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       # taz.de -- Strengere US-Regeln für Netzneutralität: Die Datenpaket-Kommunisten
       
       > Netzneutralität ist in den USA ein etabliertes Verbraucherthema. Die EU
       > sympathisiert mit den Internetanbietern. Das muss sich ändern.
       
   IMG Bild: Haltet die Leitung frei: Der Chef der Federal Communication Commission (FCC), Tom Wheeler, bleibt gegenüber den Internetanbietern hart.
       
       Es ist tatsächlich mal eine richtig gute Nachricht: Die US-Aufsichtsbehörde
       FCC rang sich nach langer Lobbyistenschlacht am Donnerstag dazu durch,
       [1][mit strengeren Regeln Netzneutralität durchzusetzen]. Internetanbietern
       wird damit verboten, einzelne Dienste gegen Bezahlung zu bevorzugen,
       Datenpakete von nichtzahlenden Anbietern zu drosseln oder legale Inhalte zu
       sperren.
       
       Das bedeutet konkret: Selbst wenn Anbieter von datenintensiven Services wie
       Netflix Providern nicht extra Geld dafür zahlen, dass ihre Inhalte
       besonders schnell übertragen werden, können Serien wie die
       Netflix-Produktion „House of Cards“ ruckelfrei übertragen werden. Ebenso
       wie aufwändige Onlinespiele oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit
       Telemedizin.
       
       „Das Internet ist einfach zu wichtig, um Provider allein die Regeln dafür
       machen zu lassen“, [2][begründete der Vorsitzende] der Federal
       Communication Commission (FCC), Tom Wheeler, die Entscheidung, dank der die
       FCC Netzneutralität sowohl für leitungsgebundene als auch für mobile
       Breitbandverbindungen sichern will. Netzaktivisten und Internetunternehmer
       feierten die Entscheidung des FCC als Triumph des freien, offenen
       Internets. Zum Überraschungshelden in ihrem Kampf wurde Wheeler, ein
       einstiger Lobbyist der Telekommunikationsbranche.
       
       Es ist richtig, diese nun festgeschriebene Form von Datenpaket-Kommunismus
       zu zelebrieren: Je weniger finanzielle Interessen und inhaltliche Kontrolle
       dem Fluss von Daten und Informationen über die Netze im Weg stehen, desto
       besser. Das gilt um so mehr, als dass es in den USA bei der Diskussion eben
       auch darum geht, dass Provider häufig Kabelanbieter sind – die ihr
       Geschäftsmodell durch Streaming-Angebote in Gefahr sehen.
       
       Außerdem bewahrt Netzneutralität die Chancen von Innovationen: Ohne sie
       könnten sich Konkurrenten von datenintensiveren Diensten wie YouTube nicht
       etablieren – zu groß wäre der Druck, bei Providern, zusätzliche
       Durchleitungsgebühren abzudrücken, um sich gegen etablierte Player
       durchzusetzen.
       
       Interessant an der aktuellen Entscheidung ist, wie groß das Interesse an
       dem Schwarzbrot-Thema Netzneutralität in den USA zuletzt war. So mischten
       sich in die Debatte von TV-Comedian John Oliver bis hin zu Präsident Barack
       Obama Stimmen jenseits der üblichen Netzfreiheitskämpfer ein, es gab
       Kampagnen, unterstützt von Diensten wie Reddit oder Etsy – mit dem
       Ergebnis, dass zuletzt über vier Millionen Menschen auf den Seiten des FCC
       diskutierten.
       
       ## Sexy wie eine Kurvendiskussion
       
       Das alles erstaunt, weil die Frage, wie Datenpakete durch weltweite Netze
       geleitet werden, vielen als ähnlich sexy gilt wie eine Kurvendiskussion.
       Und doch ist es in den USA gelungen, Netzneutralität zu einem digitalen
       Verbraucherthema zu machen. Einem, das Demokraten und Republikaner spaltet
       und hitzig diskutiert wird – und das nach Ansicht vieler Beobachter sogar
       im Wahlkampf 2017 eine Rolle spielen wird.
       
       Hierzulande lockt das Thema die breite Öffentlichkeit nicht hinter dem Ofen
       hervor – auch wenn es auf EU-Ebene fast ebenso lange schon auf der Agenda
       steht wie in den USA.
       
       Im Zuge von internationalen Datenströmen logisch und auch wünschenswert
       wäre es natürlich, wenn auch hierzulande ähnlich klare Regeln für
       Netzneutralität festgeschrieben würden. Auch, weil Europa im Bereich der
       digitalen Innovationen weit hinterherhinkt – und doch eigentlich so gerne
       vorne mitspielen würde. Und doch sind aktuelle Entwürfe für Regelungen auf
       EU-Ebene schwammig formuliert und eröffnen viele Möglichkeiten, um
       Netzneutralität zu verletzen. Deutschland, aber auch andere Länder Europas
       äußern immer wieder Sympathien für die Interessen von Providern, die gerne
       Spezialdienste anbieten möchten – und oft und gerne über ihre finanziellen
       Nöte angesichts von dringend notwendigem Netzausbau stöhnen.
       
       Und so ist eine ähnlich klares Bekenntnis zu Netzneutralität wie in den USA
       derzeit noch ein Fernziel. Es sei denn, es gelingt, Netzneutralität so wie
       dort zu einem digitalen Verbraucherthema zu machen, das jeden bewegt, der
       einen Internetanschluss hat.
       
       3 Mar 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.fcc.gov/document/fcc-adopts-strong-sustainable-rules-protect-open-internet
   DIR [2] http://www.fcc.gov/article/doc-332260a2
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Meike Laaff
       
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