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       # taz.de -- Architekt Frei Otto gestorben: Der Meister des Schwebenden
       
       > Das Zeltdach des Münchner Olympiastadions machte Frei Otto in der Welt
       > der Architektur zum Star. Jetzt ist er im Alter von 89 Jahren gestorben.
       
   IMG Bild: Frei Otto, Archivbild aus dem Jahr 2005.
       
       LEONBERG dpa | Alles hätte so schön werden sollen. In zwei Wochen wollte
       die Jury des renommierten Pritzker-Preises verkünden, dass die oft als
       „Nobelpreis für Architektur“ bezeichnete Ehrung in diesem Jahr an Frei Otto
       geht. Mitte Mai, kurz vor seinem 90. Geburtstag, sollte der deutsche
       Architekt dann die Auszeichnung in Miami aus der Hand seines berühmten
       Kollegen Frank Gehry erhalten.
       
       Doch das sollte Otto nicht mehr erleben. Der Schöpfer der
       Zeltdachkonstruktion des Münchner Olympiastadions starb am Montag im Alter
       von 89 Jahren, wie seine Witwe Ingrid der Deutschen Presse-Agentur am
       Dienstag bestätigte. Die Pritzker-Jury zog die Verkündung der Ehrung
       daraufhin vor. Otto ist erst der zweite Deutsche – nach Gottfried Böhm 1986
       – der den seit 1979 jährlich vergebenen Preis erhält und der erste, der ihn
       posthum bekommt.
       
       Ottos Arbeiten seien „leicht, offen für Natur und Licht,
       nicht-hierarchisch, demokratisch, günstig und energiesparend“, begründete
       die Jury ihre Auswahl. Die Nachricht von seinem Tod sei „sehr traurig“,
       sagte Tom Pritzker, der Vorsitzende der Hyatt-Stiftung, die den Preis
       verleiht. „Die Karriere von Frei Otto ist ein Vorbild für Generationen von
       Architekten und sein Einfluss wird sich weiter bemerkbar machen.“ Die
       Verleihung des Preises im Mai in Miami soll nun zu einer Würdigung von
       Ottos Leben und Werk werden.
       
       Der 1925 im sächsischen Siegmar geborene Otto war Sohn eines Bildhauers und
       Schüler des Star-Architekten Mies van der Rohe (1886-1969). Der
       ungewöhnliche Vorname „Frei“ ist angeblich eine Erfindung der Mutter. Es
       soll ihr Lebensmotto gewesen sein. Bereits früh beschäftigte sich Otto mit
       Flugzeugen und deren Konstruktion. Über Experimente zu Aerodynamik und die
       Prinzipien dehnbarer Membrane gelangte er schließlich zu seinen „natürliche
       Konstruktionen“ genannten Tragstrukturen.
       
       ## S21? Nein danke
       
       Otto präsentierte verspielt-poetische Entwürfe – und das in einer Zeit, in
       der wegen der Kriegszerstörungen in Deutschland eher ein funktionales Bauen
       gefragt war. Nachdem er jahrelang ein Architekturbüro in Berlin betrieben
       hatte, richtete die Stuttgarter Universität in den 60er Jahren ein
       „Institut für leichte Flächentragwerke“ für den Meister des Schwebenden und
       Schwingenden ein. Dort konnte er bis zu seinem offiziellen Ausscheiden als
       Institutsleiter 1990 experimentieren.
       
       Neben der Zeltdachkonstruktion des Münchner Olympiastadions entwarf er
       gemeinsam mit Kollegen unter anderem auch den Japanischen Pavillon auf der
       Expo 2000 in Hannover und das Spinnennetzdach über dem Deutschen
       Zeltpavillon für die Weltausstellung 1967 in Montréal. Auch in Kassel, Köln
       und der arabischen Welt war Otto tätig.
       
       Eine Zeit lang arbeitete er auch am umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart
       21 mit, distanzierte sich dann aber davon. Der vielfach ausgezeichnete
       Architekt verlor nie das Ziel aus den Augen, Wissenschaft und Natur in
       Einklang zu bringen. Einige seiner Visionen blieben auf das Reißbrett
       beschränkt, darunter eine weitflächig sonnenbeschirmte „Stadt in der Wüste“
       oder die von einer riesigen transparenten Kunststoffkuppel überdachte
       „Stadt in der Arktis“.
       
       Nach dem Tod des Star-Architekten bleibt ein Trost: Otto hat von der Ehrung
       mit dem Pritzker Preis – der höchsten Auszeichnung seiner Branche – noch
       erfahren. Die Entscheidung sei bereits Anfang des Jahres gefallen und ihm
       danach direkt überbracht worden, teilte die Jury mit.
       
       „Ich habe nie etwas getan, um diesen Preis zu erhalten“, habe er daraufhin
       gesagt. „Das Gewinnen von Preisen ist nicht mein Lebensziel. Ich versuche,
       armen Menschen zu helfen. Aber was soll ich sagen, ich bin sehr glücklich.“
       
       11 Mar 2015
       
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