kopftuch bedeutet, ist es sehr
       erfreulich“, sagte ZMD-Generalsekretärin Nurhan Soykan am Freitag in Köln.
       Karlsruhe habe klargestellt, „dass das Kopftuch an sich keine Gefährdung
       des Schulfriedens bedeutet“. Das sei ein richtiger Schritt, „weil es die
       Lebenswirklichkeit muslimischer Frauen in Deutschland würdigt und sie als
       gleichberechtigte Staatsbürger am gesellschaftlichen Leben partizipieren
       lässt“.
       
       Die Landesvorsitzende der „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“ (GEW),
       Dorothea Schäfer, erklärt in einem Statement: „Wir erwarten eine zügige
       Änderung des Schulgesetzes, mit dem die Entscheidung des
       Bundesverfassungsgerichtes umgesetzt wird. Der Konflikt darf dabei nicht in
       die Schulen verlagert werden.“ Die Schule sei kein religionsfreier Raum. Es
       dürfe aber auch keine Privilegierung christlicher oder abendländischer
       religiöser Symbole geben. Und weiter: „Die GEW hat allerdings durchaus die
       Sorge, dass der Druck auf muslimische Schülerinnen, die sich selber gegen
       ein Kopftuch entscheiden, durch Lehrerinnen, die aus religiösen Gründen ein
       Kopftuch tragen, erhöht wird.“
       
       Bei den Grünen stößt die Entscheidung auf breite Zustimmung. „Das ist ein
       guter Tag für die Religionsfreiheit“, erklärte der Grünen-Innenexperte
       Volker Beck am Freitag in Berlin. Das höchste deutsche Gericht mache klar,
       dass Deutschland nicht auf eine bestimmte Religion gründe, „sondern auf
       Religionsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz“.
       
       „Kopftuch, Kippa und Schleier gefährden den Schulfrieden nicht“, betonte
       Beck. „Das Bundesverfassungsgericht stellt Kopftuch und Nonnenschleier
       endlich gleich. Das war überfällig.“ Die Feinde einer offenen Gesellschaft
       seien nicht Lehrerinnen und Lehrer, die ihren Glauben sichtbar bekundeten,
       sondern jene „die Vielfalt bekämpfen – als vermeintliche Alternative für
       Deutschland, als Nationaldemokraten, Pius-Brüder oder Salafisten“.
       
       Wenn konkret zu befürchten sei, dass der Schulfrieden gestört wird, sollte
       immer zunächst gegen den Störer vorgegangen werden, forderte Beck. „Und das
       ist in aller Regel nicht die Lehrerin mit dem Kopftuch.“
       
       ## „Anpassungsbedarf“ für einige Schulgesetze
       
       „Das Urteil stärkt die Religionsfreiheit in Deutschland“, erklärte auch die
       Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders. Pauschale
       Kopftuchverbote gehörten damit der Vergangenheit an. Lüders rief die Länder
       mit vergleichbaren Regelungen dazu auf, auch bestehende Kopftuchverbote im
       öffentlichen Dienst zu überdenken.
       
       Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Brunhild Kurth, sieht
       einen möglichen „Anpassungsbedarf“ für einige Schulgesetze der Länder. Das
       Urteil „lotet das Verhältnis von öffentlichem Dienst und religiöser
       Betätigung neu aus“, sagte die CDU-Politikerin am Freitag am Rande der
       KMK-Frühjahrssitzung in Leipzig.
       
       Die Länder würden sich „ihre Schulgesetze und weitere Regelungen“ mit Blick
       auf Neutralitätspflicht noch einmal genau anschauen. Sie rate aber zur
       Gelassenheit. Letztlich müsse „vor Ort entschieden werden, wie mit dem
       Tragen religiöser Symbole in Unterricht und Schule umgegangen werden muss“.
       Lehrer, Schulleiter und Schulaufsicht müssten „mehr als bisher auf den
       Einzelfall schauen“, sagte Kurth.
       
       NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) kündigte an, das Urteil direkt
       umzusetzen. Schulministerin Sylvia Löhrmann begrüßte das Urteil, das
       endlich Rechtssicherheit schaffe: „Wir werden nun unverzüglich prüfen,
       welche Konsequenzen aus den Entscheidungen im Einzelnen zu ziehen sind.
       Hierzu müssen die differenzierten Ausführungen des
       Bundesverfassungsgerichts sorgfältig ausgewertet werden. Dann werden wir
       alle erforderlichen rechtlichen Schritte zügig einleiten“, heißt es in
       einer Stellungnahme. Löhrmann sieht in dem Urteil auch ein Signal für
       Lehrerinnen, die sich für den islamischen Religionsunterricht ausbilden
       lassen. „Sie haben jetzt für die Arbeit in unseren Schulen eine klare
       Perspektive.“
       
       ## Lehrerorganisation VBE kritisiert Entscheidung
       
       Eine Sprecherin der Senatsbildungsverwaltung in Berlin sagte am Freitag,
       vor einer Prüfung müssten die Entscheidungsgründe des Gerichts vorliegen.
       In Schleswig-Holstein hat das Urteil keine Folgen. Dazu sagte ein Sprecher
       des Schulministeriums in Kiel, im schleswig-holsteinischen Schulgesetz gebe
       es ein solches Verbot ohnehin nicht. Bei der Schulgesetzänderung 2006 sei
       entschieden worden, darauf zu verzichten.
       
       Der Vorsitzende der Lehrerorganisation VBE, Udo Beckmann, hält die
       Entscheidung aus Karlsruhe für falsch. „Der Druck auf muslimische Mädchen
       wird größer, gegen ihren Willen ein Kopftuch zu tragen“, sagte Beckmann am
       Freitag am Rande eines Schulleiterkongresses in Düsseldorf. Er glaube nach
       wie vor, „dass das Tragen eines Kopftuches eine Verletzung der
       Neutralitätspflicht gegenüber den Schülern ist“. Der Gesetzgeber müsse
       jetzt eine rechtssichere Lösung finden und dürfe „die Verantwortung nicht
       den Schulleitungen überlassen“.
       
       13 Mar 2015
       
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