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       # taz.de -- Mord in Moskau: Attentat auf Putin-Kritiker Nemzow
       
       > Oppositionspolitiker Boris Nemzow wurde nahe des Kremls hinterrücks
       > erschossen. Er galt als scharfer Kritiker Putins. Die Opposition ist
       > schockiert, Merkel „bestürzt“.
       
   IMG Bild: Oppositionspolitiker Boris Nemzow bei einer Demonstration am 6. Mai 2012.
       
       MOSKAU/BERLIN dpa | Der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow ist am
       späten Freitagabend in Moskau in unmittelbarer Nähe des Kremls auf offener
       Straße hinterrücks erschossen worden. Das teilte die oberste russische
       Ermittlungsbehörde am Freitagabend mit. Der 55 Jahre alte Nemzow galt als
       eine der schillerndsten Persönlichkeiten der russischen Opposition. Der
       charismatische Politiker und frühere Vizeregierungschef war einer der
       schärfsten Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin. Dieser verurteilte den
       „brutalen Mord“, ebenso wie US-Präsident Barack Obama.
       
       Putin sprach von einer politischen „Provokation“. Die Bluttat habe alle
       Anzeichen eines Auftragsmordes, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow in der
       Nacht zum Samstag. Der Präsident habe den Angehörigen des Oppositionellen
       sein Beileid ausgesprochen. Zudem habe Putin die leitenden Mitarbeiter der
       obersten Ermittlungsbehörde, des Innenministeriums und des
       Inlandsgeheimdienstes FSB angewiesen, die Ermittlungen persönlich in die
       Hand zu nehmen.
       
       In einer vom Weißen Haus verbreiteten Erklärung forderte Obama die
       russische Führung zu einer „schnellen, unvoreingenommenen und
       transparenten“ Aufklärung des Verbrechens auf. Obama sprach der Familie
       Nemzows sein Beileid aus, ebenso wie dem russischen Volk, das „einen der
       engagiertesten und eloquentesten Verteidiger seiner Rechte“ verloren habe.
       
       Ermittler gingen von einem Auftragsmord aus. Nemzow war in Kremlnähe am
       späten Freitagabend von hinten mit einer Pistole erschossen worden. Vier
       Kugeln trafen ihn in den Rücken. Am Tatort seien sechs Patronenhülsen
       gefunden worden. Der Täter flüchtete ersten Ermittlungen zufolge in einem
       weißen Auto. An der Stelle der Bluttat gibt es Videoüberwachung, die
       möglicherweise weitere Hinweise auf die Täter geben könnte, hieß es in
       Medien. Der Politiker soll wenige Minuten zuvor mit einer Bekannten aus der
       Ukraine über den Roten Platz spaziert sein.
       
       ## Nemzow kritisierte Putins Ukraine-Politik
       
       Boris Nemzow galt als glühender Unterstützer der proeuropäischen
       ukrainischen Führung in Kiew. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko
       äußerte sich schockiert über den Mord an Nemzow. „Boris wurde umgebracht.
       Es ist kaum zu glauben. Ich habe keine Zweifel, dass die Täter bestraft
       werden. Früher oder später“, schrieb der prowestliche Staatschef in der
       Nacht zum Samstag bei Twitter.
       
       Nemzow hatte nach Informationen des früheren georgischen Präsidenten
       Michail Saakaschwili an einem Bericht über die russische Verstrickung in
       den Krieg in der Ostukraine gearbeitet. Er habe die russische
       Öffentlichkeit über die Lage informieren wollen, sagte Saakaschwili dem
       US-Sender CNN. Die Ermordung Nemzows sei für ihn keine Überrschung. „Ich
       bin nur überrascht, dass er nicht schon früher getötet wurde.“
       
       Die Lage in Russland ist im Zuge der Ukraine-Krise gespannt. Nemzow hatte
       den Krieg in dem Nachbarland scharf kritisiert - als russische Aggression.
       In einem eindringlichen Appell hatte er den Einsatz von russischen Soldaten
       in der Ostukraine - ohne Erkennungszeichen an den Uniformen - als „illegal“
       kritisiert.
       
       Die Opposition will an diesem Sonntag ihre erste große Demonstration dieses
       Jahres gegen die Politik von Putin organisieren. Die Agentur Interfax
       berichtete unter Berufung auf Ermittler, der Mord an Nemzow könne eine
       gezielte Provokation sein vor der Aktion der Regierungskritiker.
       
       „Ich kann es nicht glauben. Was ist aus Russland geworden? Die Aggression
       wächst“, sagte der frühere Regierungschef Michail Kasjanow im
       kremlkritischen Radiosender Echo Moskwy. Der Oppositionspolitiker Wladimir
       Ryschkow warnte vor einem „wachsenden Hass auf Andersdenkende“ in der
       Gesellschaft. „Ich bin schockiert“, sagte er. Kein Oppositioneller könne
       sich heute sicher fühlen in dem Land, betont er.
       
       Die große Mehrheit der Russen unterstützt nach Umfragen den Kurs von
       Präsident Putin. Nemzow hingegen kritisierte die Politik als zerstörerisch
       für das Land.
       
       ## Merkel ist „bestürzt“
       
       Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich bestürzt über den Mord am
       russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow geäußert. Regierungssprecher
       Steffen Seibert teilte am Samstag in Berlin mit, die Kanzlerin fordere
       Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf, „zu gewährleisten, dass der Mord
       aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden“.
       
       Merkel sei „bestürzt über die hinterhältige Ermordung“ des 55-Jährigen, der
       als einer der schärfsten Kritiker von Kremlchef Putin galt. „Sie würdigt
       den Mut des ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten, der seine
       Kritik an der Regierungspolitik immer wieder auch öffentlich geäußert hat“,
       erklärte Seibert.
       
       28 Feb 2015
       
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