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       # taz.de -- Experte über Doping im Leistungssport: „Wer clever ist, mogelt sich vorbei“
       
       > Beim Fußball geht es um viel Geld. Deshalb überrasche es kaum, dass die
       > Funktionäre alle Dopingvorwürfe abstreiten, sagt Journalist Jonathan
       > Sachse.
       
   IMG Bild: „Man kennt das ja vom Radsport, dass zunächst alles geleugnet wird.“ Ampullen mit Anabolika
       
       taz: Herr Sachse, Doping im Fußball! Sind die Ergebnisse der Freiburger
       Kommission tatsächlich so überraschend? Diverse Hinweise für den Einsatz
       verbotener Hilfsmittel gab es ja schon öfter. 
       
       Jonathan Sachse: Das wirkliche Neue an dem aktuellen Befund ist, dass es
       konkrete Bezüge gibt: Laut der Expertenkommission ist bewiesen, dass der
       VfB Stuttgart und der SC Freiburg Ende der 1970er beziehungsweise Anfang
       der 1980er Jahre Anabolika bestellten.
       
       Warum ist der große Knall im Fußball – anders als im Radsport – bislang
       ausgeblieben? 
       
       Der Fußball ist sehr mächtig, da steckt viel Geld drin – also sind auch die
       Verteidigungsmechanismen sehr stark. Es gab zwar immer wieder kleinere
       Wellen, die das Thema Doping nach oben gespült haben. Aber dann kehrte
       wieder Ruhe ein, die Instrumente funktionierten. Man weiß ja vom Radsport,
       welche Auswirkungen ein Dopingskandal hätte.
       
       Jürgen Sundermann, damals Trainer in Stuttgart, hat die Dopingvorwürfe
       bereits als „Schwachsinn“ bezeichnet. Auch VfB-Physiotherapeut Francois
       Caneri, von 1976 bis 1982 angestellt, bestreitet verbotene Praktiken. Wie
       bewerten Sie das? 
       
       Ich finde solche Aussagen bewundernswert. Genau diese Personen müssten
       eigentlich Bescheid wissen. Dass sie alles grundsätzlich ausschließen,
       verwundert schon. Zumal Sundermann ja selbst zugibt, mit dem Sportmediziner
       Armin Klümper in einem engen Verhältnis gestanden zu haben. Aber Doping?
       Nein, auf gar keinen Fall …! Da passt was nicht zusammen.
       
       Haben Sie eine Erklärung für diese Abwehrhaltung? 
       
       Man kennt das ja vom Radsport, dass zunächst alles geleugnet wird. Des
       Weiteren muss man wissen, dass es damals überhaupt kein Kontrollsystem auf
       nationaler Ebene gab. Das heißt, der Schritt zu dopen, war einfacher. Die
       Frage muss daher lauten: Inwieweit waren die Spieler eingeweiht? Klümper
       galt als sehr charismatischer Guru. Ähnlich wie heute vielleicht Sportarzt
       Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Solchen Ärzten, die von vielen beansprucht
       werden, glaubt man schnell.
       
       Irgendjemand muss die Bestellungen für Anabolika aufgegeben haben. Was
       wussten die Vereinsfunktionäre? 
       
       Über den VfB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder (von 1975 bis 2000 im Amt,
       Anm. d. Red.) ist bekannt, dass er Klümper gerne gelobt hat. Ob er sich
       finanziell beteiligt hat, weiß ich nicht. Dass er Bescheid wusste, ist
       wahrscheinlich. Er selbst forderte damals einen geregelten Einsatz von
       Anabolika bei langzeitverletzten Spielern.
       
       Welche Bedeutung hat der Fall für die Gegenwart und die Zukunft des
       Fußballs? 
       
       Erstmal ist wichtig, dass das komplette Dokument veröffentlicht wird. Dann
       erwarte ich journalistische Nachforschungen. Fußballgrößen wie Hitzfeld
       oder Löw können sich erklären. Ob sich auch am Kontrollsystem etwas ändert,
       scheint fraglich. Man wird darauf verweisen, dass es im Vergleich zu früher
       eines gibt. Aber wer clever ist, kann sich problemlos vorbeimogeln – es
       gibt extrem viele Lücken.
       
       4 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR David Joram
       
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