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       # taz.de -- EU-Regeln für Plastiktüten: Ganz dünne Beute(l)
       
       > Die EU will Einwegtüten-Verbrauch eindämmen – doch die Hersteller setzen
       > Sonderregeln durch. In Deutschland soll sich erst mal nichts ändern.
       
   IMG Bild: Schnell mal weggeworfen: eine Plastiktüte.
       
       BRÜSSEL taz | Zum Schluss hatte nur noch einer Bedenken. Ausgerechnet Frans
       Timmermans, der mächtige Vize von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
       Juncker, forderte Freiheit für die Plastiktüte. „Wir teilen alle das Ziel,
       diesen Müll zu bekämpfen“, sagte der liberale Sozialdemokrat aus den
       Niederlanden. Bei der Umsetzung müssten die EU-Staaten aber ganz vorsichtig
       sein.
       
       Timmermans fürchtet neue Bürokratie und Probleme im Einzelhandel. Deshalb
       hätte Junckers oberster Bürokratie-Bekämpfer die neuen EU-Regeln am
       liebsten wieder geschreddert, wie viele andere Pläne zum Umweltschutz auch.
       Doch damit hätte er sich sowohl im Europaparlament als auch im Ministerrat
       unbeliebt gemacht, die den Vorschlag schon im November abgenickt hatten.
       
       Und so war es eigentlich nur noch Formsache, dass die EU den löchrigen
       Kompromiss am Montag endgültig beschlossen hat. Er sieht vor, dass jeder
       EU-Bürger im Jahr 2025 im Durchschnitt nur noch 40 Einwegtüten pro Jahr
       verbraucht. 2010 waren es noch 198. Um den Verbrauch zu senken, könnte es
       künftig Gebühren, Steuern oder Verbote geben. Die Details sollen die
       nationalen Regierungen aber selbst festlegen können.
       
       Doch die neue EU-Richtlinie bleibt weit hinter dem ursprünglichen Ziel
       zurück, die Einwegtüte ganz zu verbieten. Selbst vom nun geplanten Rückzug
       gibt es Ausnahmen: Nicht betroffen sind große Plastiktaschen und hauchdünne
       Beutel, wie sie an der Gemüsetheke liegen. Diese Sonderregeln hatten vor
       allem deutsche Tütenhersteller durchgesetzt – durch massives Lobbying. Für
       Deutschland dürfte sich auch wenig ändern: Die deutschen Verbraucher nutzen
       bereits heute vergleichsweise wenige Tüten, oft müssen sie dafür auch schon
       ein paar Cent berappen.
       
       Gegen ein Verbot hatten sich neben der Plastik-Lobby auch CDU/CSU im
       Europaparlament ausgesprochen. „Ich glaube, auch wenn die Mitgliedstaaten
       hier freie Hand haben, dass Verbote nicht das beste Mittel sind“, sagte
       Peter Liese (CDU). EU-Staaten wie Irland und die skandinavischen Länder
       hätten durch marktwirtschaftliche Maßnahmen sogar bessere Zahlen erreicht,
       so der umweltpolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion.
       
       Grüne und Sozialdemokraten hatten härtere Auflagen gefordert, konnten sich
       jedoch nicht durchsetzen. So konnte das EU-Parlament letztlich auch kein
       Verbot der besonders umweltschädlichen Oxo-Plastiktüten erreichen. Diese
       Plastiktüten zerfallen in Mikroplastikteilchen, verschmutzen die Umwelt und
       bereiten Probleme im Recycling-Prozess, betont Margrete Auken von den
       Grünen.
       
       „Statt eines Verbots müssen wir nun auf eine Studie der EU-Kommission
       warten, um weitere Schritte gegen die Oxo-Tüten zu unternehmen“, kritisiert
       Auken. „Nachhaltigkeit und Umweltschutz zählen für die Juncker-Kommission
       offenbar nicht viel.“ Dennoch will sich die Brüsseler Behörde nun als
       Siegerin im Tütenstreit präsentieren. Auch die Bundesregierung ist
       zufrieden.
       
       In Berlin schätzt man vor allem, dass Deutschland nun weitgehend die Hände
       in den Schoß legen kann. „Bei einer Abwägung von Aufwand und Nutzen spricht
       derzeit aus unserer Sicht nichts dafür, in Deutschland Abgaben oder gar
       Verbote einzuführen“, sagte eine Sprecherin von Bundesumweltministerin
       Barbara Hendricks (SPD). Vielmehr setze man auf freiwillige Maßnahmen. Der
       Handel habe schon seine Kooperationsbereitschaft bekundet, freute sich die
       Sprecherin. Wen wundert’s – schließlich wurde alles, was die Wirtschaft
       stört, schon im Vorfeld geschreddert.
       
       2 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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