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       # taz.de -- Nach sexistischer Bilderstrecke: Der blinde Fleck des Tilo Jung
       
       > Tilo Jung bleibt Teil der Krautreporter, wird aber in nächster Zeit keine
       > Beiträge veröffentlichen. Das ist nobel gemeint, aber inkonsequent.
       
   IMG Bild: Hat nicht nur einen dummen Witz gemacht, abends, in der Kneipe: Tilo Jung.
       
       Tilo Jung hat einen „blinden Fleck“. So nennt er ihn nun, seinen digitalen
       Ausrutscher am Weltfrauentag. Am Montag hat die Krautreporter-Redaktion
       getagt und besprochen, welche Konsequenzen sie aus den frauenfeindlichen
       Bildern ziehen, [1][die Jung bei Instagram gepostet hatte].
       
       In den sozialen Netzwerken mutmaßten und forderten einige, Jung würde aus
       der Redaktion fliegen. So weit ist es nun nicht gekommen:
       [2][Krautreporter-Chefredakteur Sebastian Esser hat in einem Artikel
       erklärt], dass Jung Teil von Krautreporter bleibe, in nächster Zeit aber
       keine Beiträge auf der Seite veröffentlichen würde.
       
       „Krautreporter akzeptiert das Kokettieren mit Gewalt gegen Frauen nicht. Es
       macht mich wütend, diese Selbstverständlichkeit aufschreiben zu müssen“,
       schreibt Esser und wiederholt damit, was er Montag früh schon getwittert
       hatte. Tilo Jung bekäme nun Zeit, seinen „blinden Fleck“ auszuleuchten. Das
       klingt ein bisschen wie der Lehrer zu einem ungezogenen Kind: „Geh in die
       Ecke und schäm dich. Komm wieder, wenn du dich gebessert hast.“
       
       Es ist nobel von Esser, Jung noch eine Chance zu geben. Denn einerseits:
       Das Netz ist gnadenlos. Was einmal in der Welt ist, verschwindet nicht so
       schnell, auch wenn man es, so wie Tilo Jung, löscht. Es bleiben die
       Retweets und die hunderte Antworten, die über Jung hereingebrochen sind.
       Wer einen Fehler macht, den straft das digitale Gedächtnis womöglich ein
       Leben lang.
       
       ## Ignoranz und Selbstgerechtigkeit
       
       Andererseits: Jung hat nicht irgendeinen dummen Witz gemacht, abends, in
       der Kneipe, angetrunken, rausgerutscht. Er hat Bilder gepostet, die
       sexistisch und chauvinistisch sind. Er hat sie untertitelt mit „Women's
       Day“ – ganz so, als sei Niedertreten das, was mit eben so macht, mit einer
       Frau. Er hat den Shitstorm, der danach folgte, als [3][„symbolische
       Selbstverbrennung“] bezeichnet, ganz so, als wären seine Posts ein
       heroischer Akt.
       
       Der Weltfrauentag stammt aus einer Zeit, als Frauen nicht wählen durften.
       Später kamen die Forderungen nach gleichem Lohn, menschlicheren
       Arbeitsbedinungen und dem Recht auf Schwangerschaftsabbruch dazu. Dass wir
       heute noch über Frauenquote, Pay – und Care Gap reden, zeigt, dass der 8.
       März als politische Mahnung immer noch nötig ist. Wenn Tilo Jung diesen Tag
       nun nutzt, um Gewalt an Frauen zu rechtfertigen, zeugt das nicht nur von
       einem blinden Fleck, sondern von massiver Ignoranz und Selbstgerechtigkeit.
       
       Die Aufregung in den sozialen Medien der vergangenen zwei Tage zeigt: Jungs
       Bilder fallen auch auf die Krautreporter zurück, Distanzierung hin oder
       her. Die Redaktion steht vor einer neuen Finanzierungsrunde. In wenigen
       Monaten muss sie wieder Geld von Lesern einsammeln. Auf Twitter empören
       sich jetzt schon einige, dass ihr Geld fehlinvestiert gewesen sei. Ein
       klares Bekenntnis gegen Jung hätte sie vermutlich versöhnt.
       
       Ganz zu schweigen von Krautreporter-Kollegen, vor allem den weiblichen, die
       mit Tilo Jung nach seiner Zwangspause zusammenarbeiten. Ein Sexist im Team
       dürfte das Arbeitsklima ziemlich drücken.
       
       10 Mar 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!156087/
   DIR [2] http://krautreporter.de/498--der-blinde-fleck
   DIR [3] http://twitter.com/TiloJung/status/574870147518828544
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Fromm
       
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