# taz.de -- Streik der US-Ölarbeiter: Wieder ein Unfall? Routine!
> Der niedrige Ölpreis ist keine Entschuldigung für marode Raffinerien. Vor
> allem, wenn die Konzerne viel Geld haben. Nun sind 7.000 Ölarbeiter im
> Streik.
IMG Bild: „Lieber im Streik als tot“: Ölarbeiter vor der Raffinerie Catlesttsburg, Kentucky.
NEW YORK taz | „In geschlossenen Räumen bleiben, Fenster verriegeln,
Klimaanlagen ausschalten“, empfahl das Rathaus von Torrance in
Südkalifornien, als am 18. Februar eine Explosion in der Raffinerie von
ExxonMobil den Boden im Umkreis von 6 Kilometern erschütterte.
28 Stunden lang standen Rauchsäulen über dem Werk. Eine dichte Decke von
schwerem „weißem Schnee“ sank auf Straßen, Autos, Häuser und Felder –
Katalysatorstaub aus Aluminiumoxid und kleinen Mengen von Nickel und
Vanadium. Und im Werk blieben vier Arbeiter verletzt zurück.
Es war die dritte Explosion in einer Ölraffinerie in den USA in diesem
Jahr. Ein Routine-Ereignis. In Ölraffinerien in den USA sind Brände,
Explosionen und Chemieunfälle so häufig, dass sie es meist nicht einmal in
die Schlagzeilen schaffen. Solange es keine Toten gibt, leitet das in
Washington ansässige Aufsichtsgremium Chemical Safety Board auch keine
Untersuchung ein.
## Sicherheit soll oberstes Gebot werden
Das will die Gewerkschaft United Steelworker (USW), die 30.000 Ölarbeiter
in den USA organisiert, ändern. Sie verlangt zusätzliche Sicherheit am
Arbeitsplatz, besser ausgebildetes und fest angestelltes Personal für die
Wartung und eine Obergrenze für die monatliche Arbeitszeit. Nachdem ihre
ersten Verhandlungsversuche mit der Ölindustrie im Januar gescheitert sind,
rief sie zu einem rolling strike auf, das bedeutet, dass alle zwei Wochen
eine weitere Raffinerie bestreikt wird.
Anfang März sind nun bereits 7.000 Ölarbeiter in Raffinerien quer durch die
USA von Ohio über Indiana, Kentucky, Washington, Kalifornien und Texas bis
nach Louisiana. im Ausstand Sie nehmen es mit Konzernen auf, die im
vergangenen Jahr trotz sinkender Ölpreise Rekordgewinne eingeholt haben.
Ölarbeiter in den USA arbeiten in 12-Stunden-Schichten, nicht selten 30
Tage am Stück. „Sie sind gestresst und übermüdet. Das erhöht das Risiko von
katastrophalen Unfällen“, erklärt Lynne Hancock, Sprecherin der USW. Seit
2005 sind 56 in der Gewerkschaft organisierte Ölarbeiter bei
Arbeitsunfällen gestorben. In einem Video der Gewerkschaft erklärt der
verrentete Ölarbeiter Jim Ingram vor einer bestreiken Raffinerie in
Houston: „Wir machen keine Hamburger, sondern Benzin. Das ist gefährlich.“
Leslie Dillon, Frau eines Ölarbeiters, erklärt: „Ich sehe Jim lieber als
Streikposten als tot.“
## 40 Jahre alte Raffinerien
Die USA sind weltweit das Land mit der größten Zahl von Raffinerien und der
größten Kapazität. Aber in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten hat die
Ölindustrie nach Informationen der US-Behörde Energy Information
Administration jeden zweiten Betrieb geschlossen und die Produktivität in
den verbleibenden erhöht. Heute sind die Raffinerien durchschnittlich 40
Jahre alt.
Die USW verlangt auch, dass die Wartungsarbeiten an den Raffinerien von
fest angestellten und gewerkschaftlich organisierten Arbeitern durchgeführt
werden. Gegenwärtig machen das Subunternehmen. Deren Beschäftigte sind nach
Darstellung der Gewerkschaft weniger gut ausgebildet, kennen die Anlagen
weniger gut und kommunizieren kaum mit den fest Angestellten.
Die Ölarbeiter haben lange gewartet. Der letzte nationale Streik in der
US-Ölindustrie war im Jahr 1980. Und industrieweit ist die gegenwärtige
Streikbewegung die erste seit vielen Jahren, die nicht nur versucht,
Arbeitsbedingungen zu erhalten, sondern sie qualitativ zu verbessern.
Die Industrie versucht, den Konflikt auszusitzen, sie hat die Streikenden
vom ersten Tag an durch nicht gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte –
Vorgesetzte, zurückgeholte Rentner und Arbeiter aus anderen Betrieben –
ersetzt, versucht die Aufständischen mit individuellen Anreizen
zurückzuholen, und raffiniert so viel wie eh und je.
Bei Shell, das auf nationaler Ebene die Gespräche mit der USW führt,
versichert Sprecherin Kimberly Windon: „Wir verhandeln weiter.“ Doch
zugleich hatte Shell schon vor Streikbeginn prophylaktisch Ersatzarbeiter
ausgebildet. Windon: „Wir müssen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.“
„Wir haben es mit der mächtigsten, reichsten und arrogantesten Industrie
überhaupt zu tun“, sagt USW-Sprecherin Hancock. Aber die Leute, die für die
Werke wichtig sind, stünden jetzt in den Streikposten und würden den
Konflikt langfristig auch gewinnen.
4 Mar 2015
## AUTOREN
DIR Dorothea Hahn
## TAGS
DIR Arbeitszeit
DIR Gewerkschaft
DIR Washington
DIR Kentucky
DIR Ohio
DIR Streik
DIR Unfälle
DIR Erdöl
DIR USA
DIR Opec
DIR Fracking
DIR USA
DIR Nordsee
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Kommentar Opec und Ölpreis: Schlechte neue Welt
Die Organisation erdölexportierender Staaten herrscht nur noch über etwa
ein Drittel der weltweiten Produktion. Der Ölpreis sinkt – fragt sich, wie
lange.
DIR Fracking in Südafrika: Halbwüste drohen Bohrlöcher
Die Regierung will bereits 2015 Fracking-Lizenzen für die Karoo-Halbwüste
vergeben. Die südafrikanischen Bewohner wollen sich das nicht bieten
lassen.
DIR Debatte Klimaschutz der „dreckigen Drei“: Beginnt das Saubermachen?
Die USA, China und die EU akzeptieren endlich ihre Klimaverantwortung. Die
Zahlen mögen enttäuschen, das Signal ist dennoch bedeutend.
DIR Umwelt-Gefahr: Zeitbombe Nordsee-Öl
Das Risiko einer Katastrophe bei der Ölförderung wächst, warnt eine Studie.
Grund dafür sei die alternde Infrastruktur.
DIR Obama und die Ölpest: Zur Kooperation verdammt
US-Präsident Obama nimmt die Öl-Katastrophe zum Anlass, die ins Stocken
geratene Energiewende voranzutreiben. Doch er muss mit
Katastrophenverursacher BP zusammenarbeiten.
DIR Barrel-Preis kurz vor 100-Dollar-Marke: Wer vom Ölschock profitiert
Spekulationen, politische Krisen, steigende Nachfrage und schrumpfende
Reserven lassen den Ölpreis auf ein Rekordhoch steigen. Doch wer profitiert
eigentlich davon?