URI: 
       # taz.de -- Direkte Demokratie in Deutschland: Reformen in Sicht
       
       > Wie es der direkten Demokratie in Deutschland geht, untersucht der Verein
       > „Mehr Demokratie e. V.“. Für 2015 besteht Hoffnung auf Reformen.
       
   IMG Bild: Vermutlich in Bayern oder Hamburg: Wahllokal in Benutzung.
       
       BERLIN taz | Wie stark das Volk bei der direkten Gestaltung der Politik
       mitbestimmen kann, hängt sehr stark davon ab, wo es wohnt. Direkte
       Demokratie gibt es in Deutschland bisher nur auf Länderebene und auch dort
       ist sie unterschiedlich weit entwickelt.
       
       Dies zeigt einmal mehr der Volksbegehrensbericht 2015 des Vereins „Mehr
       Demokratie e. V.“, der an diesem Donnerstag in Berlin von
       Bundesvorstandssprecher Ralf-Uwe Beck und Oliver Wiedmann,
       Landesvorstandssprecher für Berlin-Brandenburg, vorgestellt wurde.
       
       2015, so Ralf-Uwe Beck, könnte ein gutes Jahr für die direkte Demokratie in
       Deutschland werden. In Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein,
       Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen sind Reformen geplant.
       Diese gehen „Mehr Demokratie e. V.“ zwar meist nicht weit genug, doch „der
       Winterschlaf scheint in diesen Ländern zu Ende zu gehen“, so Beck. „Wenn
       diese Länder die Unterschriftenhürde für Volksbegehren senken, bringt das
       die direkte Demokratie in Deutschland einen Riesenschritt weiter“.
       
       Von 1946 bis 2014 wurden in Deutschland insgesamt 324 direktdemokratische
       Verfahren eingeleitet, 299 davon aufgrund von Unterschriftensammlungen von
       BürgerInnen. In 25 Fällen war ein Volksentscheid gesetzlich vorgeschrieben,
       wie etwa in Bayern und Hessen bei Verfassungsänderungen. Nur in 85 Fällen
       kam es daraufhin zu einem Volksbegehren, dem Teil also, bei dem ein
       bestimmtes Unterschriftenquorum erreicht werden muss.
       
       22 dieser Volksbegehren waren erfolgreich und wurden dem Volk in einem
       Volksentscheid schließlich vorgelegt. „64 Prozent aller Verfahren scheitern
       bereits vor einem Volksentscheid an zu hohen Unterschriftenhürden, zu
       kurzen Sammelfristen, weil die Unterschriften nicht frei auf der Straße
       gesammelt werden dürfen oder weil viele Themen nicht zulässig sind“, so
       Beck.
       
       ## Uterschiedliche Voraussetzungen in den Bundesländern
       
       Wie stark die BürgerInnen direkt Mitentscheiden dürfen hängt dabei stark
       vom Wohnort ab. Die 22 durchgeführten Volksentscheide konzentrieren sich
       auf lediglich sechs Bundesländer. Spitzenreiter ist Hamburg mit sieben
       Volksentscheiden, dicht gefolgt von Bayern und Berlin mit sechs und fünf.
       
       Grund dafür sind sehr unterschiedliche Voraussetzungen und Erfahrungen in
       den Bundesländern. Während beispielsweise in Hamburg und Berlin
       Unterschriften in Fußgängerzonen und auf Marktplätzen gesammelt werden
       dürfen, muss eine Baden-WürttembergerIn zum Rathaus gehen, um sich in eine
       Liste einzutragen, was nicht das einzige Hindernis ist, dass dazu führt,
       das es im Ländle – und auch im Saarland – bisher noch kein einziges
       Verfahren über die erste Stufe hinaus geschafft hat.
       
       In Hamburg hingegen wird jedes halbe Jahr ein Verfahren gestartet. Alle 1,2
       Jahre geht in der Hansestadt ein Volksbegehren in die zweite Sammelstufe
       und alle 2,7 Jahre findet ein Volksentscheid statt.
       
       Im Jahr 2014 wurden insgesamt zwölf direktdemokratische Verfahren neu
       gestartet, das sind drei mehr als im Jahr zuvor. Fünf Volksbegehren, die
       zweite Stufe, wurden im vergangenen Jahr abgeschlossen, eines davon
       gipfelte im Volksentscheid um das Tempelhofer Feld und war erfolgreich.
       
       In Bayern und Hamburg gab es Volksbegehren zu Schulreformen, die jeweils an
       der Zahl der Unterschriften scheiterten. Ebenfalls in Hamburg wurde ein
       Volksbegehren, das eine Wahlrechtsänderung anstrebte, für unzulässig
       erklärt, ein Volksbegehren in Mecklenburg-Vorpommern wurde erst im Herbst
       eingereicht und ist noch nicht abschließend geprüft.
       
       Den größten Reformbedarf sieht Beck jedoch weiter auf Bundesebene.
       Deutschland ist das einzige Land in der EU, in dem noch nie eine
       Volksabstimmung über bundespolitische Themen durchgeführt wurde. Die
       Möglichkeit einer bundesweiten Volksinitiative gibt es nicht. Dabei sieht
       Beck gerade in direktdemokratischen Elementen eine gute Möglichkeit, der
       Politikverdrossenheit der Bevölkerung entgegenzuwirken.
       
       12 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Imre Balzer
       
       ## TAGS
       
   DIR Volksentscheid
   DIR Mehr Demokratie
   DIR Bayern
   DIR Hamburg
   DIR Direkte Demokratie
   DIR Demokratie
   DIR Wahl
   DIR Senat
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
   DIR Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Wahl zum Jugendparlament in Leipzig: „Viel Luft nach oben“
       
       An der Abstimmung zu Leipzigs Jugendparlament nahmen vier Prozent der
       Wahlberechtigten teil. Markus Welz, vom „Projekt Jugendbeteiligung“, bleibt
       aber optimistisch.
       
   DIR Neues Volksbegehren in Berlin: Mehr Mietbestimmung
       
       Ein Bündnis will mit einem Volksentscheid durchsetzen, dass die Mieten in
       400.000 Wohnungen gedeckelt werden. Die Abstimmung könnte parallel zur Wahl
       2016 stattfinden.
       
   DIR Direkte Demokratie: Mehr Mitsprache für Bürger
       
       Die Opposition will die Berliner via Verfassungsänderung nicht nur bei den
       Olympischen Spielen, sondern auch bei anderen Großprojekten entscheiden
       lassen.
       
   DIR Abstimmung über Olympia in Berlin: Ein Mal dabei sein ist alles
       
       Der Senat will die direkte Demokratie erweitern – aber nur ein Mal, um die
       Berliner zu ihrer Meinung zu Olympia zu fragen. Termin soll Mitte September
       sein.
       
   DIR Planung Tempelhofer Feld: Viel Platz für Diskussionen
       
       Bei der Entwicklung des Tempelhofer Feldes sollen alle mitreden dürfen.
       Über 100 Interessierte haben am Samstag schon mal damit angefangen.