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       # taz.de -- Neues Jazz-Album von Rebecca Ferguson: Leiden ohne Leiden
       
       > Von der Talentshow-Hölle in den Evergreen-Himmel: Mit einer Hommage an
       > Billie Holiday legt die britische Sängerin Rebecca Ferguson ihr drittes
       > Album vor.
       
   IMG Bild: Gibt den Coversongs ihre eigene Note: Rebecca Ferguson.
       
       Rebecca Ferguson wirkte eingeschüchtert, als sie ihr Lied bei der
       britischen Version der Castingshow „X-Factor“ 2010 live im Fernsehen
       ankündigte. Selbst Briten konnten sie kaum verstehen, denn Ferguson sprach
       Scouse, den Dialekt der Bewohner Liverpools, und dabei bekam sie feuchte
       Augen. Damals, als gerade 23-Jährige, war sie Mutter geworden – darüber war
       sie froh, aber irgendetwas fehlte in ihrem Leben. Sie machte gerade die
       Ausbildung zur Anwaltsgehilfin, lieber aber wollte sie singen. Obwohl sie
       mehr auf ihre Schuhspitzen starrte als ins Publikum, überzeugte Ferguson
       die Jury durch das gewisse Etwas in ihrer Stimme. Und sie taten gut daran
       ihr eine Chance zu geben.
       
       Etwas Reifes, Blues-getöntes hatte ihre Stimme schon damals. Ferguson sang
       unverwechselbar. Wenngleich sie an jenem Abend im Fernsehen nicht alle Töne
       traf, blühte sie in den nachfolgenden Sendungen regelrecht auf.
       
       Am Ende sprang für die Sängerin Platz zwei heraus. Sie erhielt einen
       Plattenvertrag, ein Manager ermöglichte Rebecca Fergusons Debütalbum
       „Heaven“ und verschaffte ihr Auftritte. Mit „Modest!“, jenem Management,
       bei dem viele Größen britischer Castingshows unter Vertrag sind, zerstritt
       sie sich bereits wieder 2012. Ferguson twitterte, man habe sie ohne
       Rücksicht auf ihren gesundheitlichen Zustand zu Interviews gezwungen, mit
       ihren beiden Kindern habe sie kaum Zeit verbringen dürfen. Es folgte ein
       Vergleich vor Gericht, der Plattenvertrag wurde aufgelöst. Dennoch, 2013
       erschien ihr zweites Album, „Freedom“, das in Großbritannien genau wie ihr
       Debüt in den Top Ten landete.
       
       Nun veröffentlicht Ferguson ihr drittes Album. [1][„Lady Sings The Blues“]
       ist eine Hommage an Billie Holiday, deren Geburtstag sich im April zum 100.
       Mal jährt. Holidays gleichnamiges Album erschien 1956. Gemeinsam haben die
       beiden Werke allerdings nur den Titeltrack, „I Thought About You“, „God
       Bless The Child“ und den vielinterpretierte Jazzsong aus Ann Ronells Feder
       „Willow Weep For Me“.
       
       Sei’s drum, Ferguson ist mit „Lady sings the Blues“ eine geschmackvoll
       zusammengestellte Sammlung von Swing- und Modern-Jazz-Standards gelungen,
       Songmaterial, das vor ihr etwa auch schon Dizzy Gillespie, Ella Fitzgerald
       oder Frank Sinatra interpretiert haben.
       
       ## Weit mehr als nur Neuinterpretationen
       
       Ob das ein Schritt in die richtige Richtung gewesen sei, darüber sei sie
       sich zunächst unsicher gewesen, erklärte Ferguson. Übergroß sind die
       Fußstapfen in die sie nun tritt, außerdem täte sie sich mit
       Eigenkompositionen leichter. Man kann, man muss diese Selbstzweifel nun
       zerstreuen: Mit ihrer rauchigen, ruhigen Stimme liefert Rebecca Ferguson
       weit mehr als nur Neuinterpretationen. Sie zollt Billie Holiday Respekt,
       kopiert sie aber nie zu ehrfürchtig. Das liegt auch an der Arbeit von Troy
       Miller, der zuvor etwa Chaka Khan produziert hat, was man auf diesem Album
       etwa in der perlenden Jazz-Pop-Nummer „Fine and Mellow“ hört.
       
       Mit dem Auftaktsong „Get Happy“ wagt sich Ferguson an einen Klassiker von
       Ella Fitzgerald. Ferguson lässt ihn vollkommen anders klingen. Sie gibt dem
       Song, wie überhaupt allen Songs, mit ihrer souligen Stimme eine eigene
       Note. Troy Miller sorgt für dezente Arrangements, die Fergusons Stimme im
       Vordergrund, aber nie zu aufdringlich agieren lassen.
       
       Vor allem bei „Blue Moon“ und „All Of Me“ wirkt die junge Britin in ihrem
       Element. Und selbst Standards wie „Summertime“, „Stormy Weather“ und „Ole
       Devil Called Love“ macht sie mit Verve zu eigenen Songs. Den von Liebe und
       Misshandlung handelnden Song „My Man“ arrangieren Miller und Ferguson gar
       als Uptempo-Version mit R-’n’-B-Schlagseite.
       
       Ferguson sagte in einem Interview zum „Making-of“, dass sie viel Respekt
       habe vor Billie Holidays Stimme und davor, wie diese damit den Schmerz
       transportieren konnte. Das sind dann auch die natürlichen Grenzen, an die
       Ferguson stößt. In „Lover Man (Where Can You Be)“ verfehlt sie das Leiden
       der Holiday naturgemäß, was Fergusons Version etwas harmlos erscheinen
       lässt. Auch bei „Don’t Explain“ erzeugt sie mit ihrer Stimme nicht die
       Verletzungen, die Holiday im Original offenbarte. Holiday soll den Song ja
       geschrieben haben, als ihr Mann Jimmy Monroe mit Lippenstift am Kragen nach
       Hause kam. Nicht aus ganzem Herzen traurig zu sein, ist aber auch keine
       Schande. Immerhin braucht Rebecca Ferguson heute nicht mehr mit Tränen in
       den Augen zu singen.
       
       11 Mar 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.vevo.com/watch/rebecca-ferguson/The-Making-of-Lady-Sings-the-Blues/GB1101400982
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Saskia Hödl
       
       ## TAGS
       
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